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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0613
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VI 1 Kirchenordnung 1559

ernst und fleis, wie sich gebüret, verrichten. Dann
sich der Almechtig seiner glaubigen sonderlich in irer
not annimpt, auch oftermals unbußfertigen sündern
krankheiten zuschicket, dardurch sie zu erkantnus
irer sünden und unsers Herrn Jesu Christi kommen,
von der lieb diser welt abgezogen, sich lernen Gott
dem Herrn ganz und gar ergeben, wie geschrieben
stehet: Wann wir uns selbst richteten, so würden wir
nicht vom Herrn gerichtet, 1. Corinth. 11 [31].
Hierzu will ein sonderliche geschickligkeit erfor-
dert werden, dardurch die personen wol unterschei-
den und mit nutz und frucht einem jeden lehr oder
trost fürgehalten, mit welchem sein herz gerüret,
eintweder zur buß erwecket oder in seiner anfech-
tung gesterkt werde, und will sich sonderlich nicht
schicken, das ein kirchendiener uf ein form allen
kranken zuspreche. Dann durch solche ungeschick-
ligkeit sich oft zugetragen, das den einfeltigen erst
anfechtung gemacht, daran sie nie gedacht, oder die
rohlosen getröst, denen billicher das gesetz gepre-
digt und dardurch ire herzen erschreckt, darmit inen
nachmals der trost des heiligen evangelii mit mehr
frucht möchte fürgetragen werden.
Wiewol nun kein gewise ordnung kan gestellt wer-
den, wie sich die kirchendiener bei den kranken hal-
ten sollen, auch ein jeder für sich selbst der geschick-
lichkeit sein soll, das er aus Gottes wort einen jeden
kranken nach gelegenheit der person trösten und
unterrichten künte, auch aus hie oben verzeichneter
ordnung gnugsamen bericht hatte, wie er ime das
heilig abentmal reichen solle, jedoch, weil oft zum
teils einfeltige kirchendiener befunden, die on vor-
gehenden bericht sich nicht wol darein wissen zu
schicken, zum teils aber also iren eigen gutdünken
nachgehen, das sie durch unordnung die einfeltigen
nicht wenig verergern,
darmit nun auch in disem fall ein heilige, gute und
christliche ordnung (soviel die ausspendung und
empfahung des Herrn abentmals bei den kranken
belangt) gehalten werde, sollen die kirchendiener uf
nachfolgende weis ungeferlich iren dienst bei den
kranken verrichten:
Erstlich, so ein pfarrherr oder küchendiener zu
einem kranken erfordert wird, soll er soviel möglich
die gelegenheit der person, wo sie ime nicht bewust,
erkundigen, uf das er darnach seine buß- oder trost-

predig richten künte, und alsdann ine berichten, was
der ursprung der krankheit und alles creuzes sei,
nemlich die sünd, durch welche mit dem tod auch
alle krankheit in die welt eingeschlichen ist. Dem-
nach er ine vermanen soll zur herzlichen erkantnus
der sünden, welcher wil durch die krankheit erinnert
werden.
Zum andern soll er ime anzeigen, warumb im Gott
die krankheit zuschicke und das es nicht seie ein an-
zeigung Gottes zorns, sonder einer gnaden und lieb
gegen seinen auserwelten kindern, wie geschrieben
stehet: Wen Gott lieb hat, den zuchtiget er und hat
ein gefallen ob ime, wie ein vater ob seinem kinde
(R: Prov. 3 [12]). Auch zeig er im an, wie Christus
der Herre das schwerest an der krankheit getragen,
das er nicht allein für uns krankheit, sonder die sünd,
deren sold die krankheit ist, getragen, gebüßet und
bezalet. Und hieher gehören alle tröstliche sprüch,
aus der propheten und apostel schriften gezogen, die
da lauten von vergebung der sünden allein umb
Christi willen durch den glauben, welche dem kran-
ken wol sein einzubilden.
Zum dritten soll er in auch vermanen zur liebe
gegen dem nechsten, das er auch von herzen ver-
zeihe allen denen, die in beleidiget haben, weil ime
Christus durch sein leiden und sterben alle sünde
verziehen habe.
Zum vierten soll er ine auch vermanen zu der ge-
dult und ime anzeigen, warzu die krankheiten und
alles creuz den christen nutzlich, und auch fleißig
vermanen, das er sich in den willen Gottes ergebe,
wann ine Gott der Herre aus diesem zeitlichen leben
erfordern würde, das er wolt willig sein, wo er ine
aber würde lenger leben lassen, das er gedächte, das
ubrig seines lebens nach dem willen Gottes zuzubrin-
gen.
Wo nun der krank zur erkantnus seiner sünden
gebracht, im glauben an unsern Herrn Christum
unterrichtet, zur lieb und gedult vermanet, solle ime
der kirchendiener auch anzeigen, das Christus der
Herr seinen kranken und angefochtnen christen
nicht allein mit worten sein gnad und huld zugesagt,
sonder auch mit den heiligen sacramenten, sonder-
lich dem heiligen abentmal versiegelt habe, und ine
nach getanem bericht fragen, ob er dasselbig auch
in seiner krankheit begere.

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