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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0525
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V 1 Agendbüchlein Veit-Dietrichs 1545

pfarrherr oder kirchendiener, sich fleißig befragen
bei der person, so das kindlin getaufet hat.
Zum ersten.
Ob das kindlein volkommenlich geborn gewest sei,
da sie es getaufet hat oder nit. Denn wo das kind-
lein nit gar geborn, sonder nur mit eim hendlin, füß-
lin oder sonst eim andern teil des leibes sich sehen
ließ, soll man es in keinen weg taufen1. Dann weil
die tauf ein widergeburt ist, so kan das kind durch
die tauf nit widergeborn werden, es sei denn zuvor
ganz und gar in die welt geborn. Derhalb sollen die
pfarrherrn und kirchendiener in solchem die heb-
ammen unterrichten, wo sie es tun hetten, das sie
es nimmer tun; denn es ist unrecht, sintemal die tauf
von dem Herrn Christo denen geordnet ist, die vol-
kommen an die welt geborn sind. Die aber noch nit
geborn sind, kan man nit taufen. Es sollen aber die,
so in solchen nöten dabei sind, bedes, muter und das
kind, dem almechtigen Got durch treuliche fürbit
befelhen, das Got der mutter helfen und das kind-
lin mit seinem Heiligen Geist begnaden, es von sün-
den entledigen und ewig umb Christi Jesu seines Suns
willen, der für alle sünder gestorben, wölle selig ma-
chen. Solche fürbit wissen wir, das Gott nicht allein
von uns fordert, sonder will ims auch gefallen lassen
und erhören, wie das exempel ausweiset von dem
gichtbrüchigen, Mathei am neunten [2]; denn da sagt
der evangelist mit klaren worten: Der Herr sahe im
glauben, und sprach zu dem gichtbrüchigen: Sei ge-
tröst mein sun! Dein sünd sind dir vergeben.
Zum andern.
Ob das kind mit rechtem naturlichem wasser ge-
taufet sei; ddenn solches ist auch von nöten. Ur-
sach: der befelh und ordnung Christi gehet strackts
dahin, man müsse durchs wasser von neuem geborn
werdend.
Zum dritten.
Was man für wort dazu gesprochen hab.
Solches alles mag man auch bei den weibern sich
erfragen, so dabei gewest sind eals zeugen der taufee.

d Fehlt vor 1545. e—e Fehlt vor 1545.
f-f Fehlt vor 1545. g-g Fehlt vor 1545.

So nun in solchem allem rechte ordnung gehalten
und fkein mangelf befunden wird, soldaskindkeins-
wegs wider getauft, sonder der christengemeine, die
sambt dem kinde bei der kirchen versamlet, auf sol-
che weise befolhen werden, wie folget:
Ir allerliebsten, nemet zu herzen, wie große gnad
und barmherzigkeit Gott an uns in der tauf tut, da
er sein freundlichkeit und leutseligkeit gegen uns er-
zeigt und uns nit umb gerechtigkeit willen der werk,
so wir getan haben, sonder nach seiner barmherzig-
keit durch das bad der widergeburt und verneue-
rung des Heiligen Geists selig macht [Tit.3,4f.],
Dann er alda in kraft des worts durch seinen Geist
tötet, vertilget und abweschet alles, das uns zu sün-
dern macht, befleckt oder verdambt gleich, als er im
Roten Meere die feinde seines volks erseufte und in
der sündflut alles fleisch, bis on acht seelen, die er-
halten wurden, vertilget. Also macht uns auch dises
wasserbad im wort Gottes selig, nicht das abtun des
unflats am fleisch, wie im leiblichen waschen eußer-
lich beschicht, sunder gdie zusagung Gottesg, der
bund eines guten gewissens mit Gott durch die auf-
erstehung Jesu Christi, dardurch wir in kraft des göt-
lichen bunds in unserm gewissen gereinigt und ver-
sichert werden, beide mit Gottes wort und eußer-
lichen warzeichen, das alles das aufgehebt, tot und
abe oder vergeben hsol seinh, so uns beflecken und
verdammen mag. Wir sein auch im gewissen frei,
ledig und sicher, das wir mit Gott vereiniget im bund
stehen und uns nichts zu verdammnus sol gereichen.
Dargegen sollen wir aber auch die vergebne sünde
meiden und derselbigen gleich tot sein; dann alle,
die wir getauft sind, sind in den tod Jesu Christi ge-
tauft. So sind wir je auch mit begraben durch die
tauf in den tod [Röm. 6,3f.] und also der sünden und
ganzem altem leben abgestorben und zu ruhe ge-
stelt, das uns nichts verdammen noch von der hulde
Gottes absündern möge.
Darumb sollen wir nun Gott billich danken und
umb sein unaussprechliche gnade loben. Darneben
aber auch ernstlich und andechtiglich bitten, das er
sein angefangenes werk volbringen wölle an uns und

h Vor 1545: sei

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