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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0601
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VI 1 Kirchenordnung 1559

nocht die tür seiner gnaden unverriegelt haben, son-
der soll für und für allen denen, so sich von sünden
bekeren und christliche buß tun, offen behalten wer-
den.
Dann, wiewol niemands auf die barmherzigkeit
Gottes sündigen soll und welcher solchs grausam
laster begehet, sich der barmherzigkeit Gottes un-
wert macht, jedoch will Gott von der menschen bos-
heit wegen zu keinem lügner werden. Wie Paulus
sagt: Gottes gaben und beruf mögen ihn nicht ge-
reuen (R: Rom. 11 [29]). Er will auch nicht, wie
Ezechiel 33 [11] prediget, den tod des sünders, son-
der das er sich bekere und habe das leben. Darumb
soll keiner, so nach dem tauf widerumb in sünde ge-
fallen, sich selbs versaumen und verwarlosen, son-
der sich auf das ehst on allen verzug zu dem Herrn
durch rechtgeschaffne christliche buß bekeren.
Wir reden aber jetzt nicht weder von der erbsünd,
die uns von natur anhangt, noch von der steten buß,
so wir on unterlaß bis in den tod tragen müssen und
sollen; dann wiewol uns die erbsünd, mit allen iren
früchten, so sie bis anher getragen, im tauf von
wegen unsers Herrn Jesu Christ durch den glauben
genzlich verzigen und vergeben würd, jedoch bleibt
dieselb erbsünd irer würkung halben in unserm fleisch
für und für bis in den tod anhengig und seind wir
schuldig, das wir von irentwegen stete buß tun, nem-
lich: das wir disen mangel und gebrechen in uns vor
Gott erkennen und beklagen, auch von deswegen die
werk unsers gehorsams nicht für ein volkomene ge-
rechtigkeit haben noch darauf bauen, sonder uns vor
Gott als stete sonder dargeben und uns allein seiner
barmherzigkeit, die er durch seinen lieben Sohn,
unsern Herrn Jesum erzeigt hat, vertrosten, wie auch
David uns vorredt (R: Psal. 51 [5]), also sprechend:
Ich erkenne mein missetat und mein sünd ist im-
mer vor mir. Ich sündige nur vor dir und tue nur
ubels vor dir. Und Paulus (R: Rom. 7 [18]): Ich
weiß, das in mir, das ist: in meinem fleisch, nichts
guts wohnet; wöllen hab ich wol, volbringen aber
das gut, finde ich nicht; dann das gut, das ich will,
das tu ich nicht, sonder das bös, das ich nit will, das
tue ich.

14 Dazu etwa S. 526f. - Weiteres: RE 3, 581-584. -
LThK 22 802-805.

Das ist alles von der erbsünd gered, die kein gut
werk in uns rechtschaffen volkomen sein lest, die-
weil wir hie auf erden leben, und demnach wir irent-
halben stete buß tun müssen, von welchem dann in
disem capitel von der buß und absolutionordnung
jetztmal nichts gehandelt würd, sonder wir reden
fürnemlich von den groben sünden und lastern, so
der erbsünd früchten seind und darein die leut nach
der tauf gemeinlich fallen, auch von der buß, so von
derselben laster wegen vor der christlichen gemein
getan werden soll.
Nun seind vor jaren mancherlei weis in der kir-
chen, die offentliche sünde zu büßen, wie die canones
poenitentiales14 ausweisen, gehalten worden und
mögen die heiligen bischöf darin leidenliche und ver-
antwortliche gedanken gehabt haben. Nachdem aber
dieselben von dem Herrn Christo der kirchen nicht
auferlegt und in ein merklichen mißbrauch geraten,
auch zum mehrer teil von ihne selbst gefallen seind,
so wöllen wir hiemit niemands beschwert haben, son-
der bei der weis, so bis anher in der kirchen, darin
das heilig evangelion rein geprediget, breuchig ge-
wesen, bleiben lassen. Und sollen die pfarrherrn und
andere kirchendiener die sünder zu rechtgeschaffe-
ner christlicher buß auf das fleißigst und ernstlichst
in den predigen vermanen, nemlich: das ein jeg-
licher, so in schwere sünd gefallen, sein sünd vor
Gott erkenne, lasse sie im von herzen leid sein, als
dardurch er in Gottes ungnad und zorn gefallen,
hab den Heiligen Geist verlorn und sei von Christo
abgewichen, hab auch die ewig verdamnus verdient.
Er solle sich aber zu Christo bekeren und von her-
zen glauben, das sein sünd ime von wegen Jesu Chri-
sti vergeben werden. Auch soll er furohin sich vor
der sünde als vor seinem ewigen verderben hüten
und widerumb in den gehorsam göttlichs berufs ein-
treten etc. Das ist die summa der lehr von der rech-
ten, waren, christlichen buß.
Wiewol nun solche gemeine predig, darinnen der
Herre Christus für ein versöner unserer sünden für-
gehalten wird, an ir selbst ein absolution von den
sünden ist und, welcher sie mit rechtem glauben auf-
nimpt, der wird dardurch vor Gott im himel von

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