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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0276
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Brandenburg und Nürnberg gemeinsam

Darumb solt ihr, meine liebe kindlein, euch mit
fleis gewenen, das ihr oft und gern betet; dann es
gefelt Gott wol und ist berait, uns alles zu geben,
was wir dürfen, wann wir ihm nur die ehr tun, das
wir ihn darumb pitten. Sonderlich aber sol sich ein
jedes mensch gewenen zu beten, wann es sich nider-
legt und wann es wider aufsteht, wann es in der
kirchen ist und wann es zum tische geht; dann dise
zeit sein sonderlich darzu verordent, wie die schrift
hin und her mit exempeln fein anzaigt.
Vor allen dingen aber solt ihr, meine liebe kind-
lein, bedenken, das wir unser teglich prot nicht von
uns selbs haben noch durch unser geschicklichait
oder list mögen uberkommen, sonder Got der Herr
der gibts. Darumb sollen wir niemand betriegen
noch beschweren; dann solches alles hilft nichts zu
der narung, sonder schadet nur. Und wann es Gott
schon ein weil glücklich zugehn lest, so hat es doch
kain bestand, sonder Got verhengt es allein dar-
umb, das er solche leut uber ein weil dester in grö-
ßere schand, armut, und verderben kommen laß.
Ihr dörft auch nicht. gedenken, meine liebe kind-
lein, das uns Gott der Herr allein ein stück prots
und sonst nichts darzu wöll geben; dann er nennet
hie das teglich prot alle notdurft, die zu disem zeit-
lichen leben gehört, als essen und trinken, klaider
und schuch, haus und hofe, vich und äcker, gelt. und
gut, from gemahel, kinder und hausgesind, wie der
heilig Paulus spricht [1. Tim. 6, 17]: Er gibt uns
allerlei reichlich zu genießen. Er nennets aber dar-
umb das teglich prot, auf das er uns darmit lere und
züchtige, das wir uns an einem zimlichen, wie der
teglich prauch ist, sollen begnügen lassen und nicht
zu großem uberflus und pracht erzaigen, auf das wir
nicht unser flaisch zu gail und zu mutwillig machen
und unnützlich on werden1 das, darmit wir den
armen solten helfen. Dann der heilig Paulus gebeut.
[2. Thess. 3, 12; Eph. 4, 28], das die Christen sollen
arbaiten, auf das sie ihr aigen prot essen und den
armen mittailen. Das kan man nun leichtlich tun,
wann man sich an einem zimlichen last. benügen.
Wer aber zu kostlich wil leben der kan den armen
nicht. vil guts tun sonder wirt vilmehr verursacht,
den armen das ihr mit betrug abzudringen wie man

1 = los werden (Schmeller 1,84).

dann sicht, das die großen geizer und vollen schlem-
mer, wie reich sie sein, den armen wenig guts tun.
Wir bitten auch in dieser bitte nicht allein umb
die narung, sonder auch umb alles das, das darzu
von nöten ist, das wir unser narung mögen genie-
ßen, das ist; gut wetter, gesundhait des leibs, frid
und ruhe im regiment, from hausgesind und getreue
nachpaurn. Dann wann wir lang das felt bauen und
allerlei pflanzen und seen, wann Gott nicht gut wet-
ter darzu gibt, so kompts nicht zu früchten. Und
wer krank ist, der kan seiner narung und seins teg-
lichen brots auch nicht genießen; dann es legt im
nichts zu, wann er schon alles genug hat, was sein
herz begert.
Desgleichen wann krieg ist, so kan man nichts vor
den feinden behalten, wann man gleich vil hat. Ja
man kans auch vor den freunden nit behalten, son-
der man raubt, stilt, nimpt, schatzt, verderbt, ver-
wüst und verprennets alles dahin, und wann schon
etwas uber bleibt, so kan mans für sorgen, schrecken
und allerlei unrue, auch nicht. mit liebe genießen.
Und wann schon frid im land ist, so hilft es doch
nichts, wann jemand ein untreu gemahel oder
böse, ungeratne kinder oder untreu hausgesind und
nachpaurn hat; dann dise alle schmelern und ent-
ziehen uns das teglich brot, das man zu letst ver-
derben muß. Solchs alles treibt und verursacht der
Satan; dann er ist ein solcher böser, giftiger feind,
das er uns nicht allein durch unglauben, sund und
irtumb gern umb der seel seligkeit wolt bringen,
sonder er wolt uns auch gern durch ungewitter,
bösen, vergiften luft, mancherlei krankheit, hunger,
krieg, aufrur und allerlei untreu des hausgesinds und
der nachpaurn umb leib und leben, ehr und gut
bringen. Und es geschehe auch gewißlich, wann ihm
Gott nicht weret. Darumb sollen wir in diser bitt
fleißig bitten, das ihm Gott wöll weren und uns unser
teglich brot geben, das ist; alles was zur narung ge-
hört, und wölle uns vor allerlei bösen krankheiten
behüten, das wirs mit gesundem leib mögen prau-
chen, darzu auch durch feine, fromme, fürsichtige
obrigkeit beschutzen und beschirmen, das uns nicht
mit gewalt genomen oder sonst durch ungetreu ge-
sind entzogen und verderbet werd.

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