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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0239
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III 4b Kinderpredigten 1533

nutz sein und vil guts tun. Ihr werdt auch in eurm
land bleiben bei euern eltern, schwestern, brüdern,
freunden und guten gesellen und allerlei freundschaft
lieb und treu von ihn gewarten und entpfangen. Ihr
dörft auch nicht sorgen, das ihr von armut wegen
oder aus andern bösen ursachen müst aus dem land
entlaufen, und werden euch die feind auch nicht dar-
aus vertreiben, wie sonst den bösen, ungehorsamen
leuten geschicht. Solchen großen lon hat uns unser
lieber Herr verheißen und wird den gewißlich geben,
wie wirs offenbarlich am tag sehen, das ers tut, wann
wir vater und muter und aller obrigkeit gehorsam
sein und lassen uns leren und ziehen zu unserm gro-
ßen nutz und ehren und zu Gottis wolgefallen.
Das ist nun die mainung und der recht verstand
dises vierten gepots, das man Gott den Herrn uber
alle ding sol förchten und lieben, das wir umb seinen
willen unsere eltern und herrn nicht verachten noch
erzürnen, sonder sie in ehren halten und ihn dienen,
gehorsam sein und alle lieb und treu erzaigen.
Darumb, meine liebe kindlein, merkts mit fleiß,
und wann man euch fraget:
Wie verstehstu das viert gepot ?
so solt ihr also antworten:
Wir sollen Gott den Herrn uber alle ding forchten
und lieben, das wir umb seinen willen unsere eltern
und herren nicht verachten noch erzürnen, sonder
sie in ehren halten und ihn dienen, gehorsam sein
und alle lieb und treu erzeigen.
Die funft predig.
Auslegung des funften gepots.
Nun habt ir am nechsten gehört, wie ihr das viert
gepot verstehn solt, darin wir lernen, wie wir uns
gegen vater und muter und aller obrigkeit sollen hal-
ten. Darumb volget nun hernach das fünft gepot.
Das lautet also:
Du solt nicht toten.
Und das gepot, meine liebe kindlein, das leret uns,
wie wir uns sollen halten gegen unsers nechsten aigne
person, nemlich: das wir ihm kein schaden zufügen
sollen weder an seim leib noch an seinem leben, dann
der mensch hat unter allen zeitlichen zergenklichen
gütern nichts liebers dann sein aigen leib und leben.

Darumb hat auch unser lieber Herrgot, vor allen
andern scheden, darmit wir unsern nechsten belai-
digen mögen, am allerersten verpoten, das wir nit
sollen töten.
Es ist aber nicht genug, meine liebe kindlein, wann
wir uns schon im eußerbchen werk enthalten, das
wir niemand erwürgen. Sonder wir sollen auch weder
mit gedanken, worten oder werken kein ursach dar-
zu geben, das unser nechster umb sein leib und leben
kom; dann die gepot Gottis sein geistlich (Rom.
7 [14]) und erfordern nicht allein das werk, sonder
auch den willen und das herz. Und ist fürwar ein
große weisheit, wo man solchs recht verstehet. Dar-
umb hat unser lieber Herr Christus im evangelio
selbs ausgelegt [Matth. 5, 21-26], auf das wir uns
ja nicht sollen irren und die gepot unrecht verstehn
wie die Juden. Dann die Juden maineten, wann sie
nur niemand mit der hand oder mit der tat erwür-
geten, so hetten sie dis gepot schon gehalten, und
erfüllet. Wann sie aber sonst mit worten und werken
ursach darzu gaben, so achteten sie desselben nicht,
gleich als were es kain sund. Und ihre schriftgelerte
und phariseer lereten sie auch also und wustens nicht
besser.
Darumb spricht der Herr Christus in evangelio
(Mat. 5 [20ff.]): Ich sag euch, es sei dann euer ge-
rechtigkeit besser dan der schriftgelerten und pha-
riseer, so werdt ir nicht in das himelreich komen. Ir
habt gehört, das zu den alten gesagt ist: Du solt
nicht töten. Wer aber tötet, der sol des gerichts
schuldig sein. Ich aber (spricht der Herr Christus)
sage euch: Wer mit seinen bruder zürnet, der ist des
gerichts schuldig. Da höret ihr, meine liebe kindlein,
das unser Herr Christus das zürnen eben so hoch wil
verpoten haben als das töten, und ist auch recht;
dan wer da zürnet, der tötet den nechsten mit dem
herzen, und mit den gedanken.
Nun steht aber Gottis gepot da und spricht: Du
solt nicht töten. Und das solt ihr, meine liebe kind-
lein, fleißig merken, das er nicht spricht: Dein hand
sol nicht töten oder dein schwert sol nicht töten oder
dein spies und püchsen sollen nicht töten, das ist: Du
selbs, als gros du bist. Mit all deinen glidern inwen-
dig und auswendig, mit all dein gedanken und an-
schlegen, mit all deinem tun und lassen soltu nicht
töten.

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