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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0292
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Brandenburg und Nürnberg gemeinsam

nicht, so halt ihn als ein haiden und zolner! War-
lich, was ir auf erden binden werdet, sol auch im
himel gepunden sein und, was ir auf erden lösen
werdet, das sol auch im himel los sein.
In haimlichen sunden aber zaigt er uns mit der
tat, wie man sie brauchen sol, als da er den gicht-
brüchigen, der da hilf begert, also saget (Mar. 2 [5)];
Luce. 5 [20]): Mein son, dein sund sein dir vergeben,
und da er zu den verstockten Juden sprach (Johan. 9
[41]): Wert ihr blind, so hettend ihr kain sund. Nun
ihr aber sprecht, wir sehen, so bleibt eur sund, das
ist: sie wird euch nicht vergeben.
Zum dritten, so gibt er auch die schlüssel nach
seiner auferstehung, wie er vorhin zugesagt hat;
dann er blies seine junger an und sprach: Nempt hin
den Heiligen Gaist! Welchen ir die sund vergebt, den
sein sie vergeben. Dieweil Christus die schlüssel zum
himel so tröstlich zugesagt und iren brauch so fleißig
gelert und sie zuletst so treulich und ordenlich geben,
befolhen und eingesetzt hat, so sollen wirs in kainen
weg verachten, sonder mit aller dankparkeit an-
nemen und ihr geprauchen.
Dann das solt ir wissen, meine liebe kindlein, das
es gar nichts taug, wann jemand nach der tauf wider
in große und schwere sund fellet, das ers wolt ver-
achten und also dahin gehn und sich lassen bedun-
ken, es wer ihm vergeben. Dann ein solcher loser
dunkel, ist vil zu schwach darzu, das er des Teufels
anfechtung in todsnöten solt widerstand tun. Sonder
man mus Gottis wort und werk haben, die da an-
zaigen und bezeugen, das uns die sund vergeben sei,
das ist: man sol vergebung der sund suchen und
holen bei den dienern der kirchen, welchen Christus
die schlüssel geben und zugesagt hat, wem sie die
sund auf erden vergeben, dem sollen sie auch im
himel vergeben sein.
Desgleichen taug es noch vil weniger, wann je-
mand in offentlichen sunden verharret, gedecht sich
nicht zu pessern und wolt dannoch ein christ sein
und mit den andern zu gemainen sacramenten, ge-
peten und gottisdiensten gehn, sonder man sol ihn
vermanen und, wann ers nicht höret, sol man in aus-
schließen und in ban tun so lang, bis er sich bes-
2 Osiander, der in dieser Predigt als alleiniger Verfas-
ser unverkennbar ist, unternimmt hier einen sehr
deutlichen Angriff auf den Rat der Stadt Nürnberg,

sert, auf das nicht das offentlich böse exempel erger-
nus bring und vil leut vergift und darnach die
christlich kirch dardurch veracht, verschmecht und
verlestert werde als seien es schendliche, böse leut,
die ein sundig, gottlos leben füren. Dardurch dann
auch Gottis wort, und Gott selbs bei den unglau-
bigen veracht und verlestert wurde.
Wiewol nun solche feine, hailsame, göttliche ord-
nung, die offentlichen, ergerlichen sund zu strafen,
ganz und gar zerrüt, verwüst und unterdruckt ist,
so sollen wir doch darumb den gewalt und prauch
der schlüssel nicht verachten und hinwerfen. Dann
die solche unordnung angericht haben, und noch
heutigs tags hindern, das es nicht gepessert wird,
die werden ihren richter wol finden. Das darf kains
zweifels. Wir aber wöllen Gott bitten, das er uns dise
und andre gute ordnung, die er selbs gemacht hat,
wöll wider geben. Wie er uns auch sein wort wider
geben hat, so wirt er uns gewißlich erhören und ge-
wern2.
Wann nun jemand nach der tauf schwerlich ge-
sundigt hat und es fichtet ihn in seinem gewissen an,
das er zweifelt, ob er in Gottis gnaden oder ungnaden
sei, wie dann gemainlich geschicht, so sol er nicht
auf seine bloße gedanken trauen, das er wolt geden-
ken: Ei, ich wil mich lassen gedunken, es sei mir ver-
geben; dann solchs gedunken ist kain rechter glaube
und kan auch in der anfechtung nicht bestehn; dann
der glaub mus allweg Gottis wort und werk haben,
darauf er gründe. Nun redet aber Gott nicht mit
uns von himel herab, sonder er hat die schlüssel zum
himel und den gewalt, die sund zu vergeben, den
dienern der kirchen gelassen und befohlen. Darumb
sol er zu derselben ainem gehn und sein sund und
anligen bekennen und klagen und in bitten, das er
nach dem befelh Christi im vergebung seiner sund
verkündigen wöll.
Wann das geschicht, so soll er frölich und tröst-
lich glauben, das ihm sein sund warlich auch im
himel vergeben sein. Und ein solcher glaub kan in
aller anfechtung bestehn; dann er hat Gottis wort
und werk allenthalben fur sich. Dann er weiß ja,
das ihm der diener sein sund hat vergeben, und
der ja diesen Bann in der Kirchenordnung zu Fall
gebracht hatte (vgl. S. 118.119.120!).

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