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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0567
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V 1 Agendbüchlein Veit Dietrichs 1545

verachten und Got nit weiter damit zu versuchen
ist.
vDenn wo mans den leuten auflegen will als ein
nötig werk, da wird des bapstes greuel müssen vol-
gen, das die sünde one solche vorgeende beicht nit
vergeben können werden und das solche beicht zu
vergebung der sünden nützlich sei. (R: Confessio
auricularis etiam scandalosa.) Die exploratio aber,
das niemand zum sacrament sol gehen, er hab denn
vor rechenschaft seines glaubens seinem seelsorger
geben, ist kein beicht, sonder ein unterricht, darzu
man der ohrenbeicht nicht darf, das man alle sünde
erzelen woltv.
Dis sind ungeferlich die fürnemesten stuck der
christlichen lehr, da es sonderlich sich gebüren wil,
das die kirchendiener ein guten verstand von haben
und ir studirn und lesen (dem sie fleißig obligen müs-
sen) auf solche stück fein richten sollen, das sie mit
sprüchen und exempeln gefasset, nit allein ire leut
recht unterrichten, sonder auch den widersachern
mit grund begegnen können. Aber zum beschluß sol
man auch dieser zweier artikel nit vergessen - nem-
lich, wiefern menschliche satzungen zu halten und
was die rechte freiheit sei, der die christen sich sollen
gebrauchen.
Der heilig Paulus in der ersten epistel zun Corin-
thiern am 14.capitel [40] befilhet, das es alles in der
kirchen sol züchtiglich und ordenlichen zugehen.
(R: 18: Ceremoniae et traditiones humanae.) So man
nun bedes, zucht und ordnung, halten sol, so muß
man auch etliche satzungen haben. Also gebeut Pau-
lus [1.Kor. 14,26-39], es sol in der kirchen ein ord-
nung haben mit dem lesen und predigen und ver-
beut den weibern, sie sollen nit predigen. Darumb ists
nit unrecht, das man in den kirchen etliche ceremo-
nien anrichtet und helt. Aber die maß sollen solche
ceremonien haben - erstlich, das sie alle zur zucht
v_vFehlt 1543 I. w Nur 1543 II.
x_x Vor 1545; vergebens.
y_y Fehlt 1543 I. Fehlt 1543 I.
a_a 1543 I und II: und angerichtet hat, da man Got-
tes wort recht prediget und die sacrament recht
handlet; 1544: und die sacrament recht handlet.
b_b Vor 1545: am selben ort. c_c 1543 I: machen.
17 Vgl. S. 44 Anm. 1!
18 Die Casula — ein meist reichgeschmückter ärmelloser
Überhang -, das Meßgewand im engeren Sinn
(Braun 156ff. - Eisenhofer 101).

und ordnung dienen, zum andern, das man sie nit
halte für ein gottesdienst; denn da stehet das urteil
(R: Finis ceremoniarum in templisw), welches Chri-
stus selb fellet, Matthei 15 [9]: Sie dienen mir x ver-
geblichx mit menschensatzungen. Darumb sol man
solche ordnung und zucht anrichten und halten als
ein ander eußerhches ding, auf das die gewissen da-
mit nit beschweret werden, wie Paulus zun Colos-
sern sagt am andern cap.[16]: Lasset euch niemand
ein gewissen machen uber speis oder uber trank oder
uber bestimbte feirtage etc.!
Weil aber Paulus, ywie gemeldety sonder fleißig
vermanet, was man in der kirchen tut, das es dem
volk zur besserung dienen sol [1. Kor. 14,26], und bei
dem einfeltigen man bisweilen solchs ein ergernus
bringet, wo man vil neuigkeit in kirchen gebreuchen
einfüret und immer ein pfarherr es anders denn der
ander zmit singen, kirchenkleidern und andernz ma-
chen wil. Derhalb sol ein jeder kirchendiener im sel-
ben fall auf sich gute achtung haben, und es bei dem
lassen bleiben, wie man es in andern kirchen des-
selben orts helt, a in welchen die sacrament recht ge-
handlet werdena. An vilen orten ist es nit der brauch,
das man zur predigt oder andern kirchendiensten
chorröcke17 oder uber dem altar casel18 und meß-
gewand19 brauchet. Solchs mag man bdaselbb also
lassen gehen. Aber da es der brauch nit ist, sol man
derhalb keinen zank noch hader anrichten, als wer
es wider Gotes gebot, ein chorrock in der kirchen an-
legen, sonder, weil es ein mittelding ist und allent-
halb zucht und ordnung sol gehalten und niemand
on ursach geergert werden, sol es niemand weder auf
jenem noch disem teil nötig machen, und darumb
zank und unordnung canrichtenc.
Wo aber offenbare ergerliche breuch weren, die
sich mit dem wort Gottes nit reimeten, dieselben sol
man erstlich mit dem wort ernstlich angreifen und
19 = nämlich die außer der Casula noch zur Meßgewan-
dung gehörigen Stücke (Alba, Humerale, Cingulum,
Stola und Manipel) (Junghans 1, 360-377. —
Hartmann 821-825. - Braun 10. 201f. 312f.
327f. 375f. - Eisenhofer 99f.). - In Nürnberg wur-
den die Gottesdienste erstmals am 11. November
1810 ohne das Meßgewand bzw. den Chorrock gehal-
ten (Nürnberg Stadtarchiv, Stadtchronik des
G. P. Amberger 1 [1806-1820] 45f.).

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