Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0622
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Rothenburg

Demnach (wo ich von einem erberen rat ein solch
almosen bettlen dorfte, das der kirchen gemainer
stat und deren undertonen auf dem land an zeit-
licher und ewiger wolfart nützlich sein wurde) wolte
ich gern zu disen hochnotwendigen werk ein clöster-
lin17 bettlen, welches doch für sich selbst ein al-
musen sein möchte, darinnen nicht allein guter raum
sein möchte zu einem recht geschaffenen und lob-
lichem pädagogio, sondern auch andere lectiones mit
der zeit darinnen angerichtet würden, die gemainer
stat nicht allein löblich, sondern deren undertonen
und fürnemblich der kirchen fast nützlich und dienst-
lich sein möchten.
Wo die pedagogia nach notdurft bestellt und zu-
dem den classibus underschaidenlich sein gebüeren-
der platz eingegeben wurde, alsdann möchte ein er-
barer weiser rat durch die verordneten scolarchen
dem magistro und pedagogis mit allem ernst ufer-
legen und befelhen, das sie nichts dann nach irer
verordnung dem knaben fürlesen; dann wo es ein
jeder nach seinem kopf machen würde, sollte wol die
jugend dermaßen irr gemacht werden, das sie in iren
studiis gar langsam und mit wenig frucht fortfaren
möchten.
Die ordnung aber, so vor der zeit ein erbarer wei-
ser rat dem magistro und seinen collegis ubergeben
von Michaele Toxite18 gestellt, wußte ich nicht zu
verbessern; dann er dieselbe von Johanne Sturmio19
aus dem pedagogio zu Straßburg gelernet und mit
seinem rat und approbation gestellt, in welchem
warlich feine, geschickte und gelehrte leut seint ge-
zogen worden.
Darmit aber solche ordnung in irem gebüerenden

17 Gemeint war das Franziskanerkloster, das auch dem
Gymnasium übergeben wurde, bis 1592 ein neues
eigenes Gebäude errichtet war (KDB Rothenburg
233-238. 291 f. - Weigel, Chronik 182. 193. -
Schattenmann 152).
18 Eigentlich Schütz. Aus Sterzing. Lehrer, später Arzt
in der Gefolgschaft des Paracelsus, † 1581 Hagenau
(Württembergische Kirchengeschichte. Calw
1893. 403. - Zedler, Universallexikon 44, 1782).
Er war damals für Herzog Christoph zur Neuord-
nung des Schulwesens in Württemberg tätig. Seine
1557 veröffentlichte Consultatio de emendandis rec-
teque instituendis literarum ludis (Schattenmann
151f.) versandte er an zahlreiche Städte. Auf Grund
dieser Schrift erstattete dann Rektor Wickner einen
ausführlichen Bericht über das Schulwesen an den

gang pleiben und erhalten werden möchten, ist fast
weislich und fürsichtig durch ainem erbern rat für-
sehen, das etliche, geschickte und gelerte leut zu
scolarchen verordnet, die nicht allein vil und oft uf
die gestellte ordnung die schuel visitieren, darmit
die preceptores iren vleis bei den knaben tuen, son-
der jerlich zu einer gebürenden zeit auch ein examen
und gleich als promotiones haben, uf das die kna-
ben ordenlich und zu gebürender zeit von einer classe
in die andere promoviert oder die, so zun studiis un-
taugenlich erfunden, mit irer elter rat zu etwas an-
deres gezogen werden.
Hierzu wurde fast dienstlich sein auch des ver-
ordneten pfarrherrs und superattendenten zuton,
welchem soliche ernstliche und vleißige inspection
neben dem scolarchis möchte bevolhen werden.
Soviel die beschwernisse der preceptorum belangt,
mögen dieselbigen uf getane verordnung ganz leicht-
lich gewendet werden.
Erstlich durch den pfarrherrn oder superatten-
denten mit einem grundlichen bericht und ernst-
licher vermanung zu dem volk20, darinnen sie unter-
richtet werden, wie nutzlich und notwendig die
schuolen seien und, wo dieselbigen darniederliegen,
was für ein wüest wesen in der kirchen und burger-
lichem regiment volgen wurde, auch sie vermanen,
wie sie schuldig seien, ire kinder, so gute ingenia
haben, darzu zu halten, darmit sie auch zu seiner-
zeit der kirchen oder gemainem nutz dienen mögen.
Item, was es für ein besonder costlich almusen seie,
das man uf die armen schuler wendet, under wel-
chen, so nur etlich geraten, ist nicht auszusprechen,
Rat (A. Schnitzlein, Abd. Wickners Bericht über
die lateinische Schule zu Rothenburg vom Jahre
1557, in: Die Linde 6 [1914] 25f. 30f., ebenso:
Blätter für das Gymnasialschulwesen 506, 1914,
294-303 und [abgedruckt] Alt-Rothenburg 1924
bis 1925).
19 (1507-1589). Einer der bedeutendsten Schulmänner
der Reformationszeit (Fichter, in: RE 19, 109 bis
113).
20 Solche Schulpredigten hat in Rothenburg soeben
1557 der damalige Rektor Abdias Wickner angeregt
( Schnitzlein. in: Alt-Rothenburg 1924/24 und
in: Zeitschrift für Geschichte der Erziehung und des
Unterrichts 5 [1915] 25-24). Sie wurden dann auch
lange gebalten.

604
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften