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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0676
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Weißenburg

jetz neulich entpfangen, nicht ain solche ordnung
gottesdiensts gestelt haben, damit man jemands ge-
wissen als notwendig und darzu verpünden oder bei
der seel selikait verpflicht wolten haben (R: Esa. 29
[13]; Math. 15 [7ff.]) oder, als die papisten mit irem
ungegründten falschen gottesdienst vil vermainten,
umb Gott zu verdienen und sünde zu pueßen, oder
sunst von eitler ehr wegen, sunder wir solche unsere
furgestelte ordnung cristlicher lieb und freihait wil-
lichlich sind unterwerfen, das sich der ein jezlicher
geprauchen mug nach gelegenhait der zeit, wie, wo
und wen er wil, das ir auch dieselbigen als ein eußer-
lich (R: 1. Samuel 15 [22]) ding möcht nach laut got-
lichs worts endren, mindren oder mehren. Allain das
suechen wir, auf das mit und in solcher ordnung die
ehr Gottes gesuecht und der waer gottesdienst (wel-
cher ist: Gott lernen erkenen und demselbigen von
herzen vertrauen) (R: Hiere. 9 [22f.]; Ps. 49 [-
50, 22 f.]) mocht gefurdert und handgehabt, darzu
auch unser negster gepössert und gesterkt werden.
Zu solchem helf uns allen Got der himlisch Vater
durch Cristum Jesum unsern Herren! Amen.
Volgt nun weiter der anfang einer
cristlichen ordnung.
Nachdem und dieweil der heilig Paulus bezeugt,
das Gott der Herr ein Gott sei des frids und nicht
der uneinikait, so soll auch darumb furnemlich ein
ordnung angefangen und gehalten werden, das sec-
ten und unfriden vermitten3 pliben, dan solchs auch
in burgerlichen sachen durch statuten (spaltung und
widerwillen zu verkomen4 ) verordnet wirt. Derhal-
ben, so unser furgestelte und angezaigte ordnung
raum und furgang soll haben, so ist das anfenklich
an e[uer] w[eisheit] unser pitt und begeren, wollet
die bäbstlichen caplän mit irer ungegründten, fal-
schen, abgöttischen meß abstellen und iren jarmarkt
3 Ältere Form für vermieden (Schmeller 1, 1570).
4 = verhüten, verhindern (Schmeller 1, 1248).
5 = so (aus mundartlich sou über sow entstanden
[freundliche Auskunft von Stadtbibliotheksdirektor
i. R. Dr. Bock in Erlangen]). Daneben wird aber
auch einfach ,,so“ geschrieben. - B hat hier ,,als“,
sonst ,,so“. 6 = obenhin, oberflächlich.
7 = Ursprung ( Grimm 1, 387f.).
8 Infolge eines doppelten Mißverständnisses aus
1. Kor. 14 entstandene Vorstellung. Das dort ge-

und die ganz kremerei inen zu der zeit, so man Gott
recht soll dienen wölt, niderlegen; dan also tet auch
Christus unser Her (R: Marci 11 [15-18]; Johan. 2
[13-22]). Sob5 er die ehr seines Vaters war suechen
und fand die kremer, die do kauften und verkauften
im tempel, sties er ire wechselbenke ernider, ver-
schüttet inen das gelt und trib sie gewalticlich aus
dem tempel; dan es leidet Got den Teufel nicht neben
ime, auch Christus den Belial nicht (R: 2. Cor. 6
[15]); also der recht gottesdienst duldet nit den
bebstlichen, abgottischen dienst on merklichen scha-
den der spaltung und zwitrachtungen.
Volgt nun weiter,
wie man es zu morgens und abends im
gottesdienst halten wirt.
An den werktagen zu morgens.
Item sob man wie vormals zusamengeleutt hat,
so soll der schuelmaister mit den knaben anfahen
das introitum - doch das es aus der geschrift und
dem wort Gottes genomen sei! - und darzu ain gaist-
lichen gesang deutlich und nit überhin6 singen, es sei
das ,,Et in terra“oder sunst ain psalm teutsch oder la-
teinisch, bis das volk zusamenkombt; dan solchs sin-
gen geschicht nicht on ursach der geschrift und an-
kunft 7der ersten christlichen kirchen,vonwelcher das
introitum noch ist bliben, darvon Paulus sagt (R:
1. Cor. 14 [26]) :Wen ir zusamenkombt, so hat ein jez-
licher einen psalm, erhat ein lehr, er hat ein zungen,
er hat ein offenbarung, er hat ein auslegung etc.
Weiter Paulus an einem andren ort [Eph.5, 18 f.]:
Werdt vol Geists und redt undereinander von psal-
men und lobgesengen und geistlichen lieden! Singt
und spilt dem Herren in eurem herzen etc.! Nach
solchem, so les der diener laut propheceiweis8 ein
nannte Zungenreden wird irrtümlich als Reden in
einer fremden Sprache verstanden und das dort ge-
nannte Prophezeien (Weissagen) wieder irrtümlich
mit dem dort gleichfalls genannten Auslegen der
Zungen gleichgesetzt. Gemeint ist also, daß der Text
zunächst in der fremden lateinischen Sprache ver-
lesen und dann deutsch wiedergegeben und aus-
gelegt wird wie in ,,Grund und Ursach“ der Nürn-
berger Pröpst von 1524 (Originalausgabe, Hiv—Hiij).
Ähnliche Vorstellungen bei Luther, Von Ordnung

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