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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0752
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Herrschaft Thüngen

ten22, synergisten23 etc., item die do lehren die not-
wendigkeit der werk zur seligkeit24, adiaplioristen25
und, was dergleichen andere secten mehr sind26.
Mit diser unser bekantnus der lehr halben werden
unsers erachtens e[uer] e[rnvest] zu diesem mal zufrie-
den sein und weitleufige specificirung und erklärung
aller und jeder artikel mehr gedachter Augspurgi-
scher confession nicht suchen. So aber e[uer] e[rnvest]
oder sonst jemand in einem oder mehr puncten verre
explication oder repetition von nöten erachten oder
im wenigsten fordern und begeren wurden, wollen
wir dasselbige zu tun keine abscheu oder beschwe-
rung tragen, sondern nach der lehr des heiligen apo-
stels Petri [1. Petr. 3, 15] allzeit urputig sein zur ver-
antwortung jedermann, der grund fordert unsers
glaubens.
Von der kirchenordnung.
Zum andern der kirchenordnung und ceremonien
halben haben uns eben der angesetzte und von
e[uer] e[rnvest] benente tag Victoris27 erinnert der
22 Anhänger des Andreas Osiander (siehe S. 17 Amn. 16),
damals Universitätsprofessor in Königsberg in Preu-
ßen, der Gottes Rechtfertigung des Gläuhigen auf
die Einwohnung der göttlichen Natur Christi in die-
sem gründete. Von der Konkordienformel in Art. 3
abgelehnt (Bekenntnisschriften 932-936).
23 Verfechter der Ansicht, daß der Mensch bei seiner
Bekehrung sich nicht rein passiv verhalte, sondern
aktiv mitwirke (συνεργειν), wie sie etwa durch Joh.
Pfeffinger in Leipzig und Viktorin Strigel in Weimar
seit 1555 verfochten wurde (RE 19, 229-235. — RE
5, 951). Sie wurde in der Konkordienformel (Art. 2
[Bekenntnisschriften 903]. - Frank 1, 137) ab-
gewiesen.
24 Georg Major in Eisleben und Justus Menius in Gotha
seit 1554 ( RE 12, 85-91). Von der Konkordienformel
in Art. 4 abgelehnt (Frank 2, 149-175. - Be-
kenntnisschriften 939f.).
25 Adiaphora, Mitteldinge, sind Handlungen, deren Be-
gehung bzw. Unterlassung sittlich gleichgültig er-
scheint. Als solche verstand man in der Reforma-
tionszeit weithin Äußerlichkeiten, Zeremonien usw.
des kirchlichen Brauchtums. Während des Interims
betonte Flacius, daß es in statu confessionis keine
Adiaphora gebe. Seine Widersacher bezeichnete er
als Adiaphoristen (RE 1, 171 ff.). Die Konkordien-
formel eignete sich in Artikel 5 (Bekenntnis-
schriften 1055-1063. - Frank 4, 1-88) weithin
die Stellung des Flacius an:
26 Wie diese Zusammenstellung zeigt, ist die thünge-
nische Kirche durchaus auf dem Weg zu der dann
in Franken, vor allem in der Markgrafschaft, zur Gel-
tung gelangenden Lehre der Konkordienformel.

greulichen trennung und spaltung, so in der christ-
lichen kirchen bald nach der heiligen apostel zeit,
nemblich nach Christi unsers lieben Herrn geburt
193, durch den römischen bischof Victorem erreget
worden von wegen des osterlichen festes, an wel-
chem tage man es halten soll, welcher darumb an-
dere kirchen verbannet, daß sie ihm nicht folgen und
mit ihm zugleich den ostertag halten wolten28. Der-
gleichen hader und zank der menschlichen kirchen-
satzung, tradition und mitteldinge halben haben
sich nachfolgender zeit oftmals und insonderheit bei
Augustini29 leben zugetragen, daruber die kirchen
auch jemmerlich verwüstet und zerrissen worden,
welches der Augustinus ad inquisitionem Januarii
lib. 1. cap. 230 höchlichen beklaget.
So hat man auch nicht gar vergessen des haders
und zankes, der sich bei unserer gedechtnus nach
abgang d[octoris] Martini Lutheri begeben und et-
liche jar lang mit höchstem betrubnus vieler christ-
lichen herzen und merklichen schaden etlicher wohl-
erbauten kirchen geweret hat31, und, obwol berürter
27 Am 19. Sept. wurde und wird nirgends das Fest eines
Viktor gefeiert (H. Grotefend, Zeitrechnung des
deutschen Mittelalters und der Neuzeit II 2 (Han-
nover 1892) 181 f. — A. J. Weidenbach, Calendarium
historico-christianum medii et novi aevi. Regensburg
1855. Dagegen kennt Rom für den 16. Sept. das
Fest eines Viktor ( Grotefend aaO. — LThK 10,
617). Auch dieser Tag scheint in Deutschland der
Allgemeinheit völlig unbekannt gewesen zu sein.
Wenigstens führt ihn keines der von Grotefend II
1 und 2 wiedergegebenen Diözesankalendarien auf.
Zudem gilt dieses Fest am 16. Sept. nicht dem in der
Kirchenordnung gemeinten Papst Viktor I. (189 bis
198), dessen Tag, in deutschen Diözesen nur in Trient
beachtet, der 28. Juli ist ( Grotefend aaO. — LThK
10, 615f.), sondern dem Papst Viktor III. (1086 bis
1087). Es ist aber nicht notwendig, deshalb einen
(wiederholten!) Lese- oder Schreibfehler des Ab-
schreibers anzunehmen.
28 Über diese Passahstreitigkeiten vgl. Preuschen, E.
in: RE 14, 726-733, 24, 308. - H. Böhmer, Vik-
tor I., in: RE 20, 600ff.-Viktor fand mit seinem
Schritt nicht die Anerkennung aller Gemeinden vgl.
oben S. 630 Anm. 37. 38.
29 Der Kirchenvater (354-430).
30 Sensi enim saepe dolens et gemens multas infirmo-
rum perturbationes fieri per quorundorum fratrum
contentiosam obstinationem et superstitiosam timi-
ditatem, qui in rebus huiusmodi ... tam litigosas ex-
citant quaestiones, ut nisi quod ipsi faciunt nihil rec-
tum existiment (MSL 33, 201).
31 Vgl. oben bei Anm. 25!

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