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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0568
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Nürnberg II

darnach da hinarbeiten, das die oberkeit solche erger-
nus abschaffe, als da sind: meß halten, Salve20 sin-
gen, die götzen in der kirchen schmucken, heiltumb21
aufsetzen und umbtragen, wasser und salz weihen22,
abgöttische bilder und altar hegen und nit abtun,
das sacrament einsperren, von heiligen singen und
sie anrufen und, was dergleichen mer ist, das sich
mit der christlichen lehr nit reimet. Da sol man kein
gedult mit haben, wenn das wort zuvorgangen und
die leut unterrichtet sind; denn wer on vorgeenden
unterricht auch in solchen stucken eilen wolte, da
möchten die schwachen, der man ein zeit lang scho-
nen muß, verstörzet und irr drüber werden.
dUnd es kan sich wol begeben, das etliches an im
selb nit unrecht ist und doch in einen mißbrauch ge-
ret, wie es mit der ehrnen schlangen, die Moses in
der wüsten aufgerichtet [4. Mos. 21,4-9], gangen hat.
Die solt ein zeugnus der vergangenen hilf und ein
bilde unsers lieben Herren Christi sein, wie es Chri-
stus, Johan.3 [14], selbs deutet. Aber es gereichet
entlich dahin, das mans für heilig ding halten und
ir opfern wolte. Da war Ezechias23, der könig, vor
Got schuldig, das ers mit feuer verbrennet und sol-
chem greuel wehret [2.Kön. 18,4]. Dergleichen kan
sich bei uns auch finden. Nit unrecht ist es an im
selbs wenn man des Herrn nachtmal helt und die
wort laut singet oder liset, das man brot und den
kelch aufhebet24, auf das die ganze gemeine sehe,
wie die wort lauten, das der Herr brot und wein zu
solchem seinem testament gebrauchet, das man sol-
chem befelh nach hie auch brot und wein darzu neme.
Wo nun die leut auf dem alten aberglauben bleiben
und sich wolten dunken lassen, es were ein gottes-
dienst, das sacrament sehen, welchs doch nit darzu
ist eingesetzet von dem Herrn Christo, das mans
sehen und anbeten, sondern essen und trinken und
dabei des Herren tod verkündigen soll - wo, sage
ich, auf solchem aberglauben die leut beruhen wol-
ten, da sol man ee das aufheben fallen lassen und
d-d Fehlt 1543 I. e-e Fehlt 1543 I.
20 Siehe S. 44 Anm. 5!
21 = Reliquien (Schmeller 1, 1078f. - Grimm 4 II
851 f.).
22 Siehe S. 44 Anm. 9! 23 = Hiskia (um 700 v. Chr.).
24 Die sog. Elevation, die auch in der Pfarrkirche zu
Wittenberg Bugenhagen erst am 4. Juni 1542 he-
seitigte (Germann W., Joh. Forster [Meiningen

abtun, so es doch an im selbs dem sacrament nichts
gibt noch nimbt, auf das dem aberglauben möge ge-
weret werdend
Aus dem letzten artikel, von christlicher freiheit
(R: XIX: De libertate christiana.), ist ein sehr große
und schedliche unordnung gefolget bei denen, die
derselben keinen rechten verstand gehabt haben.
Der halb unterrichts hie hoch von nöten ist.
Das höchste und meiste stück christlicher freiheit
ist (R: Primus gradus libertatis christianae.), das wir
von sünden und ewigen tod erledigt sind nit durchs
gesetz oder eigen verdienst, sonder allein durch Got-
tes barmherzigkeit, welche uns durch Christum
widerfarn ist, das er unser sünd auf sich genomen
und für dieselben am creuz bezalet und durch sein
sterben den tod gewürget hat. Wer nun solches glaubt
und sich von herzen damit tröstet und clrauf ver-
lest, der ist frei, wie Christus sagt, Johannis am 8.
[36]: ,,Wenn euch der Sun frei macht, so seid ihr
frei“. Als wolt er sagen: Eurenthalb must ir in sün-
den sterben und verderben. Aber der Sun Gottes
allein macht euch davon ledig.
Das ander stück christlicher freiheit (R: Secundus
gradus) ist, das wir nit allein von sünden und ewigem
tod durch Christum erlöset sind, sonder auch den
Heiligen Geist durch ihn empfahen, der uns leitet,
sterket und hilft, das wir dem sündigen fleisch wider-
stehen und dem gesetz Gottes ein wenig volge tun
und also uns des Teufels erwehren und sein eingeben
meiden und fliehen können, da sonst die andern men-
schen, so on glauben und Heiligen Geist sind, gefan-
gene leut sind und dem Teufel nit widerstehn, son-
der sich von im treiben und füren müssen lassen,
ewie er will,e wie man allenthalb in der welt sihet,
wie ein greuliche tyrannei der arge feind unter den
leuten ubet und so vil jammers anrichtet. Von sol-
cher freiheit redet Paulus, da er spricht: Wo des Her-
ren Geist ist, da ist freiheit, und des Herren klar-
heit spiegelt sich in uns allen mit aufgedecktem an-
1894] 359. - WA Br 10, 86 f.), wurde in Nürnberg
am 21. Dezember 1543 durch Veit Dietrich ab-
geschafft, weil während der im Sommer dieses Jahres
herrschenden Pest die Gemeinde aus Angst vor An-
steckung den Gottesdienstbesuch auf die Zeit der
Konsekration mit Elevation beschränkt hatte (Wal-
dau, Vermischte Beiträge 2 [1787] 297-324. -
Klaus, Dietrich 225ff.).

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