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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0541
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V 1 Agendbüchlein Veit Dietrichs 1545

Vergebung (R: Vergebung der sünde wird jeder-
man angeboten.) der sünden, die gehet vor; denn
Got will sein gnad nit etlichen menschen allein, son-
dern allen menschen gern beweisen und widerfaren
lassen, wie eben aus solcher ursach halb Johannes
der taufer den Herrn Christum ein lemmlin Gottes
nennet, das der welt sünd tregt [Joh.1,29]; den
Christus ist nit umb etlicher menschen sünd willen
gestorben, sonder umb aller menschen sünde willen,
wie Johannes sagt in seiner ersten epistel am 2. [2]:
Christus ist die versönung für unser sünde, nicht
allein aber für unsere, sondern auch für der ganzen
welt. Darumb stellet unser lieber Herr Christus sei-
nen befelh in gemein hin, schleußet niemand aus, son-
der sagt: Geet hin in alle welt, lehret und taufet alle
völker! Wer da glaubt und getauft wird, der wird
selig. Wer aber nit glaubt, der wird verdambt [Mark.
16,15f.]. Und Luce am lezten [46f.]: Christus muste
leiden und aufersteen von den toten am dritten tag
und predigen lassen in seinem namen buß und ver-
gebung der sünden unter allen völkern.
Wo (R: Auf vergebung der sünde soll ein gott-
seliges leben folgen.) nun solches geschehen, das ver-
gebung der sünden durch die tauf und im wort umb
Christi willen, der mit seim tod für alle sünde be-
zalet hat, zugesagt und geleistet wird (dann Got ist
in seiner zusagung treu und wil uns nit liegen, wenn
nur wirs mit glauben annemen und für war achten),
so soll ferner bei den christen folgen, das sie für
allem ergernus sich hüten und ir leben nach Gottes
wort auch andern zur besserung anschicken und für
des Teufels eingeben und des fleisches sündhaften
lüsten sich hüten sollen. So (R: Die, so offentlich
sündigen, soll man ermanen.) sichs aber begibt, das
jemant aus schwachheit felt oder von der sünd, von
dem Teufel übereilet wird, da soll ein jeder christ,
sonderlich, so es offentlich ist und andern zum er-
gernus1 gereichen kann, bald sich zur buß begeben,
von solchem fall aufstehn, das ist: von der sünd ab-
lassen, Gott umb vergebung bitten und vergebung
der sünden suchen, wie sie Christus zu suchen be-
folhen hat in seinem wort durch die absolution und

1 Ärgern und die davon abgeleiteten Wörter sind
im ganzen Kapitel nicht nur im heutigen Sinn zu
verstehen, sondern zuerst im damaligen, mit dem
neutestamentlichen übereinstimmenden Sinn von

das hochwirdig sacrament des leibs und blut Christi;
denn wie sonst oft gemeldet, ist bedes, die absolutio
und das nachtmal des Herren, umb der schwachen
gewissen und armen sünder willen eingesetzet.
Wo aber die, so also in offentliche sünde gefallen,
sich nit selb an die buß oder besserung begeben, son-
der in sünden one scheu fortfaren wolten, da sol als
denn der bann stat haben und frei one scheu gegen
jederman, gegen die höchsten gleich so wol als gegen
die geringsten, von den pfarrherren gebrauchet wer-
den. Wie aber solches soll fürgenommen werden, das
mögen wir beides aus dem befelh Christi und dem
exempel und lehr der heiligen aposteln nemen; denn
in solchen hohen, wichtigen sachen sol jederman sich
fürsehen und nit seim eignen kopf, sonder dem wort
Gottes folgen.
Es (R: I.) lautet aber der befehl Christi also,
Matth. 18 [15]: Wenn dein bruder an dir sündiget,
so gehe hin und strafe ihn zwischen dir und ihm
allein! Höret er dich, so hast du deinen bruder ge-
wonnen.
Höret (R: II.) er dich nit, so nim noch einen oder
zwen zu dir, auf das alle sach bestehe auf zweier oder
dreier zeugen mund.
Höret (R: III.) er dich nit, so sage es der gemeine.
Höret (R: IIII.) er die gemeine nit, so halt in als
einen heiden und zöllner. Warlich ich sage euch, was
ir auf erden binden werdet, soll auch im himel ge-
bunden sein und, was ir auf erden lösen werdet, sol
auch im himel los sein.
Dis ist der rechte text vom bann, was er sei und
wie man ihn recht brauchen sol und wider wen.
Erstlich sagt er: So dein bruder wider dich sün-
diget. Bruder aber heist, der auf gleiche hoffnung
mit uns getaufet und ein erbe Gottes durch Chri-
stum mit uns sol sein.
Denn Türken und Juden ist unnot, das man sie
banne oder ausschließe. Sie schließen sich selb aus
und begeren in unser gemeinschafte nit zu sein. Die
aber, so mit uns den namen haben und auch chri-
sten heißen und wolten nit gern für unchristen ge-
halten werden, so dieselben sündigen, das ist, offent-
schlechter machen (Schmeller 1, 141). - Vgl. da-
zu vor allem auch die Nürnberger Lehrartikel von
1528 (unsere Nr. III 2 S. 133)!

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