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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0282
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Brandenburg und Nürnberg gemeinsam

feln oder andere große schand und laster und, ob
wir darmit angefochten werden, das wir doch end-
lich gewinnen und den sig hehalten.
Die sibend predig.
Auslegung der sibenden und letsten bitte.
Nun habt ihr am nechsten gehört, wie wir in der
sechsten bit von Got dem Herrn begern, das er uns
durch seinen Heiligen Gaist wöll laiten und sterken,
das wir mögen streiten wider die sund und aller an-
fechtung und versuchung unsers argen flaischs, der
welt und des Teufels widerstand tun, auf das wir
heilig und from werden.
Darumb volget itzo hernach die sibend und letzte
bitte, darin wir beschließen und bitten, das er uns
von solchem streit und von allem andrem ubel wöll
erlösen, auf daß es nicht immerdar were, sonder ein-
mal ein end neme, und lautet also:
Sonder erlos uns von ubel! Amen.
Auf das ir aber dise bitt auch recht versteht,
meine liebe kindlein, so solt ir wissen, das das wört-
lein ubel nicht allein haist die sund wider Gottis ge-
bot und den unglauben wider Gottis zusagung, son-
der es haist auch alles das unglück, das uns an leib
und seel, an ehr und gut von der sund wegen be-
gegnet, als da ist: unwissenheit, traurigkeit, forcht,
schrecken, kleinmütigkeit, schwacheit, krankheit,
tod, armut, schand, schmach, widerwertigkait, ver-
folgung, krieg, teurung, pestilenz und allen den
schaden, den uns der bös feind teglich tut durch sich
selbs oder durch die bösen welt, die sein reich ist.
Nun kan aber niemand solche ubel alle genugsam
erzelen; dann ir sein uber die maßen vil und wer-
den ir darzu immer je lenger je mer. Dann der Satan
tobet und wütet in disen letzten zeiten mit seinem
großen zorn je lenger je greulicher wider Gottis volk,
dieweil er waiß, das er wenig zeit hat. auf Gottis ge-
richt und sein ewige verdamnus (Apo. 12 [13-17]).
So wirt die welt auch je lenger je böser. Darumb
nimpt allerlei schand und laster, allerlei boshait. und
untreu uberhand und wirt des ubels so vil, das es
niemand erzelen kan. Ja, es kans auch niemand ge-
nugsam verstehn, was uns nutz oder schad sei oder
wann uns guts oder ubels begegnet.

Dann mancher maint, krankhait sei sein großer
schad. Wann er aber gesund were, so möcht er sun-
digen, das er darumb verdambt wurde oder möcht
sonst ein unglück anrichten, das er darumb erwürgt
wurde. So er aber krank ist, so bleibt er bei leben
und wirt darzu selig. Mancher maint, reichtumb sei
sein nutz, und verlest sich drauf, lernt nichts und
tut auch nichts dann, das er müßig geht und unglück
stift, darob er etwo erwurgt wirt, oder tut nichts
dan, das er isset und trinkt, darob er in große
krankheit felt und stirbt. Wer er aber arm gewest,
het etwas gelernet und gearbeit, so wer er bei ge-
sundem leben bliben. Mancher maint, ihm begegnen
groß ubel und widerwertigkeit und zürnt seer, wann
er an seinem fürnemen verhindert wirt, und wais
nicht, das es sein gröstes und höchstes verderben
gewest were, wann es im für sich und nach seinem
willen gangen were. Darumb wissen wir warlich gar
wenig, was uns gut oder bös und ubel ist, on, was
wir aus Gottis wort erlernen.
Dieweil wir aber nit wissen, was uns nutz und gut
oder aber schad und pös ist, so können wir auch
Got den Herrn nicht mit ausgedruckten worten bit-
ten, das er uns vor disem oder jenem behüte, sonder
müssen allein mit wenig worten, aber dabei mit un-
aussprechlichen gedanken und seufzen bitten, das
uns Got wöll helfen - nicht wie wir gedenken (dann
wir verstehn nicht, was uns nutz oder schad ist),
sonder wie ers für gut erkent. Darumb pricht auch
der heilig Paulus (Rom. 8 [26]): Wir wissen nicht,
was wir bitten sollen, wie sichs gebürt, sonder der
Gaist vertritt uns selbs mechtiglich vor Got. mit un-
aussprechlichen seufzen.
Wir sollen uns aber das auch nicht hindern las-
sen, das wir dester weniger wolten beten; dann Gott
der Herr begert oder bedarf sein gar nicht, das wir
ims alles so eben solten fürsagen, was wir dörfen be-
gern, sonder er weis vorhin wol, was uns anliget.
Darumb hat uns Christus, unser lieber Herr, im
evangelio auch also gelert: Wann ihr beten wolt, so
solt ihr nicht vil wort machen, wie die heuchler tun.
Dann dieselben mainen, sie werden umb ihr vil wort
willen erhört. Ihr aber solt ihn nicht gleich werden;
dan euer himelischer Vater weiß vor wol, was ir
bedörft, ehe dan ir ihn bittet (Matt. 6 [7f.]). Und
eben, wie er uns gelert und bevolhen hat, wir sollen

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