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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0268
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Brandenburg und Nürnberg gemeinsam

das sie unrecht geton haben. Und wann sich die
kindlein nur pessern und es nimmer tun, so freuen
sich die väter und ist ihn schon alles vergeben und
vergessen. Also auch und noch vil mer tut unser
lieber Herr Got im himel. Der wil unser aller Vater
sein, wil uns erneren und bewaren, wil uns leren und
unterweisen, das wir selig werden. Und wann wir
schon gesundigt und unrecht geton haben, so wil er
uns dasselbig umb Christus willen gern verzeihen
und, wann er uns schon strafet, so strafet er uns
doch nicht ewiglich, sonder nur zeitlich auf züchti-
gung allein darumb, das wirs nur nimmer tun sollen.
Darumb meine liebe kindlein, solt ihr euch von
herzen freuen und Gott den Herrn widerumb lieb
haben, dieweil er unser aller Vater ist und uns so vil
guts tut, und solt das Vaterunser gern peten. Dann
wann ihr petet, so redet ihr mit euerm Vater im
himel, und er erhörets und tut euch alles guts und
gibt euch, was ihr bittet. Darumb solt. ir oft und
fleißig beten, sonderlich, wann ir aufsteht, wann ihr
in die kirchen geht, wann ihr essen wolt und wann
ihr euch niderlegt, auf das ihr ja gewonet, das ihr
gern und oft betet. Dann durch das gepet erlangen
und holen wir alles, was uns Christus erworben und
Gott der Vater zugesagt hat.
Auch solt ihr mit fleis merken, meine liebe kind-
lein, das wir sprechen: Vater unser, der du bist im
himel, zu einem unterschid, das wir nit unser väter
mainen hie auf erden; dann auf erden haben wir
auch väter. Die sein menschen wie wir und können
uns nicht selig machen. Aber im himel haben wir
ein andern rechten, geistlichen und ewigen Vater,
der kan uns in allerlei not helfen und darzu selig
machen. Und gleich wie die kindlein ihr flaisch und
blut von ihrem leiblichen vater haben und sehen ihm
gemainklich gleich, also sollen wir auch den gaist von
unserm himelischen Vater haben und ihm nach dem
gaist gleich sein, das ist: wir sollen glauben, was er
redet, und tun, was er gepeut, und lassen, was er
verpeut, und sollen aller ding gesinnet sein nach seinem
heiligen, götlichen wort. Alsdann so ist er recht. unser
Vater und wir seine liebe kindlein und wie er im
himel ist, so werden wir auch in himel kommen und
ewiglich bei ihm bleiben. Das alles leret er uns unser
lieber Herr Jesus Christus indem, das er uns also
leret beten: Vater unser, der du bist im himel.

Nun volgen hernach in disem heiligen gepet siben
unterschidliche bitt, darin alles begriffen und ge-
peten wird, was uns Gott in den zehen gepoten hat
bevolhen und im glauben zugesagt. Die solt ihr,
meine liebe kindlein, mit allem fleis lernen und mer-
ken, auf das ir wißt, was ihr bittet. Die ersten drei
bitt treffen die zehen gepot an und die andern vier
bitt treffen den glauben an, wie ihr dann hernach
fein hören wert.
Die erst bitt trifft an das ander gepot, nemlich:
Du solt den namen des Herrn deines Gottis nicht
vergeblich fürn, und lautet also:
Geheiligt werd dein name!
Und das ist, meine liebe kindlein, das ich vor ge-
sagt habe, das wir umb das erst gepot nicht bitten;
dann unser lieber Herr Gott kompt uns zuvor mit
der predig und mit seinem Gaist, beruft uns zum
glauben und gibt uns, das wir ihn für unsern Got
und Vater erkennen, ehe dann wir ihm nachtrachten
oder nachsuchen.
Dieweil er uns dann zum glauben berufen und
durch die tauf in die heiligen christenheit bracht hat,
so sollen wir nicht still stehn, sonder weiter trach-
ten und also beten: Lieber Vater im himel, dieweil
du uns dein heilig evangelion hast geschickt und
lassen predigen, dardurch wir sein glaubig worden
und dich für unsern Gott erkent und dir als einem
vater vertrauet haben und also etlichermaß, das
erst gepot halten können, so las nicht ab, hör nicht
auf, sonder hilf uns weiter, das wir auch das ander
gepot mögen halten, nemlich: das dein name gehei-
ligt werd! Solchs gepet gefelt dann Gott wol und
wird erhört, und gibt uns Gott kraft und macht,
das wir sein namen mögen heiligen.
Das haist aber den namen Gottis heiligen, wann
man ihn für heilig helt und also darmit umbgeht, wie
man mit einem heiligen ding umb sol gehn, das ist:
wann man sich aus rechter gottisforcht. und lieb ent-
helt, das man ihn nicht- unnützlich nennet oder füret,
sonder bekennet, lobet und preiset ihn, ruft ihn an
in aller not und danket ihm. Dann Gottis name ist
an ihm selbs heilig und bleibt heilig. Aber wir ver-
unheiligen seinen heiligen götlichen namen mit
unserm mißbrauch, wann wir ihn zu unheiligen din-

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