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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (12. Band = Bayern, 2. Teil): Schwaben: Reichsstädte Augsburg, Dinkelsbühl, Donauwörth, Kaufbeuren, Kempten, Lindau, Memmingen, Nördlingen, Grafschaft Oettingen-Oettingen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30628#0076
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Augsburg

Vom kinderbericht.
Es sollen auch viermal der jars, alweg die wochen
vor den sontägen, auf die man in allen pfarren des
Herren abentmal halten sölle38, die kinderbericht
gehalten werden der ordnung:
auf dem sonntag vor denselbigen abentmalen solle
jeder pfarrer in seiner predig den gewonlichen text
lassen ansteen und die stück des catecismi furhalten
und der allweg der beden sacramenten kurzen be-
richt tun, laut des catechismi, so fur dise kirch an-
genomen wurd39. Und in diser predig solle er das
volk uf das treulichest ermanen, daß sie dieselbigen
wochen ire kind und gesind, drei tag - montag, mit-
woeh und freitag - zu dreu uren, der zeit der lec-
tionen, welhe dise wochen sollen underlassen wer-
den, in ire pfarr schicken wollen. Da solle der pfarer
die stuckt des kinderberichts volfuren, auch mit
fragen darzu die kinder anhalten und uben.
Von besondern versammlungen und gebeten,
so sich Gott mit besonderer straf oder guttat
erzaiget.
Und demnach auch zu zeiten, so der Herr uns
haimsuchet mit besondern plagen oder teurungen
oder auch mit besondern guttaten, der gaist Christi,
die glaubigen treibet, gemainden zu halten, sollen
die presidenten und pröbst alle mal, so etwas soll-
ches furfallet, bedacht sein, dem convent und dem-
nach auch die oberkait zu erinnern, das solche ge-
mainde durch die oberkait angesetzt und beruefet
werden. Und so soliche besondere gebet, versamlun-
gen und supplicationen zu halten sind, sollen die
predigen auf die furgefallen sachen besonders ge-
richtet werden also, das das volk seiner sunden und
h In der Vorlage ,,fred“.
38 In der Abendmahlsordnung (vgl. S. 79) wird als
Zeit der vier Abendmahlsfeiern die Zeit der Kate-
chismen genannt. — Solche vier Katechismusgottes-
dienste im Jahr kennt z.B. auch die Ulmer Kirchen-
ordnung von 1531 (Ordnung, die ain ersamer rat
der statt Ulm .. in irer stat und gepieten zuo halten
fürgenommen .. b 3v).
39 Diesen möchte man sehen in dem hauptsächlich von
Bonifaz Wolfart verfaßten Catechismus, das ist: ain
anfengklicher Bericht der Christlichen Religion von
den Dienern des Evangelions zu Augsburg für die
Jugent aufs kürzest verfasset und beschrieben. 1533
(Hans, Katechismen 111ff. — Reu, Katechismus-

der gnaden Gottes zum ernstlichsten erinnert und
zum gepet erhitziget werde.
Weil alle unser frumkait und seligkait allain in
warem lebendigen glauben steet an unsern Herren
Jesum Christum, solle diser glaube in allen predigen
das furnemest sein, das die prediger treiben, wie
dann auch disen glauben alle schrift zum furnem-
sten leren.
Aber weil diser glaub allain ist, wa das ruwig und
erschrocken gewissen davon frid, trost und freudh
empfahet, das es höret, das uns die sund vergeben
sind umb Christus willen, so sollen die prediger, die
leut fleißig vermanen, das diser glaub nicht könne
sein one ernstliche und warhaftige reu und schrecken
fur Gott, wie geschriben ist, im hundert und zehen-
den Psalem [111, 10] und40 Ecclesiastice41 am er-
sten [16]: Der weishait anfang ist Got förchten, und
Esaias sagt am letzten [66, 2]42: Uf welchen sihet
Got den allain auf ain erschrocken und rueig herz?
Solchs soll oft gesagt werden, das die leut nicht
in falschen wan komen und mainen si haben glau-
ben, so si doch noch weit davon sind, und soll an-
gezaigt werden, das allain in dem glauben sein möge,
die warhaftige reue und laid tragen uber ire sind.
Das ander, wa nit reu ist, ist ain gmalter glaub; dann
rechter glaub soll trost und freud bringen an Got.
Solcher trost und freud wird nicht gefulet, wa nit reu
und schrecken ist, wie Christus Mathei am ailften [5]
sagt: Den armen wirt das evangelion gepredigt.
Dise zwai sind die ersten stuck des christenlichen
lebens, bus oder reu und laid und glauben, dardurch
wir erlangen vergebung der sunde und gerecht wer-
den fur Gott, und soll in uns bedes wachsen und zu-
nemen.

unterricht 450-454). Ein anderer Katechismus aus
dieser Zeit ist wenigstens nicht bekannt. Mit diesem
Wolfartschen Katechismus stimmt aber der jetzt
sonntags vor der Predigt zu verlesende Katechismus-
text (unsere Nr. 19 S. 67) nicht überein. Sollte es
da noch einen uns bisher unbekannt gebliebenen
Augsburger Katechismus gegeben haben? (Vgl. auch
S. 67 Anm. 1!).
40 nach der Zählung der Vulgata; bei Luther Ps. 111.
41 = das von Luther unter die Apokryphen gerechnete
Buch Jesu Sirach.
42 nach der Vulgata.

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