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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0545
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V 1 Agendbüchlein Veit Dietrichs 1545

umbgangen. Solches ist, wie oben gemeldet, ein fehr-
licher handel, dafür die kirchendiener sich hüten sol-
len. Aber das ist noch fehrlicher und unter den chri-
sten unleidlicher gewest, wo gleich die personen so
umb geringer ursach willen bisweilen gebannet wa-
ren, von sünden abließen und sich besserten und
gnad begereten, so schlüße man die doch aus von
den christen, dem sacrament und gebet, je zwei, je
sechs, je zehen und bisweilen zweinzig jar5. Das ist
ein greuliche tyrannei und fehrliches wesen gewest.
Den schein hat es wol gehabt und ist auch darumb
angefangen worden, als solte solcher ernst zur zucht
helfen und die leut in der forcht behalten, das sie
nit so leichtlich sich vergessen solten. Aber solches
solt man durch andere mittel gesuchet haben, die
nicht so fehrlich sind.
Also haben die väter auf die, so in öffentliche sünde
gefallen und derhalb gebannet waren, wenn sie
gleich sich besserten und gnad begerten, ein eußer-
liche strafe geleget, wie bisweilen im bapstumb ge-
schehen, das sie für der kirchentür stehen6, sich selb
steupen und geißeln7 haben müssen. Aber solches
solt man ein kinderzucht in der schul lassen sein und
nicht in die kirchen bringen. Denn (R: Eußerliche
strafe uber die gebanneten.) erstlich ist es in dem
fall fehrlich, weil man on solche eußerliche straf die
christen nicht hat wider zu gnaden angenommen, das
es endlich dahin ist kommen, das man solch eußer-
lich straf für verdienstlich zu vergebung der sünden
gehalten hat. Wie mans darurnb heißet: satisfactio-
nes canonicas, so doch keine genugtuung für die sün-
den von uns kan geschehen. Zum andern ist der be-
felh Christi da, das mer zur vergebung der sünden
nit gehört denn die sünde erkennen und durch Chri-
stum vergebung der sünden hoffen. Wo nun ein sün-
der sich bekennet und bekeret, er lest von sünden
ab und bessert sich und begeret von dir als einem
kirchendiener vergebung seiner sünden, da bist du

i-i 1544: einer
(RE 5, 325ff. - K. J. Hefele, Konziliengeschichte.
12, 148-192). — Zur Straf- und Bußpraxis der alten
Kirche überhaupt: Hinschius 4, 699-726.
5 Wie die Synode von Ankyra (Angora) von 314:
Hefele 12, 219 ff. - Hinschius 4, 719.- Diese alten
Bußzeitansätze klingen heute noch in den zeitlich

vor Gott und aus dem befelh Jesu Christi schuldig,
solchen sünder on einigen eußerlichen beschwerd
anzunemen und mit Gottes wort zu trösten und für
deinen bruder zu halten.
Das also die summa dises puncts ist: den bann
sol man brauchen offentlich gegen jederman, der in
offentlichem ergernus lebet und nach vilfeltiger son-
derlicher und offentlicher vermanung anderer chri-
sten dennoch beharret und nicht ablassen will. Es
sol aber solcher bann für ein solches mittel gehalten
und gebraucht werden, dadurch man anders nichts
suchet denn, das der sünder sich erkenne, fromm und
selig werde. Zu solchem dienet, das Paulus sagt
1. Corinth. 5 [11], das man mit solchem auch nit essen
soll; denn, wo gleich nur bürgerliche erbarkeit und
kein christhches herz ist, da wirt sich iein menschi
dafür entsetzen, das jederman ihn meiden und nie-
mand mit im will umbgehen, das also nit allein der
prediger den bann füren, sonder ein jeder christ zum
selben helfen soll. Ja, wie im anfang gemeldet, du
der du kein prediger, aber dennoch ein christ bist,
solst solchen bann mit ernster vielfeltiger warnung
und ermanung zum ersten anfahen.
Und sonderlich sol weltliche oberkeit hie ires ambts
wol warnemen. Sie tregt das schwerd nicht umb-
sonst. Sie ist Gottes dienerin, ein racherin zur straf
uber den, der böses tut. Darumb, wo offentliches er-
gernus ist, soll die oberkeit demselben mit ernst weh-
ren und den bösen buben als hurern, ehebrechern,
wucherern, lesterern, weinseufern etc.auf die hau-
ben greifen8, auf das Gottes will und erbarkeit allent-
halb und in allen stenden gefürdert werd vom ge-
meinen christen man mit vermanung gegen die, so
in sünden ligen, von weltlicher oberkeit mit ernster
straf und letzlich auch von den dienern des worts
mit dem bann, wo sonst nichts helfen und die leut
sich nit bessern wöllen.
beschränkten Ablässen der katholischen Kirche nach
(LThK 12 48. — Köstlin, Buße, in: RE 3, 587.
6 Hinschius 4, 716f.; 5, 96.
7 Hinschius 4, 814; 5, 78f. - Wetzer und Welte
3, 18, 24f. - Die Strafform war vorwiegend auf Geist-
liche und Klosterinsassen beschränkt und vielfach
als freiwillige Leistung übernommen.
8 = streng halten (Schmeller 1, 1035).

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