Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0758
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Herrschaft Thüngen

schlossen, wiederumb derselben durch den priester
musten eingeleibt oder eingesegnet werden, welches
einfalsche oppinion und meinung, solcher halben soll
gedacht einsegnen nicht mehr geschehen; den es zu
merklicher verkleinerung gereicht dem heiligen ehe-
stand, desselben ehelichem werk, dem kindergeberen,
als ob solches an ihm selbst sund und unrein sei.
Zum andern ist es wider die kraft und wirkung der
heiligen sacrament der tauf, der absolution68 und
des Herren abendmals. Zum dritten wird durch ober-
melte falsche meinung den kindbetterinnen ihr fur-
nembster trost genommen, welchen ihnen der hei-
lige apostel Paulus gibt, 1. Tim. 2 [15], das sie selig
werden durch kinderzeugen, so sie bleiben im glau-
ben, in der liebe und in der heiligung sampt der
zucht. Zum vierten gibt mehr gedachte falsche mei-
nung vom einsegnen der weiber dem leidigen Teufel
ursach, die arme, forchtsame weiber je mehr mit sei-
nen larven und gespenst zu erschrecken, welchen zu
begegnen sind. Zum funften, so dadurch mancher-
lei aberglauben und zauberei mit segnen, St. Johan-
nis evangelio, geweihten wassern, salz, kreutern,
lichtern und dergleichen69 erdacht und wider das
erste gebot Gottes getrieben worden. Zum sechsten
ist durch solch einsegnen die notwendige lehre von
christlicher freiheit verdunkelt und den kindbetterin
benommen geweset, dadurch die weiber vom gesetz
der reinigung (darvon Ex. 13. cap. [2.12]) 70sowol als
von allen andern mosaischen gesetzen nicht weni-
gers denn andere christen insgemein gefreiet und
denselben nicht ferners zu gehorsamen schuldig sind
denn, was darinnen der zeit des innenbleibens kal-
ben die natur erfordert.
Domit diselben ihre rechte sterke und krefte wie-
der erholen mogen, welches, weil es nicht wol in
weniger zeit den in sechs wochen geschehen mag,
sollen die eheweiber vermahnet werden, das sie sich
ermelte zeit und wochen uber innen halten und ihr

68 Daß die Absolution hier unter den Sakramenten er-
scheint, ist offensichtlich ein Beweis für die Kenntnis
und den Gebrauch der nürnbergischen Kinderpre-
digten. Siehe oben S. 267!
69 Der Prolog des Johannesevangeliunis (1,1-14) wurde
frühzeitig und vielfach als Instrument des Segens
angesehen und verwendet, so auch am Schluß der
Messe oder als Wettersegen (Jungmann 2, 554-557.
Bächtold 4, 731 ff. - Eisenhofer 230 f.). — Zur Salz-

selbst mit gewohnlicher arbeit verschonen, domit sie
dem leib nicht durch mutwihige verwarlosung scha-
den zufügen; denn, ob es wol nicht sund ist, vor er-
nanter zeit ausgehen, ist es doch sunde, dem leib
schaden tun und gefehrliche krankheit verursachen.
Zudem ist es auch sund, der christlichen freiheid an-
dern zum ergernus, schaden und nachteil gebrau-
chen, welches geschicht, wen etliche grobe weiber,
weil sie von natur etwas sterker den andere, vor der
zeit und, wie man vielmals erfehret, den dritten oder
virten tag herauslaufen, welches die harte, unver-
ständige ehemenner sehen, dergleichen an iren wei-
bern, so etwas schwecher und den vorigen ungleich,
mit unvernunft begehren, einesteils auch mit un-
gestum und tyrannei die iren zu der arbeit zwingen
und treiben, davon viele in schwere und große krank-
heit fallen und sterben mussen, an welchem unrat
schuldig sind nicht allein solche unchristliche, harte,
tyrannische menner, sondern auch solche vermes-
sene, frevle und leichtfertige weiber, die durch ihr
ergerlich, boses exempel vielmals die storrische kopf
darzu verursachen.
Wir wollen daher durch dieses aufheben und ab-
tun des einsegnens das insitzen der sechs wochen
nicht gestrafet haben, auch niemand zu einigem
nachteil und schaden ursach geben.
Wir wollen auch das abschaffen, das das [abtun
desa] einsegnen[s]71 keinesweges dohin gemeint oder
verstanden wird, als ob die kindbetterin Gott dem
Allmechtigen die schuldige und gebürliche dank-
sagung fur die leibesfrucht und fur den gnedigen bei-
stand, schutz und erhaltung nicht erzeigen und tun
solten, sondern sollen in viel wege darzu ermahnet
sein, doch darneben gelehrt werden, daß solche not-
wendige danksagung an keinen gewissen ort, stunde
oder zeit gebunden sei oder das sie umb solcher umb-
stände wegen desto kreftiger und Gott gefehiger
were; den Gott an allen orten und zu allen zeiten
und Wasserweihe vgl. S. 44 Anm. 9! - Zur Kräuter-
weihe vgl. S. 203 Anm. 13. - Zur Kerzenweihe vgl.
S. 203 Anm. 8! - S. 203 auch zu Weiterem.
70 Eigentlich würde man hier den Hinweis auf 3. Mos.
12 erwarten. An 2. Mos. 13 wird wohl erinnert, weil
Luk. 2, 23 Marias Gang zu ihrer Reinigung mit die-
ser Stelle begründet wird.
71 Die Vorlage hat hier offenbar fehlerhaft nur: Ein-
segnen.

740
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften