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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0254
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Brandenburg und Nürnberg gemeinsam

haben, sonder verpeut uns allen schlechts2, wir sol-
len uns nichts uberall lassen gelusten, was unser
nechster hat. Dann er hats alles erschaffen und ist
der recht Herr darüber; darumb gibt ers, wem er
wil. So ers nun deinem nechsten geben hat, so laß
ihms und denk du also: Wann Gott gewölt het, das
ichs solt haben oder wann es mir nutz were, er het
mirs auch wol geben.
Dann es ist doch auch kein nutz dabei, wann wir
uns also lassen frembdes guts gelusten und trachten
ihm nach, wie wirs möchten uberkommen; dann wir
richten aintweder nichts aus, sonder haben nur müh
und arbait, sorg und angst umbsonst und merkens
dannoch die leut und reden uns ubel, das wir dar-
durch veracht werden und trauen und glauben ver-
lieren. Oder aber, wann wirs schon uberkommen,
so ist es gewißlich unser schad und were uns tau-
sentmal nutzer, wir hettens nie gesehen. Dann was
halfs den David, das er Urias weib uberkam (2. Reg.
[= 2,Sam.] 11)? Got strafet ihn dargegen, daser
all seine weiber verlor; dann sein aigner son Ab-
salon beschlief sie alle offenlich an der sonnen und
vervolget darzu den David, seinen leiblichen vater,
undbegeretihnzutöten(2. Reg. [= 2. Sam.] 16).Was
halfs den Achab, das er des Naboths weingarten
uberkam ? Gott strafet ihn dargegen, das er darumb
im nechsten krieg erschossen wurd (3. Reg. 21.
[= 1. Kg. 21-22. 40]). Was halfs den Judas, das er
die dreißig silbern groschen uberkam da er Chri-
stum verriete ? Got strafet ihn dargegen, das er sich
darnach selbs erhieng (Mat. 26 [15; 27, 3-10]). Also
geht es gewißlich noch heutigs tags. Wann man
lang nach frembden gut trachtet, so uberkompt mans
aintweder nicht oder uberkompt alles unglück dar-
zu.
Darumb, meine liebe kindlein, nempts zu her-
zen und last euch kains frembden guts gelusten,
kains frembden weibs, kains knechts noch magd,
kaines ochsen oder esels noch alles, was unser nech-
ster hat; dann es ist sund und Gott lests nicht un-
2 = schlechterdings, geradezu (Schmeller 2,503).
3 = abwendig machen. - Die Stadt Nürnberg ließ,
wenigstens seit 1548, jährlich ein Mandat verkünden
,,Ehalten nit abdingen“. Darin wurden Dienstboten,
die vor ihrem gedingten Ziel ohne rechten Grund aus
dem Dienst gingen, mit einer Geldstrafe von 20 Pfund
alt und einer Landesverweisung von einem Jahr be-

gestraft! Das secht ihr auch wol. Dann dise sund
ist jetzo ganz gemain bei uns, das je eins des andern
knecht und magd begert, und wann jemand ein
guten knecht oder ein gut magd hat, so richten die
leut alles an, was sie nur erdenken können, bis mans
im absetzt3. Aber es straft und bezalet sich selber
fein; dann eben wie sie andern leuten ihr magd und
knecht verfüren, so tut mans ihn auch hinwider, bis-
zu letst magd und knecht so bös sein worden, das
sie niemand genug belohnen, niemand mit ihn aus-
kommen noch sie zur not im dienst behalten kan,
sonder klagt und schreiet jederman darüber. Das ist
nun ein rechte gottisstraf, der uns weder glück noch
heil zu frembden mägden und knechten gibt, die wir
unserm nechsten wider seinen willen entziehen.
Desgleichen geschicht auch mit andern gütern;
dann dringstu deinen nechsten aus seinem haus oder
zins4, so wirstu krank drin oder verdirbst sonst.
Dringstu ihn von seinem garten oder acker, so er-
schlecht dir der hagel die frücht. Dringstu ihn von
seinem vihe, so stirbt es dir, und ist allenthalben
kein glück darbei, wo man sich frembdes guts ge-
lusten lest und strebt darnach.
Darumb, meine liebe kindlein merkts eben und
richtet euch darnach! Last jederman, was sein ist,
und gonnets ihm von herzen, dieweil ihms Gott hat
geben! Ist es Gottis wil, er wird euch auch wol on
ander leut schaden versorgen. Entziehet niemand
sein ehehalten oder sein gut weder mit list noch mit
rechten, es sei dann des nechsten nutz oder guter
will! Und wann ihr dienet, so last euch auch nicht
verfürn und abwendig machen, das ihr nachlessig
werd oder zur unrechten zeit aus dem dienst lauft,
sonder dienet treulich, wie ihr schuldig seit, und
kert euch nichts an die bösen leut, die euch verfüren
und abwendig machen wöllen. Dann solche leut sein
gewißlich des Teufels poten, durch die er euch gern
zu sunden und in alles unglück pringen wolt. Daran
solt ihr nicht zweifeln. Gott ist der recht Herr und
hausvater, der uns alle erschaffen hat und erneret,
droht. Wer sie in Dienst nahm oder sie gar abwendig
gemacht hatte, mußte gleichfalls 20 Pfund zahlen
(Mandata oder Gesetze... 1548 f. F.). — 20 Pfund
(alt) waren etwa 2 ½ fl . Das entspricht heute dem
Geldwert von rund 350 DM (vgl. S. 31 Anm. 20!).
4 = Mietwohnung.

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