Metadaten

Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0260
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Brandenburg und Nürnberg gemeinsam

wir der hilf und woltat Christi so nötig bedorft
haben. Dann wann er uns nicht erlöst het, so hetten
wir alle müssen verdambt sein und nach dem tod
in die helle faren und ewiglich darin bleiben. Und
ist das die ursach. Da Got der Herr Adam und Eva
het erschaffen und in das paradis gesetzt, da tet er
gegen ihn als ein gnediger Got und freundlicher
vater, machet ihn alle lebendige tier, visch und vögel
untertenig und gab ihn alle fruchtbare paum zu
essen. Er warnet sie auch treulich vor ihrem scha-
den und verderben, nemlich: das sie nicht essen sol-
ten von dem paum des wissens guts und böses; dann
sie wurden sonst des tods sterben. Darumb solten
sie ihm als eim gnedigen Gott und getreuen vater
von herzen glaubt und vertrauet und in lieb gehabt
haben. Sie solten ihm auch gehorsam gewest sein
und gern gevolget und sein gepot gehalten haben,
das sie nicht von dem verpotnen paum gessen hetten.
Da aber der böse feind, der Satan, kam und redet
durch die schlangen mit der Eva und sprach, es wer
nicht war, das sie sterben wurden, wann sie von dem
verpoten paum essen, sonder sie wurden weis und
klug werden wie götter und guts und böses wissen,
und bildet ir mit solchen falschen worten ein, als
gonnet in unser lieber Herr Gott dasselbig nicht. Da
glaubet sie der schlangen, ubertrat Gottis gepot und
aß von dem verpoten paum und gab dem Adam auch
darvon zu essen.
Nun merket mit fleis, meine liebe kindlein, was
für großer unaussprechlicher schad aus dem allen
ervolget ist! Dann da Adam und Eva durch die
schlangen verfürt und betrogen warn, da glaubeten
und vertraueten sie Got dem Herrn nimmer, sonder
gedachten, er wer in haimlich feind und gonnet ihn
nicht, das sie guts und böses solten wissen. Es war
ihm aber in der warheit nicht also. Sonder die schlang
het sie durch ihre falsche, listige wort also betrogen.
Darumb fiengen sie an und setzen all ihr vertrauen
auf sich selbs und gedachten, sie selbs musten sich
versehen und ihr bestes bedenken; unser Herr Gott
wurd ihn nicht mer helfen. Das war aber auch nicht
recht. Darnach, da sie Got nicht vertraueten, da
konten sie ihn auch nimmer lieb haben, sonder fingen
an und hetten sich selbs lieb; dann sie gedachten,
sie hetten kain bessern freund im himel und auf
erden mer dann sich selbs. Das war aber auch falsch

und weit von der warheit. Alsbald sie nun auf sich
selbs vertraueten und sich selbs lieb hetten, da er-
volget und entstund alsbald in ihn die forcht und
die begird; dann sie forchten sich vor allem dem, das
dem leib und dem leben weh tut, und begerten und
heßen sich gelusten alles des, das dem leib und leben
wol tut.
Da sehet ihr nun, meine liebe kindlein, großer
mangel und geprechen vier, darein Adam und Eva
durch der schlangen lüg, der sie glaubt haben, kom-
men sein gleich als in ein große tödliche krankheit,
nemlich: sie trauen Gott nicht, sie lieben Gott nicht,
sie stecken voller forcht und stecken voller bösen
begird. Und das ist nun die sund, daraus alle böse
werk entspringen. Das merkt mit fleis.
Also sein Adam und Eva in die sund gefallen und
sunder worden, und eben wie sie sein, also sein auch
ihre kinder, die von ihn geporn werden. Nun sein
wir aber alle mit einander von Adam und Eva ge-
porn. Darum sein wir auch alle sunder; und geht
eben zu, als wann vater und muter das podagra
haben, so gewinnens die kinder auch. Wann vater
und muter aussetzig sein, so werden die kinder auch
aussetzig, weil sie noch in muterleib sein. Also auch,
dieweil Adam und Eva Gott nicht traueten, da ver-
traueten ihm ihre kinder auch nicht und, da sie Gott
den Herrn nicht lieb hetten, da hetten in ire kinder
auch nicht lieb und, da sie sich forchten, da forch-
ten sich ihre kinder auch und, da sie gelusten, da
gelustet ihre kinder auch. Und sein also alle men-
schen auf erden sunder, auch weil sie noch in muter-
leib sein; dann sie trauen Gott nicht, lieben Got
nicht, förchten sich und lassen sich gelusten, wie ihr,
meine liebe kindlein, vor fein gehört und gelernet
habt im neunten und zehenden gepot. Darumb sein
wir alle von natur kinder des zorns, wie Paulus
spricht (Ephe. 2 [3]): Das ist, Gott zürnt mit uns
von diser sund wegen; dann wir sein alle aus sund-
lichem samen gezeuget und unsere müter haben uns
in sunden empfangen, wie David klagt (Psal. 51 [7]):
Und darumb müsten wir alle verdampt sein, wann
uns Christus nicht het erlöset.
So last uns nun, meine liebe kindlein, mit allem
fleis auf dises ander haubtstuck des glaubens mer-
ken, auf das wir ja wol lernen und begreifen, was
Christus sei und wie er uns hab erlöset.

242
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften