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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0722
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Vater der evangelischen Bewegung stets abgeneigt blieb, gehörte der Sohn zu den frühesten Freunden
Luthers in Franken.
Es zeigt noch keinen Einfluß Luthers, aber es läßt die kritische Luft verspüren, die damals in Wert-
heim wehte, wenn Graf Georg im Juli 1518 einen Anschlag an der Pfarrkirche in Wertheim machen
ließ, in dem er sich sehr scharf über die Wertlosigkeit von Seelgeräten, Jahrtagen und ähnlichem aus-
sprach und demgegenüber auf den Wert von Almosen hinwies2. Dann aber - spätestens am 24. April
1521, als Graf Georg in Worms der Reichstagskommission angehörte, vor der sich Luther verantworten
mußte3 - gewann er entscheidende Eindrücke von diesem. Schon Ende August 1522 wandte er sich da-
her an ihn mit der Bitte um einen evangelischen Prediger für seine Residenzstadt4. Luther sandte ihm
den stürmischen Jakob Strauß5 aus Basel, der zuletzt im Inntal gewirkt hatte, jetzt aber schriftstelle-
risch in der Nähe Wittenbergs tätig war. Dessen Art veranlaßte den Grafen allerdings schon nach wenigen
Monaten, ihn wieder zu entlassen. Der gemeine Kasten in Wertheim, von dem der aus Miltenberg als
evangelisch vertriebene und dorthin geflüchtete Joh. Drach 1523 berichtete, wurde aber wohl noch von
Strauß eingerichtet. Näheres ist nicht bekannt6. Diesmal fand Graf Georg selbst einen Prediger. Er
schickte ihn im Juni 1523 zu Luther, damit er dort nähere Weisungen empfange7. Es war wieder ein Ala-
manne, Franz Kolb8, der zuletzt in Nürnberg Kartäusermönch gewesen war. Dieser wandte sich am
27. August 1524 noch einmal an Luther um Rat. Dabei schilderte er ihm ausführlich, wie er in Wert-
heim den Gottesdienst gestalte9. Ein paar Tage vorher hatte sich der Graf bereits in Windsheim mit den
übrigen evangelischen Ständen zur Vorbereitung des Speyerer Nationalkonzils zusammengeschlossen. Als
seinen dafür bestimmten Ratschlag übernahm er gleich den von Ansbach in Vorschlag gebrachten10.
Vielleicht noch Ende dieses Jahres, spätestens aber am Anfang 1525, wo er am 6. Februar im Alter
von 60 Jahren zu Nürnberg in die Ehe trat, schied auch Kolb schon wieder aus wertheimischem Dienst.
Vielleicht hatte Luther wegen Kolbs echt zwinglischer Abendmahlsauffassung, die er in seinem Brief Lu-
ther vorgetragen hatte, dem Grafen einen entsprechenden Rat gegeben. Kolbs Nachfolger in Wertheim
wurde einer der wirkungsvollsten Volksschriftsteller jener Zeit - Johann Eberlin11 von Günzburg.
Leider fehlen alle Nachrichten darüber, wie sich die Reformation in der Stadt Wertheim eigentlich
vollzog. Die Pfarrkirche war die Kirche eines mit 14 Geistlichen besetzten Chorherrnstiftes. Von ihnen
war einer Pfarrer.Auch diese Stelle überkam 1523 Kolb. Als er aber abging,war die Predigerstelle eine
Zeitlang - vielleicht über ein Jahr lang - unbesetzt. Die Pfarramtsgeschäfte übernahm damals der

2 Simon, Zur Reformationsgeschichte. 3 WA 7, 843ff. 4 WA Briefe 2 (1931) 597.
5 Geb. Basel um 1483, an verschiedenen Orten als Lehrer tätig, 1516 Freiburg i. Br. Lehrer der Philosophie, um
1520 Prediger an verschiedenen Orten, besonders in Tirol, 1522 Kemberg bei Wittenberg ohne Amt, 1522 Wert-
heim, 1522 Weimar ohne Amt, 1523 Eisenach Prediger, 1524 auch Visitator, 1525 Baden-Baden Stiftsprediger
- † 1532, aber wohl kaum - wie gesagt wurde - wieder katholisch. (Bossert, in: RE 19, 92-97. — K. Barge,
Jakob Strauß, ein Kämpfer für das Evangelium [ = Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte Nr. 162].
Leipzig 1937. — J. Rogge, Der Beitrag des Predigers Jakob Strauß zur fruhen Reformationsgeschichte [ = Theo-
logische Arbeiten 6]. Berlin 1957). 6 Eissenlöffel24. 7 TVA Briefe 3, 88f.
8 Geb. Inzlingen bei Lörrach 1465. — 1497 Basel Martinsschule Lehrer, 1502 Basel Kartäusermönch, 1504 Frei-
burg in der Schweiz Kantor und Prediger, 1509 Bern St.Vinzenziusstift Prediger, 1523 Wertheim Prediger,
1525 Nürnberg ohne Amt, 1527 Bern Prediger — † 10. Oktober 1535 (Blösch, in: RE 10. 641. — Eissen-
löffel). 9 Unsere Nr. XII 1. 10 Eissenlöffel 102-121. - Schmidt und Schornbaum 10ff.
11 Geb. Günzburg um 1465. — Franziskaner in Heilsbronn, Ulm, Tübingen und Freiburg i. Br., seit 29. Juni 1521
evangelischer Wanderprediger und Schriftsteller, 1524 Erfurt Prediger, Juni 1525 durch den Bauernkrieg ver-
trieben, 1525 Wertheim Pfarrer und Superintendent, 1530 Leutershausen Pfarrer — † 1533 (M. Radlkofer,
Johann Eberlin von Günzburg und sein Vetter Hans Jakob Wehe von Leipheim. Nördlingen 1887. — L. Enders,
Johann Eberlin von Günzburg. Ausgewählte Schriften. 3 Bände. Halle 1896ff. — Kolde, in: RE 5, 122—125.
— K. Schornbaum, Leutershausen... und das Ende Eberlins von Günzburg, in: BbKG 11 [ 1905] 5—34. 78—92.
Simon, Ansbachisches Pfarrerbuch Nr. 552. — E. Deuerlein, Johann Eberlin von Günzburg, in: Lebensbilder
aus dem bayerischen Schwaben 5 [München 1956] 70-92 [Dazu: ZbKG 26 (1957) 232]. — Schottenloher
5144-5167. 45991-45996. - NDB 4, 247f.).

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