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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0723
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Chorherr Seltzam. Er behielt sie dann zunächst auch noch einige Zeit weiter, als schon Eberlin als Pre-
diger sein Vorgesetzter geworden war. In dieser Zeit wurde wohl die Messe, obwohl sie anscheinend in
evangelischem Geiste gehalten wurde, das Kennzeichen katholischen Gottesdienstes, während sich der be-
wußt evangelische Teil der Bevölkerung zur Predigt als dem echt evangelischen Gottesdienst bekannte.
Ein Nebeneinander von katholischer Messe und evangelischer Predigt bestand z. B. in dem nur durch den
Main von Wertheim im getrennten Kreuzwertheim (bis 1543!) und in Niklashausen, wohl auch in
Michelrieth. Nur so - nicht schon allein durch Kolbs Beziehungen zur Schweiz - ist es zu erklären, daß
in der wertheimischen Kirchenordnung als der einzigen des ganzen fränkischen Raumes der Predigt-
gottesdienst die Grundlage für den evangelischen Hauptgottesdienst sogar einer Stadt abgab12.
Graf Georg führte nun auf dem Lande die Reformation vollends durch, wo es die rechtlichen Ver-
hältnisse erlaubten. Auf dem Reichstag zu Speyer von 1529 gehörte er zu den evangelischen Ständen,
die gegen die Aufhebung des Speyerer Reichsabschieds von 1526 protestierten13. 1530 erließ er noch eine
Eheordnung14. Ihre besondere Eigenart besteht darin, daß die Eheabredung, die Verlobung, nicht nur vor
einer weltlichen Obrigkeit geschehen mußte, sondern daß bei ihr auch - und an erster Stelle - die Be-
teiligung des Pfarrers nötig war und daß der Handschlag, also der eigentliche Vollzug des Eheverspre-
chens dann erst bei der (kirchlichen) Trauung erfolgen sollte. Sie zeigt so in schöner Weise den Über-
gang von der kirchlichen Trauung als einer die Eheschließung nur begleitenden Handlung zu dem die Ehe
begründenden Akt, zur eigentlichen Eheschließung .Vielleicht ist sie der früheste Beleg für eine bestimmte
Formvorschrift zur Abgabe der Eheabschlußerklärung und zwar vor dem Geistlichen bei der Trauung.
19 Pfarreien waren evangelisch besetzt, als Graf Georg von Wertheim im April 1530 starb. Seine
von Eberlin eigenartig gestaltete Totenfeier15 kündete schon Befürchtungen für die evangelische Kirche
an. Georgs katholisch gesinnter Vater, der jetzt die Regierung auch hier wieder selbst übernahm, entließ
denn auch Eberlin schon am 6. Mai16, wohl mit Rücksicht auf die benachbarten Hochstifte Mainz und
Würzburg, die sich auch zugleich in die Diözesangewalt über die Grafschaft teilten. Der Rückschlag in der
Grafschaft scheint aber nicht lange gedauert zu haben, zumal Michael schon 1531 starb. Georgs Sohn,
Michael III., war freilich erst ein Jahr alt. Die Vormundschaft - darunter Schenken von Limpurg,
deren Hause auch seine Mutter entstammte - führte jedoch die evangelische Linie weiter.
Es darf angenommen werden, daß nun auch die Pfarreien der Herrschaft Breuberg allmählich
evangelisch besetzt wurden. Das Fehlen von Pfarrernamen aus der Zeit vor 1556 ist eher ein Beweis
dafür als dagegen11.
1548 wurde das Interim angenommen. Es wurde nach dem Passauer Vertrag wieder aufgegeben.
Jetzt erhielt die Wertheimer Kirchenordnung18 ihre abschließende Form. Der Gang der einzelnen Gottes-
dienste bzw. gottesdienstlichen Handlungen stammt zwar bereits aus sehr früher Zeit, wohl noch von
Eberlin. Wesentliche Stücke aber, vor allen Dingen die Sammlung der Kollekten, wurden erst jetzt ein-
gefügt und zwar vorwiegend aus der Herzog-Heinrich-Agende von 1555. Mit der an sich denkbaren Mög-
lichkeit, daß die verschiedenen Stücke selbständig aus den Quellen, aus denen auch die Herzog-Hein-
richs-Agende sie holte, entnommen wurden, ist kaum zu rechnen. Diesen Kollekten ist immer - einmalig
in Franken - in der von ebenjener Agende erstmals eingeführten Weise ein kurzer Schlußversikel voran-

12 Simon, Zur Reformationsgeschichte.
13 J. Ney, Geschichte des Reichstages zu Speyer im Jahr 1529. Hamburg 1880. 82. 84. - J. Kühn, Die Geschichte
des Speyerer Reichstages 1529 ( = Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte 146). Leipzig 1929. 225.
14 In der von uns als Nr. XII 2 gebrachten Kirchenordnung.
15 A. Kaufmann, Kleine Beiträge zur Geschichte... im Frankenlande, in: Archiv des Historischen Vereins von
Unterfranken 20 I (1869) 1—29. — Langguth, Leichenfeier.
16 O. Langguth, Eberlin von Günzburg, in: ARG 33 (1936) 256ff.
17 Langguth, Leichenfeier 42. —W. Diehl, Pfarrer- und Schulmeisterbuch der hessen-darmstädtischen Souveräni-
tätslande ( = Hassia sacra 4). Darmstadt 1930. 124-136. 18 Unsere Nr. XI 2.

45 Sehling, Bd. XI, Franken

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