Nürnberg II
leben nit hilft, so wird doch ein bessere und ewige
hilf folgen. Sei nur getröst und keck im glauben und
gedult!
Zum drittenh weist du, wie dis zeitlich leben uns
so uber die maßen sehr liebet2. Es mache Gott den
himel und das ewig leben so herrlich und süß er im-
mer wölle, wenn wir bei gesundem leib sind, so haben
wir wenig andacht, sehnen noch verlangen idar-
nachi, lassen uns dunken, wir wolten uns an disem
zeitlichen settigen lassen, wenn es nur so allweg
bhbe. Auf das nun Got uns dises elend, sündhafte
leben hie auf erden erleide und ein begird eines an-
dern bessern und ewigen lebens in unsere fleischliche
und weltliebende herzen einsenke, da braucht er leib-
liche schmerzen und krankheiten zu und macht uns
dises leben so ungeschmack jdamitj, das uns immer
dunkt, er bleibe zu lang aus, er wölle uns nit bei-
zeit holen, er sol doch ende geben, und sich nit sau-
men. Solches wünschens und bittens müste unser
Herr Got wol lang geraten haben, wo er dich nit also
durch seinen gnedigen willen aus der gesundheit ge-
hoben und in krankheit geworfen het. Darumb ist
auch in diesem fall die krankeit dir ein edels kleinot,
und du solst sie für ein großen, sondern schatz und
ein gewises anzeigen Gottes gnedigen willens achten.
Sintemal dich Gott dadurch bringt, zu eim rechten
ernstlichem sehnen und verlangen nach den ewigen
gütern und nach dem schatz, welchen unser lieber
Herr Christus uns allen erworben hat, da du und wir
alle sonst solches schatzes nit achten und unser freud
und wollust allein an der schnöden, bösen welt, an
sünden, an gelt, gut, essen und trinken und anderm
zergenglichen haben würden.
Aber solchs, wiewol es vil und ein großer trost dir
sein sol, ist es noch nichts gegen disen zweien stuk-
ken, da der heilig Paulus uns von leret.
Has erst (R: Krankheit ist eine zeitliche züchti-
gung, da uns Got sonst ewig könte strafenk), das er
spricht 1.Cor.11 [31]: So wir uns selb richteten, so
würden wir nit gerichtet. Wenn wir aber gericht.et
h 1543 II: + R: Krankheit erleidt3 uns das zeit-
lich leben
i Vor 1545: dazu. j— j Fehlt vor 1545.
k Fehlt 1543 I. l Fehlt vor 1545.
m 1543 II und 1544: R: Der vernunft urteil von
krankheit und gesundheit, von glück und unglück
ist falsch.
werden, so werden wir von dem Herren züchtiget,
auf das wir nit sambt der welt verdambt werden.
Dis ist ein treffenlicher spruch. Derhalb so bilde dir
in fest und wol ein! Er macht erstlichen die leib-
lichen krankheit etwas hart, das ers ein gericht oder
straf Gottes nennet und spricht: Wenn wir uns rich-
teten oder strafeten, das ist: von sünden abließen
und uns besserten, so dörfte Gott uns nit richten
noch strafen und durch krankheit von sünden ab-
halten. Stimmet also fein mit der vorigen lehr, das
unsere krankheiten von der sünden herkommen und
ein straf der sünden sind. Solches ist schröcklich zu
hören.
Aber da wendets der heilige Paulus so herzlich
fein lwiderl herumb und spricht: War ist es. Dein
krankheit ist Gottes gericht und straf uber die sünd.
Aber da hüte dich, das du bei leib derhalb an Gottes
güte und barmherzigkeit woltest zweifeln! Denn ob-
wol Gott zürnet, so zürnet er doch wie ein vater und
nit wie der henker. Ein vater kan es bedes, das er
wol von herzen zürnet und dennoch das kind auch
von herzen lieb hat und mit allen treuen meinet4.
Also verstehe es auch, wenn ich sage: Got strafet
dich umb deiner sünde willen mit krankheit. Denn
solchs ist nicht ein henkersstrafe, der das leben
nimbt, auf das man nit mer mörde, stele oder anders
tue. Es ist ein vatersstrafe, der also das kind stra-
fet, das es fürtan vor dem bösen sich hüten und also
in des vaters gunst und gnaden bleiben sol, auf das
der vater nit zu weiterm zorn und heftiger strafe
verursachet werde.
Solchs redet Paulus mit eim seer trefflichem wort
und spricht: Gott züchtiget uns mit krankheit, auf
das wir mit der welt nicht verdambt werden. Hie höre
und lerne umb Gottes willen! Du dunkst dich sehr
elend sein, das dich Got dermaßen jetz hat angegrif-
fenm. Wiederum lest du dich dunken, denen gehe
es am allerbesten, die Got immerdar bei gesundem
leib on alle anfechtung hinwallen und leben lest, wie
es ihnen gefelt. Solches ist der vernunft urteil, die
2 = üeb ist (Schmeller 1, 1414. — Grimm 6, 932).
3 = verleiden, laid (= häßlich) machen (Schmeller
1, 1438. - Grimm 3, 900).
4 = lieben. (Schmeller 1, 1610)
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leben nit hilft, so wird doch ein bessere und ewige
hilf folgen. Sei nur getröst und keck im glauben und
gedult!
Zum drittenh weist du, wie dis zeitlich leben uns
so uber die maßen sehr liebet2. Es mache Gott den
himel und das ewig leben so herrlich und süß er im-
mer wölle, wenn wir bei gesundem leib sind, so haben
wir wenig andacht, sehnen noch verlangen idar-
nachi, lassen uns dunken, wir wolten uns an disem
zeitlichen settigen lassen, wenn es nur so allweg
bhbe. Auf das nun Got uns dises elend, sündhafte
leben hie auf erden erleide und ein begird eines an-
dern bessern und ewigen lebens in unsere fleischliche
und weltliebende herzen einsenke, da braucht er leib-
liche schmerzen und krankheiten zu und macht uns
dises leben so ungeschmack jdamitj, das uns immer
dunkt, er bleibe zu lang aus, er wölle uns nit bei-
zeit holen, er sol doch ende geben, und sich nit sau-
men. Solches wünschens und bittens müste unser
Herr Got wol lang geraten haben, wo er dich nit also
durch seinen gnedigen willen aus der gesundheit ge-
hoben und in krankheit geworfen het. Darumb ist
auch in diesem fall die krankeit dir ein edels kleinot,
und du solst sie für ein großen, sondern schatz und
ein gewises anzeigen Gottes gnedigen willens achten.
Sintemal dich Gott dadurch bringt, zu eim rechten
ernstlichem sehnen und verlangen nach den ewigen
gütern und nach dem schatz, welchen unser lieber
Herr Christus uns allen erworben hat, da du und wir
alle sonst solches schatzes nit achten und unser freud
und wollust allein an der schnöden, bösen welt, an
sünden, an gelt, gut, essen und trinken und anderm
zergenglichen haben würden.
Aber solchs, wiewol es vil und ein großer trost dir
sein sol, ist es noch nichts gegen disen zweien stuk-
ken, da der heilig Paulus uns von leret.
Has erst (R: Krankheit ist eine zeitliche züchti-
gung, da uns Got sonst ewig könte strafenk), das er
spricht 1.Cor.11 [31]: So wir uns selb richteten, so
würden wir nit gerichtet. Wenn wir aber gericht.et
h 1543 II: + R: Krankheit erleidt3 uns das zeit-
lich leben
i Vor 1545: dazu. j— j Fehlt vor 1545.
k Fehlt 1543 I. l Fehlt vor 1545.
m 1543 II und 1544: R: Der vernunft urteil von
krankheit und gesundheit, von glück und unglück
ist falsch.
werden, so werden wir von dem Herren züchtiget,
auf das wir nit sambt der welt verdambt werden.
Dis ist ein treffenlicher spruch. Derhalb so bilde dir
in fest und wol ein! Er macht erstlichen die leib-
lichen krankheit etwas hart, das ers ein gericht oder
straf Gottes nennet und spricht: Wenn wir uns rich-
teten oder strafeten, das ist: von sünden abließen
und uns besserten, so dörfte Gott uns nit richten
noch strafen und durch krankheit von sünden ab-
halten. Stimmet also fein mit der vorigen lehr, das
unsere krankheiten von der sünden herkommen und
ein straf der sünden sind. Solches ist schröcklich zu
hören.
Aber da wendets der heilige Paulus so herzlich
fein lwiderl herumb und spricht: War ist es. Dein
krankheit ist Gottes gericht und straf uber die sünd.
Aber da hüte dich, das du bei leib derhalb an Gottes
güte und barmherzigkeit woltest zweifeln! Denn ob-
wol Gott zürnet, so zürnet er doch wie ein vater und
nit wie der henker. Ein vater kan es bedes, das er
wol von herzen zürnet und dennoch das kind auch
von herzen lieb hat und mit allen treuen meinet4.
Also verstehe es auch, wenn ich sage: Got strafet
dich umb deiner sünde willen mit krankheit. Denn
solchs ist nicht ein henkersstrafe, der das leben
nimbt, auf das man nit mer mörde, stele oder anders
tue. Es ist ein vatersstrafe, der also das kind stra-
fet, das es fürtan vor dem bösen sich hüten und also
in des vaters gunst und gnaden bleiben sol, auf das
der vater nit zu weiterm zorn und heftiger strafe
verursachet werde.
Solchs redet Paulus mit eim seer trefflichem wort
und spricht: Gott züchtiget uns mit krankheit, auf
das wir mit der welt nicht verdambt werden. Hie höre
und lerne umb Gottes willen! Du dunkst dich sehr
elend sein, das dich Got dermaßen jetz hat angegrif-
fenm. Wiederum lest du dich dunken, denen gehe
es am allerbesten, die Got immerdar bei gesundem
leib on alle anfechtung hinwallen und leben lest, wie
es ihnen gefelt. Solches ist der vernunft urteil, die
2 = üeb ist (Schmeller 1, 1414. — Grimm 6, 932).
3 = verleiden, laid (= häßlich) machen (Schmeller
1, 1438. - Grimm 3, 900).
4 = lieben. (Schmeller 1, 1610)
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