Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (12. Band = Bayern, 2. Teil): Schwaben: Reichsstädte Augsburg, Dinkelsbühl, Donauwörth, Kaufbeuren, Kempten, Lindau, Memmingen, Nördlingen, Grafschaft Oettingen-Oettingen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30628#0244
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
hatte. Die Abendmahlsfeier fand gleichfalls nach schweizerischem Vorbild nur noch an den hohen Fest-
tagen statt. Für sie schuf Blarer eine Ordnung, die sich sehr eng an den Züricher Brauch, und zwar an
„die ordnung der christenlichen kirchen zu Zürich“ (1525?)12, nicht an die ,,Action oder bruch des
nachtmals, gedechtnus oder danksagung Christi, wie si uf Osteren zu Zürich angehebt wird im jar
1525“13 anlehnte, aber auch Stücke aus der ganz anders gestalteten Baseler Form aufnahm14.
Er gliederte - ein völlig selbständiger, beachtlicher Versuch! - die Abendmahlsfeier organisch in
den Schlußteil des mittelalterlichen Predigtgottesdienstes (Offene Schuld mit Absolution, Fürbitten-
gebetsvermahnung, Vaterunser, Zehn Gebote und Glaubensbekenntnis)15 ein. Beachtung verdient dabei
besonders, daß die Zehn Gebote nicht wie etwa in Augsbwg16 vor der Beichte, als Mittel zur Erkenntnis
der Sünde verwendet werden, sondern als Richtschnur zu des Christen Dankbarkeit. Die ganze Ordnung
erweckt auch den Eindruck, als sei der größte Teil durch den Pfarrer von der Kanzel aus gesprochen, wie
es auch die Baseler übten.
Größeren Einßuß übte diese Ordnung anscheinend nicht. Man darf aber wohl annehmen, daß sie
im nächsten Jahre nach Kempten übertragen wurde, als Simprecht Schenck auf Bitten Kemptens dort-
hin zur Einrichtung der kirchlichen Verhältnisse gerufen wurde17.
Wie auf den Reichstagen zu Speyer 1526 und 1529 stand Memmingen und insonderheit sein Ge-
sandter Hans Ehinger18 auch auf dem Reichstag von Augsburg 1530 tapfer auf der evangelischen Seite19.
Dem Augsburgischen Bekenntnis der Lutheraner gab die zwinglische Stadt, in der damals auch
wieder Joh. Wanner in der Frauenkirche predigte, freilich nicht ihre Unterschrift. Sie reichte zusammen
mit Konstanz, Lindauund Straßburg ein eigenes Bekenntnis ein, die Confessio Tetrapolitana20. Sie
galt dem Kaiser durch eine Confutatio ebenso für erledigt wie das Augsburgische Bekenntnis. Den
Reichsabschied, der darauf Rückkehr zur alten Kirchenlehre forderte, legte die Stadt im November 1530
seiner Wichtigkeit wegen den Zünften zur Urabstimmung vor. Von den 812 Männern, die sich so ent-
scheiden sollten, stimmten nur 51 für die Annahme; 10 waren unentschieden; 751 aber lehnten ent-
schieden ab21.
So gehörte denn Memmingen auch zu den Städten, die 1531 den Schmalkaldischen Bund schlossen.
Im Februar dieses Jahres fand eine wichtige Tagung der oberländischen Städte dieser Abwehrgemein-
schaft in Memmingen statt22. Das für Memmingen in diesem Zusammenhang bedeutsamste Ergebnis
dieser Aussprache - die Zuchtordnung - wird gleich noch zu besprechen sein.
Zunächst erfolgte noch gewissermaßen ein offizieller Abschluß der Reformation. Unmittelbar nach
deren Durchführung in Ulm kamen Bucer und Oekolampadius am 1. Juli 1531 nach Memmingen. Auf
Grund der dort nach dem Vierstädtebekenntnis zusammengestellten 18 Artikel23 wurden die Geistlichen
befragt und verpflichtet. Das sollte jetzt auch für die Landpfarreien gelten. Die tatsächliche Durchfüh-
rung hier wie im Spital nahm zwar noch einige Zeit in Anspruch. Dafür aber wurde durch die Beseiti-
gung aller Bilder in den Kirchen ein deutliches Zeichen, daß es ernst gemeint sei, aufgerichtet24.
Zu Ostern 1532 wurde dann auch die auf dem Memminger Tag vom Februar 1531 angeregte Zucht-
ordnung verkündet, nachdem zuerst noch zumal in der Fastnachtszeit über einen völligen Zusammen-

12 Smend 196-201. - Richter 1, 136ff. - Waldenmaier 18-21. - Joh. Bauer, Einige Bemerkungen über die
ältesten Züricher Liturgien, in: Monatsschrift für Gottesdienst und kirchliche Kunst 17 (1912) Heft 4-6. - C R 91
( = Zwingli 4) 687-694.
13 Smend 196—201. — CR 91 (= Zwingli 4) 1—24.
14 Form vnd gstalt, wie das Herrennachtmal, der Kinder tauf, der kranken haimsuochung zuo Basel gebraucht vnd
gehalten werden (Smend 213—238. — Waldenmaier 21-25).
15 Surgant f. 78. 87. - Waldenmaier 4. 16 Vgl. S. 67f.
17 Karrer, Reformationsgeschichte 10f. 18 Dobel 3. 19 Dobel 4.
20 Vgl. Einführung, S. 7! 21 Dobel 4, 22. 22 Vgl. Einführung, S. 11!
23 Endriß 94. 115-118. - Köhler 2, 42f. 24 Dobel 5, 36-44. - Westermann 120-128.

228
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften