Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0694
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Windsheim

rat vollzogen und enthalten werden mögt und ein
uberfluß an paarschaft erfunden würde, daß man zu
dem almosen geraten möcht, so sollte derselbe über-
fluß dahin reichen, wie etwa fromme handwerksleut,
die sich mit harter arbeit gerne ernehrt und aber kei-
nen vorrat haben, damit sie einen anfang ihres han-
dels mögen machen, und etwan mit viel kindern
überfallen und doch das almosen nicht nehmen, son-
dern in hoffnung leben, denselben soll mit fleiß nach-
gefragt werden, ob die mit spielen oder saufen oder
anderem unehrlichen wesen beladen gewesen und
noch. Wo dann die frommkeit befunden wird, denen
soll mit ziemlicher hülf vier oder zwanzig oder mit
mehr oder minder gulden17 geholfen werden und uf
wiederzahlen geliehen werden.
Begibt sichs auch, daß etliche fromme burgers-
töchter die ihre mannbar jahr erreicht und doch ar-
mut halber sich nicht könten verheiraten, daraus ge-
meiniglich viel und große sünd und unrat erwach-
sen. Damit dieselbe nicht also unterdruckt wurden,
und sich ehrlich verheiraten möchten, es were gegen
handwerksgesellen oder andere, die mögen sich bei
den gesatzten herren anzeigen. Dieselben fürder bei
einem ehrbaren rat handeln, daß diesen töchtern
nach erheischung des handwerks und handels, dar-
ein sie sich verheiraten wollen, ziemhch hülf ge-
schehe. Und ob der gemeine kasten auf das jahr so
viel nit möcht dereichen18, so soll ihnen doch, ufs
förderlichst es sein mag, die hülf geschehen und das
vor den andern, die noch kommen zu bitten. Soll
auch desgleichen mit den einen gehalten werden, da-
mit sich niemand entschuldigen möge, hülfs halben
von dem ehlichen stand geschieden sein. Zu solchem
articul soll in sonderheit zugeton werden das jung-
fergeld19, was gemeine statt dazu verpflicht ist, doch
mit dem anhang, daß sie sich nach ausweisung der
stiftung dagegen verpflichten.
Und wo solch almosen erleiden möcht, daß junge
knaben wären, die geschickt zu handwerken und
doch in ihrer eltern vermög nicht stünde, sie zu ver-

17 Zur Kaufkraft vgl. S. 31 Anm. 20.
18 mundartlich = erreichen.
19 Stiftung zur Ausstattung bedürftiger Bräute. Näheres
über eine solche Stiftung in Windsheim ist nicht be-
kannt.

stellen20, die möchten sich auch bei den pflegern an-
zeigen. Ist es in vermögen des kastens, so sollen sie
uf die geschicklichkeit verstellt werden, doch daß
sie dieselben nachmals, so sie ihre vogtbar21 jahr er-
reicht, sich hie zu Windsheim zu haus setzen sollen,
es würde ihnen denn aus recht erkanter ursach von
einem erbaren rat erlaubt, an andere ort zu ziehen.
Und zum letzten, ob geschehe, wie das gemeinig-
lich der böse feind die ratten22 und unkraut auch
unter den guten samen wirft, daß etlich sich solches
almosens wollten trösten, darauf in ihrer armut desto
nachlessiger und irriger, in ihren häusern desto reich-
licher leben wollten, desgleichen in ihren wirtsheu-
sern mit zehren, füllen, spielen samt anderen über-
fluß sich ungehorsam und dermaßen halten, damit
sie das ihre vertäten und nachfolgens notdürftig
würden, auch die arbeitsmann und -frauen desto
weniger taglohn und arbeit annehmen wollten, son-
dern dem müßiggang dadurch nachhengen, dieselben
sollen hiemit gewarnet sein, daß mans ihnen geden-
ken wird und sich mit dem almosen gegen denselben
desto lenger zu enthalten, wiewohl in der letzten not
niemand verlassen werden soll. Es sollen auch die
pfleger solche leut beschicken und sie des erinnern,
damit sie davon abstehen,und dieselbe vermeinung23
zur gedechtnus in ein register schreiben. Wie sichs
dann begibt, daß ein solch mensch, das sich unehr-
lich gehalten in müßiggang, der faulheit, der bauch-
füll, dem spiel, dem überfluß in ihren häusern und
den wirtshäusern angehangen, denen soll solch al-
mosen nicht gegeben werden, besonder soll ihnen die
buß auflegen, daß sie ihr brot und nahrung von haus
zu haus sammlen sollen, dieweil sie es suchen mö-
gen. Das soll ihnen zu einen exempel den andern von
den pflegern nachgelassen24 werden, damit solche
ergernus ausgereut würde.
Und was jedem armen alle woche zu geben sei, das
steht zur erkanntnus der pfleger, dasselbe nach jedes
notdurft gereichen.
Item die pfleger sollen fürder alles ihr einnehmen,
20 = in eine Stelle bringen, verdingen.
21 = mündig (Schmeller 1,855).
22 = Raden, Unkraut (Schmeller 2, 170).
23 = Verweis (Schmeller 1, 1611).
24 = zulassen, erlauben.

676
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften