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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0569
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V 1 Agendbüchlein Veit Dietrichs 1545

gesicht, das wir verkleret werden in dasselbige bild
von einer klarheit zu der andern als vom Geist des
Herren. 2.Corinth.3 [17f.].
Das dritte stück christlicher freiheit (R: Tertius
gradus.) ist, das uns das evangelion frei macht von
dem gesetz Moysi, welches den Juden aufgelegt ist
gewest, das sie neben den zehen geboten sondere got-
tesdienst und ein sonders regiment musten halten,
wie dasselbe Gott inen geordnet het. Die nu, so in
Christum glauben, die sollen, wie oben anzeigt, ir
leben nach den zehen geboten richten und nichts
darwider tun; denn solches will Got nit erlauben.
Darumb wer es ein gar grober mißverstand, so je-
mand die christliche freiheit dahin wolte deuten, als
dörfte man die zehen gebot nicht halten. (R: Lex
non abrogata ne fiat, sed ne damnet.) Das aber ist
die rechte freiheit (welche doch nur die haben, so an
Christum glauben): Wo fwirf aus schwacheit oder
sunst wider die zehen gebot getun haben (wie es
denn unmüglich ist, das man sie in disem leben hie
könten volkümmlich halten), das solche sünd umb
des Herren Christi willen, der dafür, wie gwirg glau-
ben, bezalet hat, hunsh nit sollen zugerechnet wer-
den, wie Paulus solches seer fein und mit eigent-
lichen worten redet, Gal.3 [13 f.]: Christus hat uns
erlöset vom fluch des gesetzes, da er ward ein fluch
für uns; deim es stehet geschriben, verflucht sei
jederman der am holz hanget, auf das der segen
Abrahe unter die heiden keme in Christo Jesu. Das
ist so vil gesagt: Die zehen gebet sollen wir halten.
Wo wir sie aber nit halten, so soll doch das gesetz
uns nit mögen verdammen; denn davon hat uns
Christus erlöset durch seinen tod. Das ist ein frei-
heit vom gesetz.
Neben dem nun, das wir durch den glauben an
Christum von dem fluch des gesetzes gefreiet sind
und solcher untreglicher last, wie in Petrus nennet
[Ap. Gesch. 15,10] von uns genommen ist, so haben
wir auch dise freiheit, das uns nichts angehet noch
bindet, was Gott den Juden für eußerliche gottes-
dienst oder regimentsordnung geben hat. Wir kön-
nen christen sein und dörfen uns doch nit beschnei-
den lassen. Wir dürfen schweinen fleisch und alles

f—f Vor 1545: sie g—g Vor 1545: sie
Vor 1545; uns i_i Fehlt 1543 I.

essen, was andere leut essen. Wir dürfen kein son-
dere zeit halten, on so fern es dienet zur ordnung
in der kirchen. So will im Gott gefallen lassen alle
ordenliche regiment und policei, da man das ubel
strafet und die frommen schutzet, unangesehen, das
er selb den Juden ir regimentsordnung oder policei
gestellet hat. Das ist nun auch nit ein geringes stück
christlicher freiheit, wenn wir es gegen so manigfel-
tigen satzungen des gesetzes halten, damit die Juden
beschweret warden.
Das vierte stück christlicher freiheit (R: Quartus
gradus.) ist dises, das das evangelion verbeut, man
soll kein solche satzung in der kirchen machen, die
man für gottesdienst halten und zu vergebung der
sünden oder gerechtigkeit nötig wolte achten. Sol-
ches mag man ordnen, das man zu bestimbter zeit
in die kirchen komme, Gottes wort höre, dis oder
jenes lese oder predige etc. Denn wie, oben gemel-
det, soll es alles in der kirchen fein ordenlich und
züchtig zugehen. iDaher sind die feinen und nützen
ordnungen kommen, die alle pfarrherrn billich hal-
ten sollen, das man auf gewise zeit die heiligen fest
Christi und der apostel helt, das man in der fasten
die passion predig oder zum wenigsten dem volk von
wort zu wort fürliset und also ein jedes stück unsers
christlichen glaubens sein eigne zeit hat, da man das
volk davon unterrichten kan; denn auf einen tag
kan mans nit alles handlen und soll doch kein jar
hin kommen, das man nit ein jedes stück in sonder-
heit wolte fürnemeni. Aber das kmans darumb nötig
woltek achten und ein todsünde drauß machen, wo
bisweilen aus ursachen oder on gefer etwas in sol-
chen mitteln sachen geendert wurde, das wer un-
recht; denn da sagt Paulus, Col. 3 [2,16], wir sollen
uns kein gewissen lassen machen uber der speis, des
tranks oder der zeit halb, und Gal. 5 [1]: So bestehet
nun in der freiheit, damit uns Christus befreiet hat,
und last euch nicht widerumb in das knechtliche
joch fangen!
Solche sprüch leren uns nit allein, das wir solche
freiheit haben, sonder das wir derselben auch brau-
chen und uns nit so sollen fangen und binden las-
sen, wie der bapst tun hat. Der bindet einen mün-
k 1543 I: man es wolte nötig; 1543 II und 1544:
mans darumb wolte also nötig.

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