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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (12. Band = Bayern, 2. Teil): Schwaben: Reichsstädte Augsburg, Dinkelsbühl, Donauwörth, Kaufbeuren, Kempten, Lindau, Memmingen, Nördlingen, Grafschaft Oettingen-Oettingen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30628#0202
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VI 1. Zuchtordnung von 1533.
Burgermaister, rat und gemaind der statt Lindaw ordnungen,
wider allerlai ergernussen und laster angesehen und furgenomen.

Wiewol wir wüssen, das Gottes reich in uns und
das war christentumb alain durch den lebendigen
glauben im herzen steet, wölliches Cristus durch sei-
nen Hailigen Gaist, den er vom Vater empfangen
und den seinen erworben, selbs anfacht, ausfüert
und vollendt, und demnach all auswendig handel vil
zu gering sind, das sie verenderung der herzen er-
raichen möchten, noch dennocht erkennen wir uns
als ain ordenliche christenliche oberkait us pflicht
unsers ampts schuldig sein, nit alain offentliche ab-
götterei in gottesdienst abzuschaffen, sondern auch
allen möglichen fleis furzuwenden und anzukeren,
das unser gewalt diene, auszereuten bos sitten,
schand und laster, dagegen tugend, zucht und er-

Druckvorlage: Original (Reinschrift auf Papier,
Folio, 18 Blätter. - Lindau Stadtarchiv 51. 13). - Am
unteren Rand werden wichtigere Änderungen der Aus-
gabe von 1554 (Lindau Stadtarchiv 51. 13. - Original
[Reinschrift auf Papier, Folio, 20 Blätter]) vermerkt.-
Vgl. oben S. 182!
a-a 1554: Derhalben wir dann verschiner zeit die
ordnung und lasterstraf, so durch unsere vorfarn
im regiment fürgenomen, erneuert und offentlich
publicieren lassen haben und guter hoffnung ge-
wesen wären und uns endlich versehen, das hailig
wort Gottes, so jetzt vil jar her treulich verkündt
worden, solte bei unsern burgern, undertonen und
verwandten so vil gewürkt und in iren herzen ge-
fruchtet haben, das meniglich derselben zucht-
ordnung nit allain aus forcht der darauf gesätzten
straf, sonder der frucht und täglichen besserung,
so pillich an uns als christenleuten gespürt werden
solt, gehorsamlich nachkomen wäre,
so ist doch solichem wenig volg geschechen,
sonder ligt laider offenbar am tag, das alles un-
christliche gotslestern, fluchen und schwören,
auch das vihisch zu- und voltrinken, desgleichen
hurei, spilen, danzen und andere üppigkait und
laster nit allain in unser statt und obrigkeit, son-
der allen andern orten im hailigen reiche teutscher
nation dermaßen eingerissen, des auch die romisch
1 Vgl. die Einleitung S. 182 !
2 Dazu vgl. Egelhaaf 2, 510! — 1589 hat noch: und
anno 1577 zu Frankfurt.

barkeit zu pflanzen - alles nach art gottlicher ge-
schrift, woliche den menschen zu allem guten ge-
schickt macht -, aderhalben wir dann verruckter
zeit ain ordnung und lasterstraf furgenomen1, die-
selbigen etlichen zuchtherren zu handhaben be-
volhen, die wir aber nachfolgendes aus beweglichen
ursachen und ansinnen der gemaind wider abge-
schafft und danebend nicht destweniger aus bevelch
der gemeind durch uns, im teglichen rat, die laster
hertiglich zu strafen gedacht, so haben wir aber lai-
der bis anher bei demselbigen gar wenig besserung,
zucht und beschaidenhait gespurt, auch befunden
und ermessen, das den sachen durch ain ganzen rat
nit so stattlich, grundlich und ernstlich nachko-
kaiserlich majestat, unser allergnedigister herr,
und gemaine stend des reichs zu abstelung und
verhüetung solicher laster bei ernstlicher straf
und peenen auf vergangnem reichstags zu Augs-
purg des achtundvierzigsten jars ordnung und
sazungen2 aufsehn und darneben ainer jeden
obrigkait zugelassen hat, das sie je nach gelegen-
hait irer land und statt auch ordnungen fürnemen
möge.
Und dieweil dann solich gottslestern, fluchen
und schweren, auch die trunkenhait und, was
daraus folgt, desgleichen hurei und alle andere
laster, die laider jetzo im schwank seind, die gott-
lich majestat über uns zu zorn bewegen und ge-
wißlich ursachen seind der pestilenzen, kriegen,
teure und anderer erschrockenlicher, vor uner-
hörter krankhaiten3, on was sonst großen jamers,
unrats und verderbung der seelen, leib, lebens,
ehren und guts dannenher oftermals entsteet, wie
man leider vor augen sicht, und dann große zeit
und not ist, zu den sachen anderer ernstlicher ge-
stalt, dann bishero beschechen ist, zu tun,
so haben wir voraufgerichte zuchtordnung und
lasterstraf von neuem ubergangen und nachfol-
gender gestalt fürgenommen, auch uns ernstlich
entschlossen, ob derselben getreulich zu wachen
und vleißigs aufmerken zu haben, darauf bestel-
3 Gedacht war an die damals freilich immerhin schon
zwei Menschenalter lang in Europa wütende Syphi-
lis.

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