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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (12. Band = Bayern, 2. Teil): Schwaben: Reichsstädte Augsburg, Dinkelsbühl, Donauwörth, Kaufbeuren, Kempten, Lindau, Memmingen, Nördlingen, Grafschaft Oettingen-Oettingen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30628#0162
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[II 9.] Bericht, wie man es halten soll.

Es hat herr M. Joh. Knaur unter anderm den
herrn kirchenpflegern auch einen bericht bestellt und
zugestellt,
wie sie es in annemung der kirchendiener* 1,
item, wo streit unter den kirchendienern oder zu-
hörern der religion halben fürfiele 2,
item, wie man mit den personen verfahren soll,
die in notoriis delictis, wie etc. etc.,ahalten solltena,
so sie bei handen haben. Darin soll sich der pfarrer
und kirchenpfleger, wann dergleichen fürfellt, je-
derzeit ersehen etc. Selbigem prozeß sollen sie nach-
setzen, obgleich der magistrat dis orts die hand
nicht bieten will; denn Paulus nicht erst bei dem rat
zu Corintho angehalten um erlaubung einiges prozeß
wider den blutschänder3 etc. auch hat Ambrosius
nicht erst bei der canzlei gefragt, ob man im helfen
und handhaben wolle4 etc., welche beed exempla
die kirchenordnung5 auch anzeugt fol. 65.
Von ehefällen.
Bericht und bedenken M. Knauren mit eigner sei-
ner hand in die kirchenordnung, so täglich in der
kirchen allhie gebraucht wird6, geschrieben. fol. 8
und 9.
Was dann mengel sind in ehefellen, soll der pfarrer,
so viel die gradus7 belanget, die anleitung in diesem
buch (kirchenordnung fol. 128. 129) wol einnehmen
und sich denen gemäß in ehesachen verhalten.
Was desertiones und anders mag belangen, an die
obrigkeit weisen, welche hernach wol wird wissen,
was zu tun sei.
Im fall dann die obrigkeit die parteien an das

Druckvorlage: Gleichzeitige Abschrift (Dinkels-
bühl Stadtarchiv, Kirchenpflegerbüchlein B 90
f. 38v-40.) - Vgl. oben S. 125!
a-a Steht in der (sehr schlecht geschriebenen) Vorlage
irrig schon vorher hinter ,,fürfiele“.
1 Unsere Nr. II 3 S. 132.
2 Unsere Nr. II 3 S. 132.
3 1. Kor. 5, 1-5.
4 Gemeint ist der Fall mit dem Schreiber des römi-
schen Staatsmannes und damaligen Reichsverwe-
sers Stilicho (|406), von dem der Gehilfe Paulinus
des Kirchenvaters Ambrosius († 397) in Mailand in
seiner an Augustinus gerichteten Lebensbeschrei-

päpstisch consistorium gen Augspurg weisen wurde
und man von dannen dem pfarrer einen bescheid
oder gegeben endurteil fürlegte, hat sich der pfarrer
desto besser eintweder darnach zu richten oder aber
desto fleißiger zu bedenken, wie fern oder nahe solche
abschied sind von denen sentenzen, welche in ehe-
fellen bei den consistoriis der augspurgischen con-
fession verwandten gegeben werden, und wie sie zu
forderst mit der heiligen schrift übereinstimmen.
Da ihm dann etwas bedenklich fürvällt, hat er
nicht allein sich zu unterreden mit dem diacono, son-
der soll in Philippi Büchlein de conjugio8 und in
Sarcerii ehesachenbuch9 sich fleißig ersehen und
sich im fall der not mit den gelerten, benachbarten
pfarrer oder consistorien bei stätten oder fürsten-
tumben rats erholen, damit er nicht unrecht handel;
dann dies stuck darf fleiß und aufsehens aus aller-
hand ursachen.
Vom capitel.
Nachdem die bürgerschaft für nutzlich geacht, das
die alte weis, zu morgens und abends zusammen-
zukommen, wie die vor dem interim hie gehalten,
wider solt gebraucht werden, obwohl die kirchenord-
nung dies nicht in sich helt, hab ich ihnen doch
solchs nicht wollen wegern der meinung, daß man
in solchen lectionen dennoch etwas fruchtbarlichs
kunt schaffe, und soll so lang bleiben, so lang die
zuhörer kommen, mitsingen und zuhören. Da man
aber nur den steinen und holz solt singen und lesen,
mag es wol wider fallen, wie ich ihnen dann allen
den 11. Julii dies 68. jars solchs publice fürgehalten
bung des Kirchenvaters berichtet. Freilich hatte da-
bei Stilicho selbst den Ambrosius beauftragt (MSL
14, 46. - Werke [Basel 1527] 1, A 4vf.).
5 Die Kirchenordnung Wolfgangs.
6 Dieses Buch ist nicht erhalten.
7 = Verwandtschaftsgrade.
8 De arbore consanguinitatis et affinitatis sive de gra-
dibus (CR 16, 509-524), erstmals erschienen 1540.
9 Erasmus Sarcerius, geb. 1501 Annaberg, nach ver-
schiedenen anderen Kirchendiensten 1553 Super-
intendent zu Eisleben - † 1559. — Gemeint ist sein
1553 erschienenes ,,Buch vom heiligen Ehestand“
(Kawerau in RE 17, 482-486; 24, 450f. - Schot-
tenloher 18866—18878a).

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