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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0237
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III 4b Kinderpredigten 1533

Es haben vater und muter so vil mit den kindern
zu tun, das sie es selbs nicht alles ausrichten kön-
nen, wiewol sie es gern teten, wann es nur müglich
wer. Darumb müssen sie ander leut durch gelt und
bit, durch ordnung und gesetz zu hilf nemen, bis
doch die kinder solche woltat alle uberkommen, die
uns Got durch vater und muter geben wil.
Das sein die fürnemsten ursach, meine liebe kind-
lein, darumb uns Gott der Herr gepoten hat, das wir
sollen vater und muter ehren. Und es müssen war-
lich böse kinder sein, die es nicht tun, dieweil sie so
vil guts von vater und muter empfangen haben und
dannoch undankbar sein. Sie weren warlich wol werd,
das man sie versteiniget, wie Got im alten testament
gepoten hat. Darumb, meine liebe kindlein, nembt
es zu herzen, und seid nicht bös, ungehorsam und
undankbar, sondern ehret vater und muter!
Ihr solt aber nicht dafür halten, meine liebe kind-
lein, das ihr solchen gehorsam und ehr allein euren
leiblichen vater und muter schuldig seid, sonder ihr
seids schuldig allen denen, die euer vater und muter
zu hilf nemen, durch die sie ihr ampt gegen euch
ausrichten, als da sein vormund, schulmeister, haus-
herrn, prediger, pfarher und weltliche oberkeit; dann
dise alle nennet die heilig schrift auch vater. Dar-
umb, wann Gott der Herr spricht: Du solt vater und
muter ehren, so maint er die vorgenanten leut alle,
und das geschicht darumb.
Wann einem jungen kind sein eltern sterben, so
bestellen sie in ihrem testament feine fromme leut,
zu den sie sich guts versehen, ubergeben ihn ihren
gewalt, den sie von Gott haben uber die kindlein
und machen sie zu vormunden. Solchen vormunden
sollen nun die kindlein auch gehorsam sein und sie
ehren; dann sie sein an vater und muter stat ge-
stellet, versorgen die kindlein, das sie erzogen wer-
den und etwas leren, und müssen vor Gott und der
welt für sie rechnung geben.
Desgleichen wann vater und muter nicht geschickt
sein oder nicht die weil haben, das sie die kindlein
leren, so bevelhen sie es den schulmeistern, den pre-
digern und seelsorgern und ubergeben ihn in dem
fall auch ihren gewalt. Darumb sollen die kindlein
sie auch ehren und ihn gehorsam sein. Dann Paulus

1 Richtig: Hebr. 13,17.

spricht (1. Tim. 5. [17]): Die eltisten oder priester,
die wol fürstehn, sein zwifacher ehren wert. Und
Sanct Petrus spricht (I. Petr. 5.)1: Seid gehorsam
eurn fürsteern, dann sie wachen für euch, als die
rechnung für euer seelen geben müssen.
Es geschicht auch oft, das vater und muter ihre
kinder zu fremden leuten verdingen, aintweder das
sie die kinder nicht wol erneren oder aber kain hand-
werk und gewerb selbs leren können oder aus an-
dern guten ursachen. Wann nun das geschicht, so
sollen die kinder, die also verschickt oder verdingt
werden, ihre herrschaft auch ehren wie vater und
muter und ihn gehorsam sein; dann vater und muter
haben ihn ihren gewalt auch ubergeben und be-
volhen. Darumb spricht Paulus (Eph. 6 [5-8]): Die
knecht sollen ihre herrn aller ehren wert halten und
ihn dienen als dem Herrn, darumb, das es also der
will Gottis ist.
Wann aber nun die kinder gros werden, und wöl-
len weder den eltern noch den schulmeistern noch
den hausherrn noch den seelsorgern volgen, sonder
werden bös, frech, mutwillig und tun andern leuten
schaden, so sol sie die obrigkeit strafen; dann vater
und muter haben die obrigkeit gewelet und ein-
gesetzt und haben ihn ihren gewalt auch übergeben,
das sie die bösen kinder an ihr stat strafen und ziehen
sollen. Darumb sol man die weltliche obrigkeit auch
ehren wie vater und muter; dann durch sie haben
wir schutz und schirm, frid und recht in der stat und
auf dem land. Wir sollen auch gern darzu geben
steur, gült, rent und zins, darmit sie es erhalten kön-
nen, wie Paulus zun Römern am dreizehenden [1 ff.]
leret.
So merkt nun mit allem fleis, meine liebe kind-
lein, das vater und muter heißen nicht allein die leut,
die uns geporn haben, sonder auch die, die ihn helfen
uns leren und ziehen als da sein vormund, schul-
meister, hausherrn, seelsorger und weltliche öbrig-
keit. So heist auch ehren nicht schlechte, eußerliche
zucht, sonder es haist förchten, gehorsam sein, lieb
haben und alles guts tun und sich dannoch des alles
nicht ubernemen, sonder sich demütigen und sie bit-
ten, das sie mit uns für gut nemen; wir weren wol
mer schuldig.

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