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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0267
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III 4 b Kinderpredigten 1533

mir dasselbig fein gemach und haimlich nach, das
ihrs merken und dahaim auch fein nach sagen könt!
Unser lieber Herr Christus sprach zu seinen jun-
gern: Wann ihr peten wolt, so solt ihr also sprechen:
Vater unser, der du bist im himel. Geheiligt
werd dein name! Zukom dein reich! Dein wil ge-
schech als im himel auch auf erden! Unser teg-
lich prot gib uns heut! Und vergib uns unser
schulden, als wir vergeben unsern schuldigern!
Und fure uns nicht in versuchung, sonder erlös
uns vom ubel! Amen.
Das ist nun, meine liebe kindlein, das allerpest ge-
pet, darin uns Christus unser lieber Herr hat lernen
bitten umb alles das, das uns in den zehen gepoten
bevolhen und im glauben zugesagt ist worden.
Ihr solt aber allen fleis ankeren, das ihr dises hei-
liges gepet nicht allein sprechen kont, sonder auch
das ihrs fein versteht, wie es unser lieber Herr Chri-
stus gemaint hat. Und wann man euch darumb
fraget, das ihr kont antworten geben und zu seiner
zeit euere kindlein auch also leren, wie man jetzo
euch leret. Dann es ist ein große schand vor Gott
und der welt, wann sich ein mensch für ein christen
dargibt und waist, was er glauben und tun sol, waist
aber doch nicht, wie er Gott bitten sol, das er ihm
gebe, was er im hat zugesagt, oder wann ers gleich
wol waist und wils dannoch aus lauter faulkeit und
verachtung nicht tun, so doch ein jeder christ schul-
dig ist, Gott in allen nöten und anligen anzurufen
und ihm zu danken und sein namen zu preisen.
Was bis hieher geschrieben, sol zu einer jeden pre-
dig, vorher gelesen werden, so lang man vom Vater-
unser predigt.
Die erst predig.
Auslegung der ersten bitte.
Wolan, meine liebe kindlein, auf das ihr ja dises
heiliges gepet recht und wol verstehn lernet, so solt
ir zum allerersten merken, daß wir arme sunder nit
anheben oder den ersten grund legen zu unser selig-
keit, sonder unser lieber Herr Got, der hebet an uns
durch die predig zu fordern1 und gerecht zu machen.
Dann er schickt uns fromme und rechtgeschaffene

1 = fördern.

prediger, die uns das heilig evangelion on unser zu-
tun predigen, und lest uns anzeigen, was wir uns
guts zu ihm versehen sollen, und tut uns darzu un-
sere herzen auf und gibt uns, das wir dem evangelio
glauben können, wie Christus spricht [Joh. 15, 16]:
Ihr habt mich nicht auserwelt, sonder ich hab euch
auserwelt. Wann er uns nun also zum glauben be-
ruft und uns den glauben geben hat, das wir an ihn
glauben, ihn für unsern Got halten und keinen an-
dern Got neben ihm haben, wie das erst gepot latet.
Als dann so sollen wir auch darzu tun und Gott
ernstlich bitten, das er wöll fürfarn2 und uns weiter
helfen und geben, das wir mögen tun alles, das er
uns hat gepoten, und glauben alles, das er uns hat
zugesagt; dann wer nicht glaubet, desselben gepet
gilt nichts. Darumb muß Gott anfahen und uns zum
glauben berufen und den glauben in unser herz ge-
ben; sonst wurden wir nimmer mehr nichts bitten.
Und darumb bitten wir nicht also: Lieber Herr Gott,
gib mir, das ich glaub, das du unser Vater seiest,
sonder also; Vater unser, der du bist im himel etc.
Das ist so vil gesagt: Lieber Gott, du hast mir vor-
hin on mein zutun prediger geschickt und mir lassen
sagen, du seiest mein Vater durch Christum unsern
Herrn, und hast mir mein herz aufgeton, das ichs
auch glaub, du seiest mein Vater. Darumb bitt ich
dich, lieber Vater, der du bist im himel, gib gnad,
das dein name geheiligt werd.
Und wer das noch nicht glaubete, der solt es doch
aus disem gepet lernen; dann Christus, unser lieber
Herr, waist ja den den willen seines himelischen Va-
ters wol, nemlich: das er unser lieber vater sein wil.
Er het es sonst. nicht gelert, das wir ihn Vater nen-
nen solten. Darumb solt ihr, meine liebe kindlein,
ein große zuversicht zu unserm lieben Herr Got im
himel haben; dann er ist unser aller Vater.
Nun sehet ihr wol, wie lieb ein jeder Vater hie
niden auf erden seine kindlein hat; dann die väter
ziehen ihre kindlein mit allem fleis, erneren sie und
klaiden sie, arbaiten umb ihren willen, leren sie, be-
stellen ihn zuchtmaister und lermaister, ersparn ihn
auch güter und sorgen für sie. Und wann die kind-
lein unrecht tun, das man sie strafen muß, so haben
sie die kindlein dannoch lieb und ist in laid für sie,
2 = fortfahren (Schmeller 1,745).

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