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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0690
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waren, als Luthers Ruf erstmals nach Windsheim drang. Auf alle Fälle wenigstens wollte sich die Bür-
gerschaft schon 1521 bei der Neubesetzung der Predigerstelle einen Schüler Luthers holen. Ein solcher
hielt auch am 21. November eine Predigt, übernahm die Stelle dann aber doch nicht. Nachdem sein Nach-
folger bald gestorben war, erhielt die evangelische Bewegung am 23. Oktober 1522 in Thomas Appel4
aus Weißenburg, der eben von der Universität Wittenberg gekommen war, einen Führer. 1523 wurde
nach Nürnbergs Vorbild ein Gemeiner Kasten aufgerichtet5. Im Unterschied zu dem in Nürnberg an-
gewandten Verfahren blieb hier aber die Sonderverwaltung der bisherigen Stiftungen, die zu Lieferung
an das Almosen verpflichtet wurden, bestehen6. Sie wurde nur den Geistlichen, die sie bisher führten, ent-
zogen und städtischen Pflegern übertragen, worüber es freilich gleich zu scharfen Auseinandersetzungen
mit dem Bischof von Würzburg kam7. 1524 schloß sich die Stadt unter ihrem Oberrichter Michael Bern-
beck8 den evangelischen Ständen Frankens an, die am 28.Juli und am 24. August 1524 in Winds-
heim tagten.Für das erwartete Nationalkonzil verfaßte vermutlich der Prediger Appel einen evangelischen
Ratschlag9. Die katholisch gesinnten Geistlichen erteilten eine kurze Absage. Unbekannt ist, wann die
einzelnen gottesdienstlichen Änderungen, die zu vermuten sind, vorgenommen wurden.
Am 12. März 1525 erreichte der Rat sein seit 1523 verfolgtes Ziel, durch Erwerb des dem Deutsch-
orden zustehenden Patronatsrechtes auf die Pfarrstelle auch dieseevangelisch besetzen zu können10. Der
bisherige Pfarrer trat gleichzeitig zurück; Appel wurde sein Nachfolger. Am Tag darauf übergaben die
letzten drei Mönche des Augustinereremitenklosters, das sich inzwischen geleert hatte, dem Rat ihr Klo-
ster. Beides geschah bereits unter dem Grollen des Bauernkrieges.
Die unklare Haltung, die die evangelischen Geistlichen und der Rat während der nächsten Monate
zeigten, führten nach seiner Niederwerfung zur Entlassung der evangelischen Geistlichen. Sie erhielten
aber evangelische Nachfolger. Die katholischen Gottesdienste mußten unterbleiben. Aus den bisher etwa
22 geistlichen Pfründen der Stadt wurden jetzt Stellen für Pfarrer, Spitalpfarrer, Prediger (bis um
1540) und zwei Kapläne gebildet.
Die Reichsstadt hatte nur ein kleines Landgebiet, von dem nur Wiebelsheim einen eigenen Geist-
lichen hatte. Es wurde mit der Reichsstadt evangelisch. Aus Angst, dabei vom großen Bruder geschluckt
zu werden, ließ Windsheim den dortigen Pfarrer sich aber bei der brandenburgischen Kirchenvisitation
1528 nicht stellen.
Die Stadt unterzeichnete mit den evangelischen Ständen die Protestation von Speyer und - aller-
dings (weil ihr Vertreter, der Altbürgermeister Sebastian Hagelstein, erst zwei Tage darauf eintraf) nicht
mehr vor der Übergabe, sondern erst am 15. Juli - das Augsburger Bekenntnis. Sie schloß sich dem
Schmalkaldischen Bund nicht an. Dem Interim wollte sie - zeitweise mit spanischem Kriegsvolk be-
legt - dadurch entsprechen, daß sie einerseits wieder die Messe halten, andererseits in den weitergeführten
evangelischen Predigtgottesdiensten darauf hinweisen ließ, daß das nur unter dem Druck des Kaisers
rein äußerlich geschehe. Als dann die Stadt das brandenburgisch-nürnbergische Auctuarium übernehmen
wollte, gelang das erst nach Entlassung der Geistlichen. Mit dem Fürstenaufstand und dem Augsburger

4 Aus Weißenburg i.B., † (Helmstadt 1558?). - 150... in der Diözese Eichstätt, Frühjahr 1522 als evangelisch
vertrieben, Sommersemester 1522 Wittenberg immatrikuliert, 1522 Windsheim Prediger, 1525 Pfarrer, nach Be-
endigung des Bauernkrieges entlassen und ausgewiesen (ohne Dienst in Nürnberg, 24. 10. 1525 ausgewiesen ?)...,
1528 Roßtal Verwalter des abwesenden Pfründeinhabers, Sommer 1533..., 1542 Helmstadt (LK. Marktheiden-
feld) (- †?). (Simon, EKGB 47). 5 Unsere Nr. IX. 6 Schirmer 254ff. 7 Scharold 202.
8 Glied einer alten Windsheimer Bürgerfamilie, geb. 1480, wiederholt Bürgermeister, seit 1523 der erste aus den
Reihen der Bürgerschaft gewählte kaiserliche Vogt und Oberrichter, seit 1536 G. Voglers Schwiegervater, 1545 im
Streit mit der Stadt wegen der Verwaltung einer unter seinem Nominationsrecht stehenden Familienpfründe aus-
gewiesen und abgesetzt, † 1551 in Rothenburg o. d. T. (G.W. Dietz, Mich. Bernbeckium, primum praetorum
ex ordini consulari... commendat... 1. 2. Rothenburg 1741. - Bergdolt 4. 128-137 u. ö.).
9 Original: NStA ARA la II f. 105-189. - Druck: Bergdolt 202-225.
10 B. Herold, Das Kirchenpätronat inWindsheim, in: BbKG 12 (1906) 193-207. - Bergdolt 49-56.

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