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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0312
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Die Kapitelsorganisation.

Zum Ausbau einer kirchlichen Verwaltungsorganisation kam es in echt evangelischer Weise auf
Grund der in den Gemeinden spürbar und laut werdenden Bedürfnisse. Die Superintendentureinteilung
des Jahres 1528 war an ihren Mängeln weithin zusammengebrochen. Neben ihnen hatten nun aber auch
die alten Kapitel irgendwie weiter bestanden - in Crailsheim, Langenzenn, Wassertrüdingen, Gunzen-
hausen und Feuchtwangen (eigentlich Dinkelsbühl). Diese Kapitel hatten gewisse Vermögen. Sie waren
zudem Bruderschaften zu gegenseitiger Hilfeleistung. Von da aus erfolgte nun ihre Neubelebung - nicht
ohne einige Schwierigkeiten52. Was dabei geschaffen wurde, zeigt die Kapitelsordnung, die sich Wasser-
trüdingen 1545 gab53. Es war eine höchst bedeutsame Vorarbeit für die späteren Synodalordnungen.
Schwierigkeiten, die sich im Brandenburgischen bei der Abstellung des Interims herausstellten,
öffneten dem 1552 nach Ansbach berufenen Pfarrer Georg Karg54 die Augen über die Notwendigkeit
von Zwischenstellen zwischen dem Kirchenregiment (= den Visitatoren, die schon in der Kirchenord-
nung von 1528 als Dauereinrichtung erscheinen) und den Gemeinden. Daher drängte er sofort auf den
Ausbau der kirchlichen Organisation. Nach wiederholten vergeblichen Versuchen erzwang er 1556 durch
sein Entlassungsgesuch, daß mit Ernst an die Arbeit gegangen wurde. Er benützte dazu gerade den
Augenblick, in dem der junge Markgraf Georg Friedrich55 eben mündig wurde und die Regierung selbst
übernahm.
Dieser ging auf Kargs Gedanken ein. Er leitete damit eine Entwicklung ein, in der er während
seiner langen Begierungszeit († 1603) seine Kirche in eine feste innere und äußere Form brachte.
Am 7. Oktober 1556 traten 15 geladene Geistliche in Ansbach zusammen56. Sie einigten sich zu-
nächst auf ein paar Ergänzungen zur Kirchenordnung von 153357. Vor allem aber arbeiteten sie dann
ein Gutachten aus, das der Regierung zur Grundlage der Synodalordnung vom 26. Oktober 1556 diente.
Diese58 gliederte das Gebiet in 10 Kapitel, wobei Ansbach exemt blieb. Für jedes Kapitel wurde ein
Superintendent bestellt. Er erhielt hier den Titel Dekan. Jährlich sollten Kapitelssynoden gehalten
werden. Die erste Kapitelssynode wurde für alle Kapitel einheitlich auf den 10. November 1556
angeordnet. Damit die Anordnung bei allen Pfarrern auch gleich die nötige Beachtung fände, wurde
gleichzeitig eine entsprechende Entschließung an die weltlichen Amtmänner hinausgegeben59.
Wenn in dieser Ordnung unter anderem auch verfügt wurde, daß kein Geistlicher, der nicht vom
Markgrafen ,,präsentiert“ (= zum Dienst eingewiesen) sei, angestellt werden durfte, so vollzog sich da-
mit stillschweigend auch eine bedeutsame kirchenrechtliche Veränderung in der Stellung vieler Geist-
lichen - nämlich derer, die nicht Inhaber einer Pfründe waren, der Kapläne. Diese konnten im katho-
lischen Kirchenrecht durch den Pfarrer frei angenommen, aber auch ebenso frei wieder entlassen wer-
den60. Jetzt wurden sie den Pfründeinhabern (Benefiziaten, Frühmessern usw.) gleichgestellt. Sie wur-
den damit gleichzeitig zu Pfründeinhabern. Für diese Geistlichen wurde im Ansbachischen die Bezeich-
nung Kaplan (Ober-, Mittel-, Unterkaplan) üblich, im Kulmbachischen der Titel Diakonus (Archi-,
52 Bossert, Die ersten Schritte 38f.
53 Unsere Nr. IV 5. — Den Vergleich mit den mittelalterlichen Bestimmungen ermöglicht: G. Braun, Die Kapitels-
ordnung des Kapitels Wassertrüdingen von 1370, ergänzt 1439, in: BbKG 23 (1917) 129-147.
54 Geb. Heroldingen 1512. — 1537 Freiberg in Sachsen, 1537 Wittenberg Schloßkirche Kaplan, 1539 Oettingen Pfar-
rer, 1547 bei der Gegenreformation vertrieben, Schwabach Pfa-rrer, 1552 Ansbach Pfarrer und Superintendent,
1556 Oberster Superintendent — † 1576 (Kolde, in: RE 10, 70ff. — Wilke. — Simon, APfB 1402 [Lit.]).
55 Holle.- Haenle.-Schottenloher 29129-29, 145. -Rössler Hellmuth, Fränkischer Geist-deutsches Schick-
sal (= Die Plassenburg 4). Kulmbach 1953. 187—196.
56 Schornbaum, Ansbacher Synode. — Die Quellen: NLA MKA gen. 512; Markgr. Dek. Uffenheim 3.
57 Unsere Nr. IV 6. 58 Unsere Nr. IV 7a. 59 Unsere Nr. IV 7b.
60 Hilfspriester (LThK 5, 40f. - Simon, Movendelpfründe 1f.).-Noch 1554 hatte der Pfarrer von Gunzenhausen
seinen das Auctuarium ablehnenden Kaplan von sich aus entlassen (Schornbaum, Interim 110).

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