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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0280
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Brandenburg und Nürnberg gemeinsam

sonder steckt noch in unserm flaisch und ficht uns
an und wolt uns gern bewegen und uberwinden, das
wir ungerecht und wider Gottis gepot solten tun.
Dann ihr habt ja aus den zehen gepoten gelernet,
was sund und unrecht ist und das ihr dasselb nicht
solt tun. So habt ihr auch aus dem glauben geler-
net, das uns Gott die sund vergibt und nit mer dar-
umb verdampt, wann wir an Christum glauben. Aber
wir empfinden dannoch der sunde, das sie uns noch
anfichtet. Das werd ihr an euch selbs fein merken;
dann wann euch euere eltern etwas haißen, das ihr
nicht gern tut, so fichtet euch die sund an und wert
versucht, das ihr solt vater und muter ungehorsam
sein. Ihr aber solt derselben versuchung nicht fol-
gen, sonder solt vater und muter gehorsam sein,
wie Gott gepoten hat. Desgleichen auch, wann ihr
sehet das ein anders etwas feins hat, das ihr auch
gern haben wolt, so fichtet euch die sund an und
versucht euch, das ihrs im nemen oder es darumb
betriegen oder im stelen solt. Ihr aber solt derselben
versuchung auch nit volgen, sonder solt das gepot
Gottis halten, das da spricht: Du solt nicht stelen!
Also werden wir auch in den andern gepoten ange-
fochten und versucht, ob wirs halten wöllen oder
nicht. Wir sollen uns aber ernstlich weren, das wir
nicht wider Gottis gepot tun.
Wann wir nun in der anfechtung und versuchung
widerstand tun und nit volgen wöllen, sonder wöllen
die gepot Gottis halten, so ist von nöten, das wir
den Heiligen Gaist haben. Dann on den Heiligen
Gaist kan niemand from und heilig sein, und dar-
umb haist er auch der Heilig Gaist, das er die leut
from, rain und heilig macht. Nun gibt aber Got den
Heiligen Gaist allen denen, die von herzen an den
Herrn Christum glauben. Und darbei leret uns auch
der heilig Paulus erkennen, das wir den Heiligen
Gaist haben, wann wir bekennen, das Jesus Christus
warlich unser Herr sei. Dann er spricht (1. Co. 12
[3]): Niemand kan sprechen Herr Jesu on allein
durch den Heiligen Gaist. Darum, meine liebe kind-
lein, glaubt von herzen, daß Jesus Christus, warer
Gottis Son, sei für euch gestorben und wider auf-
erstanden, hab euch vergebung der sund und das
ewig leben erworben und sei euer aller Herr, also

1 = abgehen, fehlen (Schmeller 2,115).

das ihr gewißlich bei ihm im ewigen leben wert. sein
und ihm in der ewigen seligkeit dienen. So gibt er
euch den Heiligen Gaist. Derselbig macht dann euch
heilig und hilft euch, das ihr nicht in versuchung
gefürt wert, sonder from sein kont, wie ihr in den
zehen gepoten habt gelernet.
Dann es geht nicht anderst in disem leben zu,
dann das wir vil anfechtung und versuchung haben.
Ein weil fichtet uns unser aigen flaisch an, ein weil
die böse welt, ein weil der Teufel selbs, und seind
alle anfechtung dahin gerichtet, das wir sollen wider
Gottis gepot tun. Nun müssen wir aber uns solcher
anfechtung in unserm herzen erweren, das wir nicht
unrecht tun, und können uns doch nicht erweren,
es helf uns dann Gott durch sein Heiligen Gaist. Dar-
umb, wann wir angefochten werden, das wir unrecht
tun sollen, so ist nichts pessers, dann das wir Gott
fleißig umb hilf pitten und sprechen: Für uns nicht
in versuchung! Dann wann wir das tun, so erhöret
Gott unser gepet, schickt uns sein Heiligen Gaist
und hilft uns, das wir from bleiben.
Auf das ihr aber, meine liebe kindlein, solcher an-
fechtung und versuchung dester bas lernet wider-
stand tun, so merkt mit fleis, das die anfechtung
und versuchung dreierlei sind. Die ersten anfech-
tung sein von unserm flaisch als, wann wir un-
gefochten werden etwas zu tun, das unser flaisch
wol tut und doch unrecht ist als ehebrechen, hurerei
treiben, vol trinken und dergleichen. Oder wann wir
angefochten werden, etwas unterwegen zu lassen,
das den flaisch wider ist und doch recht ist, als wann
wir nicht gern leiden, fasten oder nicht gern almusen
geben, darumb das wir sorg haben, es werd uns zu
unserer hoffart und pracht zurrinnen1.
Die andern anfechtung sein von der welt, als wenn
uns böse geselschaft verfüren wil, das wir unrecht
tun sollen, oder wann uns die menschen mit troen,
zürnen und vervolgen weren wöllen, das wir nicht
sollen recht tun, oder wann sie uns zu zorn, neid
und haß raizen mit ihren bösen tücken und werken.
Die dritten anfechtung sein von den Teufel. Als
wann uns einfelt, das wir unrecht tun sollen und
treibet uns doch weder unser flaisch noch die welt
darzu, sonder es kommen die bösen gedanken so

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