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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (12. Band = Bayern, 2. Teil): Schwaben: Reichsstädte Augsburg, Dinkelsbühl, Donauwörth, Kaufbeuren, Kempten, Lindau, Memmingen, Nördlingen, Grafschaft Oettingen-Oettingen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30628#0077
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Kirchenordnung von 1537

Derhalben sollen auch dise stuck in predigen bede
samentlich mit allem ernst getriben werden, denn
Christus spricht, Luce am letzsten [24, 47], das man
predigen solle in seinem namen puß und vergebung
der sunden. So ist auch und kan kain vergebung der
sunden sein on bus, mag auch on buß nicht verstan-
den werden und, so man die vergebung der sunden
predigt on bus, folget, das die leut wenen, si haben
schon vergebung der sunden erlanget, und werden
dadurch sicher und forchtlos, welchs dann großer ir-
tumb und sunde ist, denn alle irtumb vor diser zeit
gewesen seind, und furwar zu besorgen ist, wie
Christus spricht Math. 12 [45], das das letzte erger
werd dann das erst.
Zum andern: weil weder die predigen noch alles,
das zu der christenlichen seelsorg und weid der
scheflin Christi gehört etwas entschießen43 und
frucht bringen mag, wa die leut sich nicht genzlich
in die gehorsame des heiligen evangelii und die ge-
mainsame des leibs Christi begeben und sich deshalb
zu gemaind Christ, so die zum wort, gepet und den
hailigen sacramenten versamelt wurt, geren ver-
fuegen, das wort des Herren alda wie das wort des
Herren und nicht des predigers hören und verne-
men, also sad si daraus zur seligkait gestraft, ge-
tröstet, geleret und vermanet werden, nicht daß sii
zu irer sund und verdamnus den prediger und andere
strafen und richten wellen.
Item das si bei dem gemainen gebet und gesang
mit aller andacht erscheinen und pleiben, auch die
bruderlich straf und warnung geren von andern auf-
nemen und andern beweisen und sich in allweg, als
die lebendigen, waren glider des leibs Jesu Christi
halten und beweisen. Wa sich die leut in solche ge-
horsame und gemainsame nicht ganz begeben und
halten, mag das werk des gaists Christi in inen und
das war erbauen des leibs Christi nicht furpracht
werden.
Derhalben sollen die prediger in ihren predigen
zu solicher warer gemainschaft Christi, gehorsame
des hailigen evangelii und ubung der waren, chri-
stenlichen liebe gar vertreulich vermanen und immer

i In der Vorlage steht hier noch einmal „costlichen“.
43 = ersprießen (Schmeller 2, 477. -Fischer2, 737).

darauf dringen, wie dan das der articul unsers glau-
bens: Ich glaub ain christenliche kirchen und die apo-
stolischen schriften vermögen, und ahenthalb so ge-
treulich furhalten, auch dazu getreulich vermanen.
Darzu die prediger das auch bewegen solle, das diser
zeit noch so wenig sind, die von der recht christli-
chen gehorsame und gemainsame etwas wissen, aber
sovil, die sich doch lassen dunken, kostliche1 cristen
sein, welche doch, wie die epistel zum Ebreern [10,
25] klaget unser versamlung verlassen und das werk
Christi gegen iren brudern als seine lebendige gli-
dern gar wenig uben.
Zum dritten: weil solche gemainsame der kirchen
durch zwai stuck furnemlich verhindert wurt - das
ein, das inen vil leut selb so vil vertrauen und ge-
fallen, das si immer etwas fur sich selbs sein und tun
wellen, andere mer zu verargwonen und zu verur-
tailen genaigt send dann si wie ire glider in Christo
haltend; das ander, daß sich so vil in den weltlichen,
fleischlichenk gescheften versenken, das si dem reich
Christi nit nachfragen -, so sollen die prediger wider
dis bede mengel die leut getreulich verwarnen. Wie
dann auch alle lere unsers Herren Jesu und der apo-
steln, wie auch die propheten immer wider die zwai
stuck gerichtet seind; unzeitige falsche weishait und
frumkait und das uppiche, fleischliche leben diser
welt.
Bei disem gemainen gebrechen aller menschen
sollen die prediger und pröbst ain getreues aufsehen
haben auf die herde Christi, auf das in den predigen
auch allweg den besondern geprechen und mengeln
begegnet werde mit allem christenlichen ernst und
auch beschaidenhait, das immer die laster und nit
die menschen widerfochten, auch niemand mit nich-
ten, so vil das mit Gott möglich, verletzet oder ver-
ergert werde.
Und weil der christenlichen kirchen als recht gott-
liche policeien und gemainden gepurt zu versehen,
das bei inen jeder man sein notturft gegeben werde
und niemand mangel leide, sollen die prediger nicht
allain der zeit, so inen die almusherrn zetel44 geben,
sonder zum oftermalen das volk vermanen, das nie-
k In der Vorlage „fleißlichen“.
44 Damit sie, wem besondere Bedürfnisse vorlagen, um
Gaben bitten sollten.

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