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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0570
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Nürnberg II

chen an sein kappen, fasten und beten, ein pfaffen
an seine platten25, meßopfer, horas26, das es alles
mit einander eingezogen und gebunden gewest ist
nit allein dazu, das man es so hat müssen halten,
sonder, wer es nit halte, das derselb wider Gottes
gehorsam und ein sünde tun habe. Derhalb ist aus
solchem einigen stück gut zu urteilen, was des bapst
stand und regiment sei, nemlich: ein wider- oder
antichristisch regiment. Denn so Christus uns ge-
freiet hat, muß je das ein widerchrist sein, der uns
solche freiheit nimbt und also zu knechten macht.
Nun soll man aber im brauch solcher freiheit mit
vernunft und bescheidenheit handlen, auf das nie-
mand geergert27 werde, wie Paulus sehr fein davon
lehret, Rom. 14 [13-23], und vermanet, man soll bei
solcher freiheit ja der liebe des nechsten nit verges-
sen, sonder fleißig bedenken, was zu frid und besse-
rung dienet, auf das niemand geergert, sonder auch
die feinde des worts herzubracht und also das reich
Gottes gemeret und vil zum erkantnus unsers Her-
ren Christ Jesu gefüret 1und jedermann gebessert
werden1.
Wer auf dise weise von christlicher freiheit pre-
digt und leret, der wirt nit allein zu aufrur nit raten
(R: Magistratus et quatenus magistratui obedien-
dumm.), wie doch sonst unsere widersacher dem hei-
ligen evangelio schuld geben nund uns aufrürische
prediger heißenn, sonder auf das fleißigst zum ge-
horsam weltlicher oberkeit und allem, was zu friden
und besserung dienet, vermanen; denn da ist die
schrift vol zeugnus, das Gott weltliche oberkeit ein-
gesetzt und den untertanen den gehorsam befolhen
hat, so vil weltliche und hendel erfordern. Wo aber
weltliche oberkeit weiter faren und in Gottes sachen
etwas unrechts gebieten und auflegen wolte, da sol
man ee drum leiden, was uns aufgelegt wird, ee wir
wider Gottes gehorsam, der die höchste oberkeit ist,
etwas tun oder fürnemen wolten.
Diser kurzer unterricht von christlicher ler ist
umb der ungeübten pfarrherrn und kirchendiener
willen auf das einfeltigst gestellet, auf das sie sehen,
was die fürnemesten puncten sind, und dieselben dest
1_1 Vor 1545: werden.
Fehlt 1543 I. Fehlt 1543 I.
o_o pehit 1543 I. p_p Fehlt 1543 I.
q-q Vor 1545: muß

gründlicher einnemen und ir studium dest fleißiger
darnach mögen richten (R: Pastores cotidie leganto).
Denn ein jeder, der mit dem pfarrambt oder kirchen-
diensten sol umbgehn, der sol fleißig die biblien lesen
und sich befleißen, das er in solcher lection sonder-
lichen auf dise puncten achtung hab, auf das, wo er
von dem oder jenem leren oder bericht geben sol, er
mit der schrift gefasset und allenthalb grund und
ursachen anzeigen könne.
Wer nun sich also in die lehr schicket, das dieselbe
fein bestendig und, wie es Paulus nennet [Tit. 1,13;
22], gesund ist, der sol ferner auch gute achtung auf
sein leben haben (R: De vita et moribus pastorump.)
und wie Paulus ernstlich vermanet [1.Tim.3,1-7],
sich halten, das er unstrefflch sei gegen meniglich,
das er in seinem hause mit weib und kinden ein stil-
les, züchtiges leben füre und sonderlich die kinder
also zihe, das sie andern kinden mit gehorsam, zucht
und gotseligkeit ein exempel mugen sein, darnach
auch, das er seiner person halb alles fliehe und meide,
das zum ergernus gereichen mag. Denn es stehet sehr
ubel, das ein pfarrherr mit den baurn sich vol sau-
fen, im weinhaus mit in spilen, singen, schreien und
bisweilen schlagen wolt. Derhalb auch weltliche
oberkeit sondere achtung drauf geben und mit ern-
ster straf dergleichen ergernus weren und solche un-
artige kirchendiener abschaffen soll.
Das ambt ist in der warheit groß; denn wir es
nicht von menschen, sonder von Gott dem Heiligen
Geist haben, der uns dahin gesetzet hat (wie Paulus
sagt Acto.20 [28], das wir die gemeine Gottes weiden
sollen, welche er durch sein eigen blut erworben hat,
derhalb wol von nöten, das wir solch unser ambt
fleißig bedenken und mit allem, was uns möglich,
dahin arbeiten, das durch reine, gesunde lehr und
gotseliges leben den leuten geraten und geholfen
werde. So aber jemand in solchem unfleißig sein, mit
dem studirn nit anhalten, dem geiz und zeitlichen
obligen oder sunst in andere weg der kirchen wolte
ergerlich sein, der qmagQ des urteils gewarten, welchs
uber die gehen wird, so den teuren schatz, das blut
Christi Jesu, und, was er damit erworben hat, un-
25 = Tonsur.
26 = Gebetszeiten (siehe S. 171 Anm. 3!).
27 = ärger gemacht, zur Sünde verleidet (siehe S. 523
Anm. 1!).

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