Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0693
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
IX Kastenordnung 1524

wo eines ohne das zeichen befunden wird, so hat es
sein straf, auf das sie die wirtshäuser und tabernen
meiden und andre unzimliche ort. Ist auch in wirts-
häusern verboten, darvor die armen ihr gelt unnütz-
lich anwenden, das sie der keinen mehr bewirden
und herbergen. Und wo ein solcher, der das zeichen
selbst oder sein hausfrau trägt, in einem drink, in
dem er zehr, oder an einem unzimlichen [ort] befun-
den wird, denselben wird man zur straf annehmen
oder sonst das almosen aufgeben, wie es gegen je-
dem für gut angesehen wird, damit ihr spiel, füllerei
und vorwitz zehren abgestellt wirde. Und wo sich
eheleut funden, die an der unehe6 seßen und das
almosen begehren, denen soll nichts gegeben wer-
den, sie kommen dann zusammen und leben, wie
eheleuten gebürt.
Wo sich aber fromme hausleut finden, die sich bet-
tels schemen und doch ohne hülf nicht bleiben mö-
gen, und denselben ihr heimlich almosen mit diesem
abgeschnietten wird, schemen sich auch, das zeichen
zu tragen, etwan ihren eltern oder ihren kindern oder
ihrem handwerk zu ehren, dieselben sollen durch die
pfleger besichtiget werden und darnach durch mit-
telperson zimblich hülf geschehen, nach gestalt ihrer
armut.
Und, wie vor gemelt, do etwa der mann des al-
mosen notdürftig und die frau ihr brot gewinnen mog,
[soll] hinwiederum dem notdürftigen das almosen
mitgeteilet und das zeichen zu tragen begeben7 wer-
[den] und das ander das zeichen zu tragen nit schul-
dig sein, jedoch das dasselbe seiner frau gebe, sich
solch almosen, das seinen mitgemahl geben wird,
nicht zu gebrauchen. Es soll auch das, so das almo-
sen nimbt, fleis tun, sobald es des almosen geraten
möge, das zeichen wieder zu antworten, das almo-
sen wieder aufsagen.
Weiter ist verordnet, das in der schuol nicht mehr
armer schüler gehalten werden sollen dann zehen
6 = böse, unfriedliche Ehe (Schmeller 1, 97).
7 = erlassen (Schmeller 1,865).
8 willen, alte Nebenform zu wollen = wünschen
(Schmeller 2, 891. - M. Lexer, Mittelhochdeut-
sches Wörterbuch. 3 (Leipzig 1878) 753. 892).
9 = Terminarii, die Mitglieder eines Bettelordens, die
die Opfergaben innerhalb des einem jeden zugewie-
senen Bezirks (terminus) einsammeln.
10 = Es werden sich?
11 Näheres ist nicht bekannt. Hier werden damals nicht

oder zwölf und sonst keine andre schueler bettlen
bei einer straf, darauf gesetzt, und diese mögen das
almosen, wie vor geschehen ist, vor den häusern for-
dern. Sonst soll niemand in dieser stat, sie sein ein-
wohner oder frembde, gestatt werden, das almosen
in der statt und vor der kirchen zu samlen, das bei
ernstlicher straf verboten wird, ausgenommen die,
den es zu einer erkäntnis ihres unzimbfichen lebens,
so sie in ihren vermögfichen tagen gewillt8, und zu ei-
ner besondern straf und exempel den andern als den
schlemmern von den pflegern nachgeben ist.
Es sollen auch hinfüro alle frembde samblung zu
clostern, kirchen, glocken, die terminirer9 und an-
dere dergleichen nicht gestattet werden. Solchem
almosen zu gut sein die alten hergebrachten almosen
zu der kirchen ferner abgesetzt. Sich werden10 auch
die alten, gestiften schpent und seelbad11 mit der
zeit auch in dies almosen begeben, das solches nit
bas dann mit dieser ortnung mag angelegt werden.
Es soll auch unter den toren befohlen werden, das
sie keinen frembden bettler nicht einlassen, sondern
abgewiesen werden, es wäre dann, das einer als ein
pilgram einer nachtsoll12 begert in seelhaus. Den
sollen sie hereinlassen und ihn dahin weisen und ihm
untersachen13, das das bettlen verboten sei.
Item die sondersiechen14 nehmen nicht von die-
sem almosen, es wäre dann, daß sie künftiglich man-
gel würden leiden, mag ihnen von diesem auch zimb-
lich geholfen werden.
Item zu hülf diesem almosen, das auch die andäch-
tigen christen augenschein ihrer guttat aus lieb nit
beraubt werden, darum soll ein stock15 in der kir-
chen aufgerichtet werden, darein dann ein jeder, der
zu hilf der armen ermant16 wird, sein almosen legen
mag. Dieser stock soll alle vierteljahrs besichtiget
werden und nachfolgens in ihre rechnung legen und
schreiben.
Und ob Gott fuget, daß solch almosen mit gutem
von der Stadt verwaltete Almosen gemeint sein
(Schirmer 255f.). - Über ähnliche Stiftungen in
Nürnberg vgl. S. 29 Anm. 6, 7 und 8.
12 = nachtselde = Nachtherberge (Schmeller 2, 268).
13 = mitteilen (Schmeller 1,115; 2,234).
14 = Aussätzige.
15 = Opferstock - mit einer Inschrift ähnlich etwa dem
Spruch am Schluß der Handschrift.
16 In der Handschrift irrig: ernant.

43*

675
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften