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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0314
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,,Als hat die christliche hochlebliche visitation, nach welcher wir verhofft hetten, das volk ein
wenig eingezogener und vleißiger sol worden sein, so vil geholfen, das uns alsampt gedunken will,
der Teufel sei in den leuten erger nie gewesen als seithero, ausgenommen das dennoch. noch etliche
bescheidene personen gefunden werden, die sich lassen weisen mit bedrowung, es werde ein jerliche
visitation von kirche zu kirche gehalten werden. Darum dann E[uer] F[ürstliche] G [ naden] wir
gar untertänig bitten, daß dieselbige ins werk bracht und angericht werde - zweifelsohn, es werde vil
bewegen, daß sie in einnemung der lehre und mehrer gebrauch der heiligen sacramente, auch christ-
lichem leben bessern fleiß fürwenden“72.
Eine solche jährliche Visitation war nun natürlich nicht als Generalvisitation durchzuführen. Sie
konnte nur in Form von Spezialvisitationen durch die Dekane innerhalb ihrer Dekanate erfolgen. Diese
und andere Anregungen wurde auf einer neuen Dekanatskonferenz im Jahr 1565 behandelt. Näheres
ist darüber aber nicht bekannt. Nur das bedeutsame Ergebnis liegt vor in der großen, unter dem 2. Juni
1565 veröffentlichten Kapitelsordnung. Sie wurde freilich nur handschriftlich verbreitet. Sie trägt zu-
dem keinen einheitlichen Titel und war bisher nur in ihren einzelnen Teilen zerstückelt und an verschie-
denen Stellen gedruckt. Deshalb wurde sie bis jetzt nicht auch in ihrer Geschlossenheit und Bedeutung
erkannt. Sie verdient aber nach Form und Inhalt besondere Beachtung73.
Es läßt sich nicht verkennen, daß bei der Fertigung des Entwurfes für diese Kapitelsordnung die
württembergische Große Kirchenordnung von 155974 gründlich eingesehen wurde. Eine unmittelbare Be-
nützung ist aber nicht nachzuweisen. Sie wiederholt nicht nur die Synodalordnung in verbesserter Form,
sondern ergänzt sie auch durch eine Kapitelsordnung im engeren Sinn und durch eine Installations-
ordnung. Ihr bedeutsamster Bestcmdteil ist aber die Anordnung jährlicher Kirchenvisitationen durch
die Dekane, wofür sie auch eine eingehende Visitationsordnung aufstellt. So bietet sie ein umfassen-
des, geschlossenes Verfassungswerk der Kirche auf Dekanatsebene.
Als nach Abschluß der obergebirgischen Visitation der Generalbericht der Visitatoren in Ansbach
eingetroffen war, erhielten diese am 15. September 1566 den Auftrag, sich gutachtlich über eine allen-
fallsige Einführung der ansbachischen Kapitelsordnung im Oberland zu äußern75. Das Gutachten fiel
bejahend aus. Nur hatte man gewisse, nicht näher bekannte Bedenken wegen der Einführung des Karg-
schen Katechismus76.
Vielleicht war das der Grund, daß Ansbach dann noch zögerte.Erst nach Wiederholung der Bitte erfolgte
am 22. Mai 1572 die Übertragung der ansbachischen Ordnung auf das kulmbachische Gebiet77. Die nun
für das ganze Land geltende Ordnung wurde im September 1578 gelegentlich einer Generalsynode in
Ansbach, bei der nun beide Landesteile vertreten waren, in Anwesenheit von Jakob Andreä78 überarbei-
tet79. Von Einzelheiten ist dabei besonders beachtlich, daß nicht nur die schon angeordneten Kirchen-
bücher für Taufen, Trauungen und Abendmahlsgäste erneut eingeschärft werden, sondern auch noch
ein Beerdigungsbuch gefordert wird80. Verschiedene Pfarrer waren mit der Anlage eines solchen Buches
bereits von sich aus vorangegangen.
1567 wurde der bisherige Superintendent von Hof, Joh. Streitberger81, als hauptamtlicher General-
superintendent nach Kulmbach berufen. 1577 bekam nach Kargs Tod auch Ansbach in Adam Fran-

72 NLA Markgr. Dek. Uffenheim 3f. 62. 73 Unsere Nr. IV 9. 74 Richter 2, 198-222.
75 Bamberg, Staatsarchiv, C 2 Nr.-Verz. IXa/12 (Kirchenvisitation... betr. 1561) Prod. 41. — Lang 3, 362f.
76 Vgl. in unserer Nr. IV 11a (S. 362).-Sicher ist es freilich nicht,daß diese Bedenken schon 1566 geäußert wur-
den. Geschah es schon damals, dann war Pankratius, der erst in diesem Jahre in brandenburgischen Dienst kam,
noch nicht daran beteiligt. Andernfalls müßte in ihm, der einen eigenen Katechismus herausgab (siehe oben S. 124!),
die Triebkraft gesucht werden. 77 Unsere Nr.V 11a und b. 78 NStA ARA 35f. 179. 184.
79 Die Änderungen sind in unserer Nr. IV 9 angemerkt. 80 Vgl. S. 349 f. Anm. 11 und 12.
81 † 1602 (Simon, BPfB 2465).

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