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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (12. Band = Bayern, 2. Teil): Schwaben: Reichsstädte Augsburg, Dinkelsbühl, Donauwörth, Kaufbeuren, Kempten, Lindau, Memmingen, Nördlingen, Grafschaft Oettingen-Oettingen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30628#0181
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Aber schon begann der Schmalkaldische Krieg, der das Interim nach sich zog. Bei der Nähe der
kaiserlichen Truppen mußte sich die Stadt ihm am 28. Juni 1548 beugen. Pfarrer Kirchmaier war so
sehr dagegen, daß ihm die Stadt am 8. August 1548 kündigte. Im Februar 1550 mußte auch der letzte
evangelische Geistliche entlassen werden. Die evangelische Gemeinde kam in der Friedhofskapelle zu-
sammen und erbaute sich ohne Geistliche mit Gemeindegesang und Schriftverlesung3.
Nach dem Religionsfrieden hätte das anders werden müssen. Aber der katholische Rat dachte gar
nicht daran, der evangelischen Mehrheit seiner Bürger eine entsprechende Kirche und einen Prediger
zu gewähren. Am 27. August 1557 aber mußte der Rat, der noch im März das Gesuch um einen evangeli-
schen Prediger abgewiesen hatte, dem ungestümen Drängen der Evangelischen, die vier Fünftel der Be-
völkerung ausmachten, doch nachgeben. Sie bekamen die kleine Frauenkirche und einen eigenen Pfarrer.
Vertraglich wurde ihnen dann 1558 auch die Mitbenützung der Martinskirche und 1562 auch noch die
der Spitalkirche zugestanden 4.
In welcher Weise das neue Kirchenwesen gestaltet wurde, ist leider nicht bekannt. Der neue Pfarrer
Thomas Tillmann (1557-1588) stammte aus Pappenheim,hatte in Wittenberg studiert5 und war vorher
in Pfalz-Neuburg im Dienst gewesen 6. Er war also wohl kaum mit einer bestimmten Ordnung verwach-
sen, wenn er auch wittenbergisch eingestellt war und so vielleicht der Württembergischen Kichenordnung
von 1553 nicht ferne gestanden haben mag. Anderseits kamen seine beiden einander ablösenden Gehilfen
aus Augsburg7, so daß auch die Möglichkeit einer Übernahme der dortigen Agende8 offen bleiben muß
Auf alle Fälle blieb die Verbindung zu Wittenberg rege. Zwar natürlich nicht der ja noch teilweise katho-
lische Rat, wohl aber die Geistlichkeit unterschrieb die Konkordienformel9.
Kaufbeuren im Zeitalter der Gegenreformation.
Das Wiedererstarken des Katholizismus in Deutschland und vor allen Dingen in der Diözese Augs-
burg brachte Kaufbeuren beträchtliche Schwierigkeiten. Dazu soll noch nicht gerechnet werden, daß die
Stadt für ihr seit 1570 erworbenes Landgebiet immer versprechen mußte, an der bisherigen (katholischen)
Religion nichts zu ändern1. Ernster war, daß die Katholiken, die nur noch ein Zehntel der Bevölkerung
betrugen, immer neue Forderungen stellten und sich dabei auf die militärische Macht des Herzogs
Maximilian von Baiern stützen konnten. So war gar nicht daran zu denken, daß die evangelische
Bürgerschaft von ihrem katholischen Rat mehr als ein kleines Mitbenützungsrecht an der Martinskirche
erhielt. 1602 mußte die zu neun Zehnteln evangelische Stadt sogar den in Deutschland zum Konfessions-
kennzeichen katholischer Gebiete gewordenen neuen Kalender ühernehmen. Dann forderten die Katho-
liken die Rückgabe sämtlicher kirchlicher Gebäude an sie. Deshalb mußten die Evangelischen 1604 auf
kaiserlichen Befehl die Martinskirche vollständig räumen. Sie erbauten sich sofort eine neue Kirche, die
1605 geweiht wurde2. Die Frauenkirche kam außer Gebrauch. Die Spitalkirche blieb in gemeinsamer
Benützung, bis sie 1807 abgebrochen wurde3.
1627 mußte die evangelische Gemeinde auch noch die Frauenkirche und die Spitalkirche räumen.
Gleichzeitig bildete eine kaiserliche Kommission den Rat in der Weise um, daß jetzt die Katholiken die
3 Steichele 6, 379-382. — Alt 86. 90. 95; Interimspolitik; Kaiserbriefe. - Simon, EKGB 251. 257.
4 Stieve 23. - Steichele 6, 382-385. - Alt 95ff.
5 24. 5. 1547 immatrikuliert (Förstemann 240a).
6 Alt 96. 7 Alt 967. -Gg. Buchwald, Wittenberger Ordinationsbuch 2 (Leipzig 1895) 7 Nr. 116,
8 Unsere Nr. I 14. 9 J. T. Müller 786.
1 Alt 98f. — Steichele 6, 313.
2 Stieve 31ff. 90-98. - Steichele 6, 385-396. - Alt 100-111.
3 Steichele 6, 346ff.

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