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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0580
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Rothenburg, die Staufergründung an der Kreuzung der großen Nordsüdhandelsstraße, die in Bayern
Augsburg und Würzburg miteinander verband,mit der Ostweststraße, die aus Böhmen über Nürnberg an
den Neckar führte, hatte schon 1274 volle Reichsfreiheit erlangt. Es hatte zudem bereits im 14.Jahrhundert
durch weitschauende Käufe unter Heinrich Topler ein Landgebiet erhalten, wie es damals keine deutsche
Reichsstadt besaß1; dazu hatte sich die Stadt 1387 auch das Landgericht über ihr Gebiet2 erworben.
Kirchlich lag Rothenburg in der Diözese Würzburg. Die Pfarrei war schon zu der Zeit, als die Kir-
chen in der auf der Höhe an den Verkehrswegen gelegenen neuen Siedlung noch Tochterkirchen der alten
Pfarrei Dettwang im Taubertal waren, aus der Hand des Reiches in die des Deutschen Ordens gekom-
men. Die Gemeinde beteiligte sich aber stark auch mit ihren Geldmitteln am kirchlichen Leben. Beim
Neubau der großartigen Johanniskirche kam die Verwaltung des Kirchenbauvermögens 1438 völlig in
die Hand der Stadt. An klösterlichen Niederlassungen zählt.e sie einen Franziskanerkonvent mit 15 In-
sassen und ein Dominikanerinnenkloster. Unmittelbar vor der Reformation zierten die Bürger ihre Kir-
chen noch mit Schnitzaltären Tilmann Riemenschneiders, die rasch der Stolz des Frankenlandes wur-
den.Auf eine 1468 durch einige Geistliche gestiftete Predigerstelle an der Pfarrkirche St.Jakob hatte
die Stadt das Präsentationsrecht3. Auf ihr war seit 1512 der auch wissenschaftlich tätige Johann Teusch-
lein. Dieser predigte seit der Wende 1522/23 evangelisch. 1524 erhielt er in dem neuaufziehenden Pfarrer
Kaspar Christian einen wertvollen Bundesgenossen. Christian wurde zwar vom Bischof in den Bann
getan, verlas diesen aber unter entsprechenden Erläuterungen selbst von der Kanzel. Der Rat sorgte da-
für, daß der Bann wieder aufgenommen wurde. Auf dem Windsheimer Tag der fränkischen Stände,
die am 12. Oktober 1524 auch in Rothenburg tagten, schloß sich der Rat den evangelischen Ständen an.
Die evangelische Partei der Stadt übernahm einfach den Ansbacher Ratschlag für die Vorbereitung des
Nationalkonzils und legte ihn als ihren eigenen vor4.
Bald darauf brach der Bauernkrieg auch in Franken aus5.
Dadurch schien die Entwicklung in Rothenburg anfangs recht vorwärts getrieben zu werden. Hatte
sich doch am 24. März 1525 zu den Bauernunruhen der Umgebung auch noch ein revolutionärer Um-
sturz des Stadtregimentes gesellt. Am 27. März wurde der katholische Gottesdienst gewaltsam abgestellt.
Aber diese stürmische Entwicklung wirkte sich kirchlich nur störend aus. Die besonnenen Männer
wie Pfarrer Christian waren ohmächtig gegen Männer wie den Prediger Teuschlein oder den Franzis-
kaner Hans Schmid, den ,,blinden Mönch“; der plötzlich wieder an die Öffentlichkeit tretende Karl-
stadt besaß dagegen keinerlei Einfluß. Über Bilderstürme, Klostereinziehungen und Verbürgerungen von
Geistlichen und Nonnen kam die kirchliche Bewegung nicht hinaus. In der Karwoche stand das kirch-
liche Leben nahezu still. Als dann die neue Regierung am 15. Mai noch ein feierliches Bündnis mit
den Bauern einging, wurde Rothenburgs Schicksal ausdrücklich an das Schicksal des Bauernkrieges
gebunden. Die Stadt mußte sich dem Schwäbischen Bund unterwerfen. Aber kirchlich brauchte dieser
nicht mehr einzugreifen. Ohne jede Einwirkung der Sieger war die Rothenburger Reformation an jener
Verquickung von religiösen und politischen Ideen, die die mangelnde Tiefe und Echtheit der religiösen
Bewegung Rothenburgs offenbar werden ließ, zusammengebrochen. Schon am 16. und 17.Juni, wäh-
rend Teuschlein und der ,,blinde Mönch“ noch auf den Kanzeln standen, wurde der katholische Gottes-
dienst in seinem ganzen Umfang wiederhergestellt. Karlstadt war schon am 31. Mai gewichen. Auch
Christian konnte fliehen. Teuschlein wurde, als er sich noch einmal in politische Dinge mischte, am
23.Juni gefangen genommen; sein Schicksal teilte der ,,blinde Mönch“. Als Markgraf Kasimir ein-
gezogen war, wurden sie mit 15 Genossen am 1. Juli enthauptet. Die Stadt schied so für fast ein Jahr-
zehnt aus dem Kreis der evangelischen Gemeinwesen aus.
1 Bensen 24f. - Winterbach 1, 83. - Die Linde 40 (1958) Nr. 5-10. 2 Bensen.
3 Schattenmann. —Weigel, Deutschorden 101ff. 4 Abgedruckt bei Schattenmann 159-177.
5 Simon, EKGB 185. 238.

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