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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0253
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III 4b Kinderpredigten 1533

fer nach den geschlechten ausgeteilt und, wer nicht
des geschlechts war, das daselbst hin gehöret, der
kont kein haus am selben ort uberkommen. Darumb
mag man wol durch das wörtlein haus auch das ge-
schlecht verstehn. Und ist nun die mainung, wan
unser nechster eins guten geschlechts ist, hat große
güter geerbet, hat ein feins haushalten, hat sein
burgerrecht, ehr und würde, ein ehrlichs ampt und
alles, das zum hausvater gehört oder bei einem haus-
vater gefunden wird. So sollen wir uns seines haus
nicht lassen gelusten, das ist: wir sollen keinswegs
begern, das er darvon oder darumb kommen solt,
auf das wir an sein stat kommen möchten; dann das
gepot maint aigentlich das ganz wesen, haushalten
und den stand unsers nechsten. Und ist so vil ge-
sagt: Laß dich nicht gelusten, das du gern sein wol-
tist, was dein nechster ist, oder in dem stand sein,
darin dein nechster ist, sonder laß dir dein stand
gefallen, darein dich Gott gesetzt und geordnet hat!
So merkts nun mit fleis, meine liebe kindlein,und
haltes auch! Last euch nicht gelusten eines andern
und höhern geschlechts, dann ihr seit! Last euch
nicht gelusten eines andern und reichern haushal-
tens, dann ihr habt! Last euch auch nicht gelusten
eines andern und höhern stands oder ampts, dann dar-
zu ihr berufen seid, sonder laß ihm ein jeder seinen
stand, das ist: sein haus, oder haushalten, gefallen
und diene Gott darin aufs allerfleißigst! So sein wir
gehorsame kinder Gottis und erfüllen seinen göt-
lichen willen.
Auch solt ihr das sonderlich merken, das dise zwei
gepot uns weren, das wir unsers nechsten haus oder
güter nicht an uns ziehen sollen, wann wirs gleich
mit gutem schein und fug oder mit recht vor der
welt tun können. Sonder sollens ihm lassen und dar-
zu helfen, das ers mög behalten; dann unser Herr
Gott spricht nicht: Stil deinem nechsten sein haus
nicht oder raub ihms nicht oder betreug ihn nicht
darumb! Dann das alles hat er vor im sibenden ge-
pot verpoten. Sonder spricht: Laß dichs nicht ge-
lusten! Wann du nu großen lust hast, ihn zu ver-
dringen und dich an sein stat zu setzen, und sihest
deshalben dester lieber, das er ubel haushalt, leihest
und porgest ihm dester mer, das er nachlessig, lie-
derlich und arm werd, bis er zu letst verkaufen muß.
Wann du ihms alsdann gleich abkaufst und redlich

bezalst, so hastu dannoch gesundigt. Dann wir sollen
unsern nechsten lieben als uns selbs und ihm alles
guts gönnen als uns selbs. Nun wolten wir ja gern
bei dem unsern bleiben und nicht durch armut in
abnemen oder gar von heuslichen ehren kommen.
Darumb sollen wir auch unserm nechsten nicht nach
seinem haus trachten, sonder vil mehr helfen und
raten, das ers behalt und in seinem ehrlichen, guten
stand bleib.
Und das ist nun die mainung und der recht ver-
stand dises neunten gepots, das man Gott den Herrn
uber alle ding sol förchten und lieben, das wir umb
seinen willen unserm nechsten nicht mit list nach
seinem erbe oder hause trachten und nicht mit schein
des rechtens an uns pringen, sonder ihm dasselbig
zu behalten fürderlich und dienstlich sein.
Darumb meine liebe kindlein, merkts mit fleiß
und wann man euch fraget:
Wie verstestu das neunt gepot ?
so solt ihr also antworten:
Wir sollen Gott den Herrn uber alle ding förch-
ten und lieben, das wir umb seinen willen unserm
nechsten nicht mit list nach seinem erbe oder hause
trachten und nicht mit schein des rechtens an uns
bringen, sonder ihm dasselbig zu behalten fürderlich
und dienstlich sein.
Und eben auf diese weis solt ihr, meine liebe kind-
lein, das zehent und letst gepot auch verstehn; dann
dieweil wir jetzo in dem vorigen gepot gelernet ha-
ben, das wir unsern nechsten von seinem haushalten
oder stand und beruf zu verdringen nicht begern sol-
len, so möchten wir gedenken, es wer uns allein ver-
poten, das wir seines ganzen haushaltens nicht be-
gern solten. Aber ein stuck darvon als ein guten
knecht oder ein ochsen möchten wir wol begern und
weg suchen, wie wirs zuwegen prechten. Auf das wir
nun nicht also gedenken, so verpeut uns Got der
Herr dasselbig auch und spricht: Du solt dich nicht
lassen gelusten deines nechsten weibs noch seines
knechts noch seiner magd noch seines ochsen noch
seines esels noch alles, was dein nechster hat! Wir
möchten sonst gedenken: Ei, wann ich schon das
oder das meinem nechsten entwenden und abtringen
möcht, es schadet ihm nichts, er het dannoch genug
oder der gleichen. Das wil aber Got der Herr nicht

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