Teil der Stadt nach deren Umfang im Hochmittelalter. Sie gehörte, obwohl sonst durchwegs die Iller
die Grenze zwischen den Diözesen Augsburg und Konstanz bildete, trotz ihrer Lage auf dem linken
westlichen Illerufer wohl schon seit der Zeit, in der diese Grenze überhaupt festgelegt wurde, zur Diözese
Augsburg4. Die Pfarrei war dem Kloster inkorporiert. Der nach Westen zu erfolgte Ausbau der spätmittel-
alterlichen Stadt war ein Bestandteil der mit dem Kloster unmittelbar verbundenen St.Lorenz-Pfarrei5 5.
An klösterlichen Gemeinschaften gab es in der Stadt nur das Franziskanerinnenkloster St.Anna.
Bei dem stets gespannten Verhältnis zwischen Stadt und Stift bemühte sich einerseits die Stadt
stets um zunehmende geistige und kirchliche Verselbständigung, wie sie z.B. 1463 eine städtische
Schule errichtete. Andererseits legte das Stift der Stadt bei all solchen Bemühungen - auch rein kirch-
licher Art wie z. B. bei der Gründung eines Spitals 14106 7 oder bei Kapellenbauten und Benefizienerrich-
tung - die größten Schwierigkeiten in den Weg. 1463 errichtete die Stadt auch eine von ihr zu besetzende
Stadtpredigerstelle. Der stärkste Streit wurde um das heilige Öl ausgefochten. Das zur letzten Ölung
dienende Öl mußte in der zuständigen Pfarrkirche aufbewahrt werden. Da diese für die Pfarrei St.Lo-
renz außerhalb der Stadtmauern lag, gab es nachts wiederholt Schwierigkeiten, so daß nicht selten je-
mand ohne das Sterbesakrament verscheiden mußte. Deshalb bemühte sich die Stadt darum, daß das
Krankenöl auch für den städtischen Teil der Lorenzpfarrei bei St.Mang aufbewahrt und Sterbende
notfalls von dort aus versehen werden durften.
Ein solcher Kampf, der schon seit 1459 wogte, entbrannte gerade an der Schwelle der Reformation
aufs neue. Durch einen unmittelbaren Besuch in Rom 1515 und gegen Bezahlung von 1500 Dukaten
erreichte die Stadt 1518 die Erfüllung ihres Wunsches. Die Verhandlungen hatte vor allem der Stadtpre-
diger Kaspar Helin geführt. Er darf wohl auch als der Verfasser einer nicht erhaltenen Flugschrift gegen
Mißstände innerhalb der katholischen Kirche angesehen werden, gegen die sich damals der Papst wen-
den mußte7.
Ob Helin dann, als Luthers Ruf auch nach Kempten drang, noch im Amt war, muß fraglich bleiben.
Der Boden für eine günstige Aufnahme der von Wittenberg her ausgestreuten Saat war auf jeden Fall
insofern bereitet, als die innere Verbindung mit der mittelalterlichen Kirche sehr angefressen war.
Der Sieg der evangelischen Bewegung.
Führer der evangelischen Bewegung wurde der Pfarrvikar von St.Lorenz, Matthias Weibel1. Ihm
schloß sich bald der Pfarrer von St.Mang, Sixt Rummel2, an und dessen Kaplan Jakob Haistung3,
der Helins Nachfolger wurde. Bei der Primiz des neuen Abtes Sebastian von Breitenstein im Mai 1523
wählte sich Weibel Titus 1, 7f. zum Predigttext, wobei er scharfe Worte gegen die üblichen Zustände
4 Zorn, Atlas Bl. 26. 32 (Bei der Kleinheit des Maßstabes kommt die Bistumsgrenze nicht zum Ausdruck).
5 Otto Erhard, Aus der Geschichte der Pfarrgemeinde St. Mang, in: Heimgarten (Beilage zum Allgäuer Tagblatt 4
[1917] Nr. 17). - Erhard, Burghalde 13ff.
6 Otto Erhard, Die christliche Liebestätigkeit im mittelalterlichen Kempten, in: Allgäuer Geschichtsfreund 20 (1923)
1-9; 23 (1925) 29-35.
7 Haggenmüller 1, 336. 493f. - Erhard, Reformation 6f.; Der Streit um das heilige Öl, in: Heimgarten (Beilage
zum Allgäuer Tagblatt 1 [1914] Nr. 20 S. 77ff.).
1 * um 1490 Martinszell bei Kempten. - 1515 Wien immatrikuliert. - Kempten Lehrer an der Stiftsschule, 1519
Kempten St.Lorenz Pfarrverweser - † 1525 (Erhard, Weibel).
2 Aus Gundelfingen. - 1492 Heidelberg immatrikuliert (Gv. Töpke, Die Matrikel der Universität Heidelberg 1.
[Heidelberg 1884] ...).- (149. Ehingen an der Donau Benefiziat ?), (1507) Kempten St. Mang Pfarrer - † 1530.
3 Aus Kempten. — 1516 Freiburg i. Br. immatrikuliert (Herm. Mayer, Die Matrikel der Universität Freiburg i. Br. 1
[Freiburg 1907] 228). - Kempten Heilig Geist Kaplan, 1523 St. Mang Kaplan (= Prediger?) - † 1536
(Erhard, Reformationsgeschichte 7f.).
die Grenze zwischen den Diözesen Augsburg und Konstanz bildete, trotz ihrer Lage auf dem linken
westlichen Illerufer wohl schon seit der Zeit, in der diese Grenze überhaupt festgelegt wurde, zur Diözese
Augsburg4. Die Pfarrei war dem Kloster inkorporiert. Der nach Westen zu erfolgte Ausbau der spätmittel-
alterlichen Stadt war ein Bestandteil der mit dem Kloster unmittelbar verbundenen St.Lorenz-Pfarrei5 5.
An klösterlichen Gemeinschaften gab es in der Stadt nur das Franziskanerinnenkloster St.Anna.
Bei dem stets gespannten Verhältnis zwischen Stadt und Stift bemühte sich einerseits die Stadt
stets um zunehmende geistige und kirchliche Verselbständigung, wie sie z.B. 1463 eine städtische
Schule errichtete. Andererseits legte das Stift der Stadt bei all solchen Bemühungen - auch rein kirch-
licher Art wie z. B. bei der Gründung eines Spitals 14106 7 oder bei Kapellenbauten und Benefizienerrich-
tung - die größten Schwierigkeiten in den Weg. 1463 errichtete die Stadt auch eine von ihr zu besetzende
Stadtpredigerstelle. Der stärkste Streit wurde um das heilige Öl ausgefochten. Das zur letzten Ölung
dienende Öl mußte in der zuständigen Pfarrkirche aufbewahrt werden. Da diese für die Pfarrei St.Lo-
renz außerhalb der Stadtmauern lag, gab es nachts wiederholt Schwierigkeiten, so daß nicht selten je-
mand ohne das Sterbesakrament verscheiden mußte. Deshalb bemühte sich die Stadt darum, daß das
Krankenöl auch für den städtischen Teil der Lorenzpfarrei bei St.Mang aufbewahrt und Sterbende
notfalls von dort aus versehen werden durften.
Ein solcher Kampf, der schon seit 1459 wogte, entbrannte gerade an der Schwelle der Reformation
aufs neue. Durch einen unmittelbaren Besuch in Rom 1515 und gegen Bezahlung von 1500 Dukaten
erreichte die Stadt 1518 die Erfüllung ihres Wunsches. Die Verhandlungen hatte vor allem der Stadtpre-
diger Kaspar Helin geführt. Er darf wohl auch als der Verfasser einer nicht erhaltenen Flugschrift gegen
Mißstände innerhalb der katholischen Kirche angesehen werden, gegen die sich damals der Papst wen-
den mußte7.
Ob Helin dann, als Luthers Ruf auch nach Kempten drang, noch im Amt war, muß fraglich bleiben.
Der Boden für eine günstige Aufnahme der von Wittenberg her ausgestreuten Saat war auf jeden Fall
insofern bereitet, als die innere Verbindung mit der mittelalterlichen Kirche sehr angefressen war.
Der Sieg der evangelischen Bewegung.
Führer der evangelischen Bewegung wurde der Pfarrvikar von St.Lorenz, Matthias Weibel1. Ihm
schloß sich bald der Pfarrer von St.Mang, Sixt Rummel2, an und dessen Kaplan Jakob Haistung3,
der Helins Nachfolger wurde. Bei der Primiz des neuen Abtes Sebastian von Breitenstein im Mai 1523
wählte sich Weibel Titus 1, 7f. zum Predigttext, wobei er scharfe Worte gegen die üblichen Zustände
4 Zorn, Atlas Bl. 26. 32 (Bei der Kleinheit des Maßstabes kommt die Bistumsgrenze nicht zum Ausdruck).
5 Otto Erhard, Aus der Geschichte der Pfarrgemeinde St. Mang, in: Heimgarten (Beilage zum Allgäuer Tagblatt 4
[1917] Nr. 17). - Erhard, Burghalde 13ff.
6 Otto Erhard, Die christliche Liebestätigkeit im mittelalterlichen Kempten, in: Allgäuer Geschichtsfreund 20 (1923)
1-9; 23 (1925) 29-35.
7 Haggenmüller 1, 336. 493f. - Erhard, Reformation 6f.; Der Streit um das heilige Öl, in: Heimgarten (Beilage
zum Allgäuer Tagblatt 1 [1914] Nr. 20 S. 77ff.).
1 * um 1490 Martinszell bei Kempten. - 1515 Wien immatrikuliert. - Kempten Lehrer an der Stiftsschule, 1519
Kempten St.Lorenz Pfarrverweser - † 1525 (Erhard, Weibel).
2 Aus Gundelfingen. - 1492 Heidelberg immatrikuliert (Gv. Töpke, Die Matrikel der Universität Heidelberg 1.
[Heidelberg 1884] ...).- (149. Ehingen an der Donau Benefiziat ?), (1507) Kempten St. Mang Pfarrer - † 1530.
3 Aus Kempten. — 1516 Freiburg i. Br. immatrikuliert (Herm. Mayer, Die Matrikel der Universität Freiburg i. Br. 1
[Freiburg 1907] 228). - Kempten Heilig Geist Kaplan, 1523 St. Mang Kaplan (= Prediger?) - † 1536
(Erhard, Reformationsgeschichte 7f.).