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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0327
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IV 1 Gottesdienstmandat 1531

an die zwen teil hausarmen leuten in gemein casten12
gegeben und der dritt teil den knechten folgen sol-
len.
Und nachdem etliche unsere untertanen, so dem
wort Gottes, wie vorgemelt, widerwertig oder nit ge-
neigt sein, aus dem, das weiland unser lieber bruder
marggraf Casimir seliger und wir mit einer maß zu-
gelassen haben, das die geistlichkeit in steten mit
den andern unsern christlichen untertanen burger-
lichs mitleiden tragen sollen13, den christlichen pfar-
herrn und predigern zu sunderlichem spot und ver-
achtung oder aus sunderm neid oder geiz fürnemen,
sie nit allein mit der steuer und andern geltanlagen,
sunder auch mit harnisch und wehre pieten, auch
torhüten, wachen, frönen und dergleichen burger-
licher bürden zu beschweren, ungeachtet, das sie
doch als gemeine, getreue kirchendiener und haus-
halter uber Gottes geheimnus in allen eeren gehalten
werden solten, dawider aber an etlichen orten die
andern pfaffen, ja schergen, pütel und dergleichen
knecht mer geert und gefreit werden denn die frum-
men, christlichen pfarherrn, predigern und ander
kirchendiener, dadurch dann das ein ewig wort Got-
tes auch nit wenig veracht würdet, so sezen, ordnen
und wöllen wir, das kein evangelischer pfarherr, pre-
diger noch ire caplanen als gemeine, nottürftige kir-
chendiener hinfüro mit keiner burgerlichen be-
schwerd beladen werden sollen, es were dann sach,
etlich burgerliche, angeerbte güter oder sunst so vil
uberiger, jerlicher einkummen und nuzung hetten,
das sie die gemeinen und ander steuer on abbruch
ires leibsnarung neben andern christlichen unter-
tanen statlich und wol geben kunten oder das es zu
einer gemeinen reichshilf wider den türken kummen,
wie denn vor augen ist14. So sollen sie solcher an-
lagen nit gefreit sein, aber doch sunst auch wider
mit harnisch, wehre, torhüten, wachen, frönen noch
12 Da nicht überall ein eigentlicher ,,Gemeiner Kast-
ner“ bestand, darf hier einfach die ja auch zur Unter-
stützung der Armen bestimmte Kirchenstiftung ver-
standen werden.
13 Im Landtagsabschied 1525, vgl. Nr. II 4, S. 82f.
14 Der Reichstag hatte 1530 zu Augsburg eine all-
gemeine Vermögenssteuer von 1/2 % genehmigt (Egl-
haaf 2, 194).
15 = Nachtzech = bis in die tiefe Nacht hinein-
dauernde Zeche.
17 Die Nötigung, so viel „nachzukommen“, als einem

der gleichen bürden und eußerlichen leibsdiensten
außerhalb irer kirchenambt und -dienst keins wegs
beschwert werden.
Wir gebieten und wöllen auch, das weder feier-
noch werktage kein nachzech15 in wirtsheusern we-
der in den steten noch auf dem land von den in-
wonern gehalten noch gestat werden, sunder das ein
jeglicher, so bald man summer- und winterzeit die
sperrglocken16 leutet oder sunst die tor in steten zu-
spert, anheimbs in sein haus oder herberg gehen,
sich auch am heimbgehen und in seinem haus oder
herberg eins friedlichen, züchtigen lebens halten und
mit niemand bochen oder schreien sol und, wer der
eins ubertritt, der sol als ein verbrecher unsers ver-
bots des zutrinkens17 gestraft werden und darzu on
alle gnad drei pfund18 und der wirt oder hausherr,
dabei derselbig gezecht hat, sechs pfund zu straf
geben, davon zween teil der herschaft und gemeiner
stat und der dritt teil dem vogt oder richter und den
statknechten, damit sie dest fleißiger auf die uber-
trettung sehen, folgen sol. Und ob aber der richter
oder die statknecht in solchem jemand verschonen
wolten oder würden, sollen die ambtleut solch buß
von inen selbst nemen oder sie darum in turn stra-
fen, so oft es zu schulden kumbt.
Und dieweil etlich unser ambtleut, so die sachen
für sich selbs christlich und gut gemeinen, sambt
den castnern, richtern, burgermeistern und reten
hievor der und ander sachen halben auch ordnung
gemacht und strafen gesezt haben, sollen dieselben,
wo sie nit wider diese noch ander unser christlich
ordnungen sein, also gehalten und gehandhabt wer-
den, alles bis auf unsern und unsers lieben jungen
vettern oder unser stathalter und rete weitern be-
scheid, enderung oder widerruefen.
Ob denn etlich von unsern ambtleuten, castnern,
vogten, richtern, schultheißen, burgermeistern und
vorgetrunken worden war - eine vor allem damals
durch Reichs- und Landesgesetze immer wieder ver-
geblich bekämpfte deutsche Unsitte (Zedler, Uni-
versallexikon 64 [1750] 890-929). - Für Branden-
burg ist allerdings aus gerade dieser Zeit kein dies-
bezügliches Mandat bekannt.
16 = die die Torsperre anzeigt (Schmeller 2,681).
18 1 Pfund (alt) = 30 Pfennige; 1 fl. = 8 Pfund (alt)
12 Pfennige = 252 Pfennige. - 1 damaliges Pfund
entsprach an Kaufkraft etwa 15 DM von 1959 (vgl.
Anm. 11!).

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