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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0241
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III 4b Kinderpredigten 1533

Welcher aber mit seinem zorn herausfert, und
murret, der ist des rats schuldig, das ist; er tut ein
solche sund, darüber man nicht erst am gericht for-
schen sol, ob sie zu strafen sei oder nicht; dann es
ist offenbar, das unrecht und streflich ist, sonder
man solte flugs zu rate gehn und bedenken, wie hart
man sie strafen solt.
Welcher aber mit seinem zorn dem nechsten scha-
den tut und ihn an seinen ehren belaidigt, haist ihn
ein narren oder schelmen oder was andere der glei-
chen scheltwort sein, der ist des hellischen feurs
schuldig, das ist: er tut ein solche große sund, die
hie zeitlich und dort ewiglich solt gestraft werden,
wann sie nicht gepüst und durchs leiden Christi ver-
geben wurde.
Noch vil mer wirt der todschlag hie und dort ge-
straft werden, wie Got der Herr nach der sindflus
zum Noa gesprochen hat: Ich wil euer blut von allen
tieren erfordern und wil des menschen seel fordern
von des menschen henden. Wer menschenblut ver-
geust, des blut sol auch durch menschen vergossen
werden (Gen. 9 [5f.]), und darzu ist die obrigkeit
von Got eingesetzt, wie ihr gehört habt.
Und wann man gleich der obrigkeit entrinnet oder
sie selbs nachlessig und seumig ist, das sie nicht
straft, so lest es doch Gott der Herr nicht unge-
rochen, sonder strafts hie und dort, wie er gespro-
chen hat, er wöl unser blut und unser seel erfordern.
Wie man fein sicht am Cain, der seinen bruder Abel
erschlug. Dann Gott der Herr strafet ihn selbs dar-
umb, hie zeitlich, das er must ein bös, blöd, ver-
zagts, unruigs gewissen haben, sich förchten und zit-
tern und aus dem land fliehen und kain bleibende
stat haben (Gen. 4 [12]). Er straft ihn auch dort in
jener welt ewiglich; dann er ist verflucht und ver-
dambt (1. Joh. 3 [15]).
Ein solche ernstliche straf, meine liebe kindlein,
sol uns pillich alle bewegen, das wir dis gepot fleißig
merken und gern halten sollen. Also, das wir nie-
mand töten weder mit werken noch mit worten noch
mit gedanken, wie uns Christus der Herr leeret. Son-
der man sol gedultig sein und leiden, wann uns ge-
walt und unrecht geschicht; dann er spricht (Mat.
5. [10]): Selig sein, die umb der gerechtigkeit willen
verfolgung leiden; dann das himelreich ist ihr.
Wir sollen auch nicht zürnen, sonder unser feind

lieb haben. Wir sollen nicht ubel nachreden, sonder
segnen, die uns fluchen. Wir sollen uns auch nicht
rechen, sonder, wer uns ein straich an ein packen
gibt, dem sollen wir den andern auch darhalten. Und
wer uns den rock wil nemen, dem sollen wir auch
den mantel lassen. Wer uns zwinget ein meil wegs
mit ihm zu gehn, mit dem sollen wir zwo gehn. Wir
sollen guts tun den, die uns hassen, und pitten für
die, die uns belaidigen, auf das wir rechte kinder
seien unsers Vaters im himel; dann solchs alles hat
uns Christus gelert und bevolhen [Matth. 5, 39-45].
Und wann wir jemand belaidigt und erzürnt ha-
ben, so sollen wir fleis ankeren, das wir uns auf das
allererst wider mit ihm versönen. Dann Christus
spricht (Mat. 5. [23 f.]): Wann du dein gab auf den
altar wilt opfern und wirst alda ingedechtig, das dein
nechster etwas wider dich hat, so laß dein gab vor
dem altar und gehe hin und versüne dich mit dei-
nem bruder! Es war zwar im alten testament ein
feiner gottisdienst, wann man opferet; dann Gott der
Herr het es selbs bevolhen. Aber unser lieber Herr
Christus leret uns da, das der allerpest und nötigst
gottisdienst sei, das man Gottis gepot halt und sich
mit dem nechsten versöne. Das solt ir, meine liebe
kindlein, fleißig merken.
Darzu dienet es auch zu zeitlicher rue, zu glück
und hail, wann man Gottis gepot fleißig helt. Und
wann mans nicht tut, so dienet es nur zur schand,
zu schaden und zu verderben. Dann Christus spricht
(Matth. 5 [25]): wir sollen mit unserm widersacher
uns bald vertragen, das ist: wir sollen mit niemand
zürnen, zanken, hadern oder rechten, sonder vertrag
und frid suchen, wie wir können. Sonst möchten wir
in den kerker geworfen werden und nicht heraus
kommen, bis wir auch bei einem heller bezaleten.
Dann es kan wol geschehen, wann wir gleich ein ge-
rechte sach haben, das wir dannoch das urteil ver-
lieren. Und ob wirs schon gewinnen, so gehn oft mer
kost und scheden darauf, dann die sach wert ist.
Darumb ist nichts bessers, dann überall frid suechn.
Und gleich wie wir mit jederman sollen frid hal-
ten, also sollen wir auch fleis ankeren, wo ander leut
unains sein, das wir sie wider zu freunden machen.
Dann Christus spricht (Matt. 5 [9]): Selig sein die
fridfertigen oder frid machen; dann sie werden Got-
tis kinder heißen.

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