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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (12. Band = Bayern, 2. Teil): Schwaben: Reichsstädte Augsburg, Dinkelsbühl, Donauwörth, Kaufbeuren, Kempten, Lindau, Memmingen, Nördlingen, Grafschaft Oettingen-Oettingen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30628#0026
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gische Kirchenordnung23. Letztere Gemeinden verloren ihre evangelische Religionsübung freilich schon
1620 wieder, nachdem 1618 die Familie Riedheim mit Konrads Sohn erlosch und der Besitz daher an
das Stift Kempten fiel.
Die pappenheimischen Pfarreien dagegen, die sich selbstverständlich an schweizerische Kirchen-
ordnungen hielten24, konnten unter vielen, schweren Bedrängnissen ihr Bekenntnis behalten, wenn
gleich auch sie - doch erst nach dem Westfälischen Frieden - an das Stift Kempten kamen (1692). Sie
geliören jetzt zur Evangelisch-reformierten Kirche in Bayern.
Wie weit sich sonst etwa auch in den Gebieten geistlicher Herren im Volk und unter den Dorfgeist-
lichen die evangelische Bewegung ausbreitete, ist nicht bekannt. Nachrichten über einzelne Vorgänge
fehlen. Das beweist nicht, daß es nicht solche gab, nicht einmal, daß es solche nicht zahlreich gab. Es ist
z. B. auch nicht das geringste über die Verbreitung evangelischer Haltung in der Gegend zwischen Augs-
burg und Donauwörth in der Lechebene bekannt. Trotzdem mußten seit 1595 in dieser Gegend in nicht
weniger als 21 Dörfern - man fragt sich fast, wie man diese überhaupt zusammenbringen soll - die
Jesuiten an der Rückführung der verwahrlosten Gemeinden zum katholischen Glauben mitwirken. 1601
konnte die Arbeit als abgeschlossen gelten25.
So wurden die evangelischen Kirchenwesen des bayerischen Schwaben südlich der Donau durchaus
Diasporagebiet - sehr weit voneinander getrennt durch katholische Räume unter zumeist sehr feindlich
eingestellten Herren.
Ihre Kirchenordnungen unterscheiden sich - wieder insonderheit in dem südlich der Donau gele-
genen Teil - grundsätzlich von denen Frankens. Das hat einen dreifachen Grund. Er lag zunächst in der
Frühgeschichte der evangelischen Bewegung, dann in der geographischen Lage und schließlich in den
sich daraus ergebenden besonderen politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen.
In Franken, vor allen Dingen in Nürnberg, dann aber auch sonst, übernahm der Pfarrer selbst die
Neugestaltung des gottesdienstlichen Lebens. Hier blieb daher, was nicht unevangelisch war, bestehen.
Ausgangspunkt für die Entwicklung einer evangelischen Gottesdienstform wurde so die römische Messe.
In Kempten und Lindau hätte das zwar auch geschehen können. Bevor es aber hier zur Ausbildung eige-
ner Gottesdienstformen kam, hatte sich der Einfluß der größeren Städte Schwabens - Augsburgs und
Memmingens - geltend gemacht. Dort aber war infolge der besonderen kirchenrechtlichen Verhältnisse
der Prediger Träger der evangelischen Verkündigung, während der Pfarrer sein Gegner war. Kennzeichen
der evangelischen Religionsübung wurde daher hier der Predigtgottesdienst in seiner nüchternen, mittel-
alterlichen Gestalt ohne liturgische Umrahmung. So mußte hier auch die Abendmahlsfeier neu entwickelt
werden. Während daher in Franken anfangs sogar die tägliche, dann wenigstens sonntägliche Abend-
mahlsfeier (freilich unter sehr wechselnder Teilnahme der Gemeinde) in Übung war, hielt man sie in
Schwaben vielfach nur noch an den hohen Festen. Das geschah um so mehr, als sich in der Schweiz zu-
nächst aus den gleichen Gründen, dann aber vor allem auch unter dem Einfluß eines neuen Sakraments-
verständnisses eine ähnliche Entwicklung vollzog, die sofort stark auf das bayrische Schwaben zurück-
wirkte.
Nicht weniger bedeutsam aber war - wie sich auch soeben schon gezeigt hatte -, daß die schwäbischen
Reichsstädte in mehr oder weniger enger Verbindung mit der Schweiz standen. Das wirkte sich später
besonders in konfessioneller Hinsicht aus, hatte zunächst aber schon bewirkt, daß die allgemeinen gesell-

23 Steicliele 9, 374-414. 507. — Fr. Roth, Die Reformation der Herrschaft Angelberg... 1576, in: BbKG 13 (1907)
253-271.
24 Näheres ist für die ältere Zeit aber nicht bekannt.
25 Beiträge zur Geschichte des Bistums Augsburg 1 (1850) 49f. — Jos. Schmidlin, Die kirchlichen Zustände in
Deutschland vor dem Dreißigjährigen Krieg nach den bischöflichen Diözesanberichten... 2: Bayern. Freiburg 1910.
48f.

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