bruch der Zucht geklagt worden war25. Als ihr Datum nennt diese höchst bedeutsame Ordnung am Schluß
selbst den 27. März. Beschlossen wurde sie aber anscheinend, nachdem man sie am 26. März in einer
,,Gemeinde“ der Gesamtheit vorgelegt hatte, erst am 31. März, dem Ostersonntag, und öffentlich verkündet
am 2. April26.
Diese Zuchtordnung27 enthält nur verhältnismäßig wenige selbständig geschaffene Stücke. Im all-
gemeinen bringt sie fast wörtlich Bestandteile der damals noch ungedruckten Konstanzer Zuchtordnung28
und der schon gleich bei ihrer Verkündigung gedruckten Ulmer Kirchenordnung29. Trotzdem trägt sie
sowohl in ihrem Sondergut als auch in der Zusammenstellung der entlehnten Stücke eine beachtliche
Eigenart. Sie besteht zunächst schon aus zwei Teilen. Auf diese Weise suchte Memmingen - was be-
sondere Beachtung verdient - klar kirchliche und staatliche Zuständigkeit voneinander zu scheiden. Der
eine Teil, aus dem z. B. die Zuchtordnung in Lindau allein besteht30, enthielt die Bestellung staatlicher
Zuchtherren, den Lasterkatalog und die jeweils für die einzelnen Übertretungen festgesetzten weltlichen
Strafen. Er wurde in Memmingen als zweiter Teil gebracht. Es war eine Einrichtung, für die es in
Memmingen bereits vorreformatorische Vorläufer gegeben hatte (z.B. 1517 und 1520)31.
Wichtiger ist der andere Teil der Zuchtordnung, den Memmingen an die erste Stelle setzt - die Be-
stellung eigener kirchlicher Zuchtherren, auch Losner32, Warnungsherren, Chorrichter oder im beson-
deren Kirchenpfleger33 genannt, und eine Ordnung für ihre Amtsführung. Dieser Teil ist wieder zu-
sammengesetzt. Zunächst werden mehr oder weniger wörtlich Ulmer Bestimmungen wiedergegeben, die
sich einerseits weithin mit Vorschlägen des Memminger Tages von 1531, wo sie als nachträglicher Ein-
schub erkennbar sind und auf Ulmer Einfluß zurückgeführt werden können34, anderseits aber auch wie-
der mit dem Entwurf Bucers für die Ulmer Kirchenordnung, der ja schon hinter jenem Einfluß steckte,
decken35. Ihnen schließen sich dann Bestimmungen aus der Konstanzer Zuchtordnung an. Beide Stücke
sind auch hier noch nicht nahtlos ineinander verarbeitet. Dennoch aber ist die selbständige Arbeit
Memmingens unverkennbar.
Sie trägt einen ebenso einheitlichen Charakter wie die Lindaus, stellt aber auch die Zuchtordnung
dar, die dem Geistlichen den größten Einfluß gestattet, gleichzeitig aber auch den weltlichen Mitgliedern
durchaus seelsorgerliche, brüderliche Aufgaben zuweist. Sie stellt im Unterschied von den übrigen Ord-
nungen dieser Zeit und Gegend das Amt der Kirchenpfleger, zu denen auch die Geistlichen gehören,
völlig getrennt neben das der Zuchtherrn. Die Obrigkeit, die sich hier besonders gut als Summus epis-
copus verstehen läßt, muß zum Ausschluß aus der Abendmahlsgemeinde, mit der sich ja die bürgerliche
Gemeinde personengleich wissen wollte, nur ihr Einverständnis geben. Gestalt und Geist Simprecht
Schencks, vielleicht aber mehr noch des Bürgermeisters Eberhart Zangmeister, der nun bis zu seinem Aus-
scheiden aus dem öffentlichen Leben Obmann der Kirchenpfleger wurde, treten hier überaus anschaulich
in Erscheinung. Beide führten hier die Baseler Richtung einigermaßen zum Siege.
25 Schieß 1, 324f.-Schenck 36f. — Zangmeister 129.
26 Dobel 5, 46.
27 Unsere Nr. VII 3. — Dobel 5, 44-47. — Köhler 2, 162-169.
28 Hauß, Zuchtordnung.
29 Ordnung, die ain ersamer rath der statt Ulm in abstellung hergeprachter etlicher mißpreuch in irer stat und gepieten
zuo halten fürgenommen, wie alle sündliche, widerchristliche laster... abgewendt, vermitten und wie die übertreter
derselben gestraft und gepüßt werden söllen. Anno 1531. - Endriß 80-93. - Köhler 2, 56-61.
30 Unsere Nr. VIII 1.
31 Dobel 5, 46.
32 Lusen = horchen, aufmerken (Schmeller 1, 1515f.).
33 Diese sollten aber im Unterschied von den sonst üblichen Kirchenpflegern nichts mit Vermögensverwaltung und
Einkommens- und Rechnungswesen zu tun haben. Dafür waren eigene Pfründepfleger bestellt (Dobel 2, 60; 3, 15).
34 Vgl. oben Einführung S. 11 f. - Jäger 480-486.
35 Ernst. Wilh. Kohls, Ein Abschnitt aus Bucers Entwurf für die Ulmer Kirchenordnung von 1531, in: BlwKG
60/61 (1960/61) 210f.
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selbst den 27. März. Beschlossen wurde sie aber anscheinend, nachdem man sie am 26. März in einer
,,Gemeinde“ der Gesamtheit vorgelegt hatte, erst am 31. März, dem Ostersonntag, und öffentlich verkündet
am 2. April26.
Diese Zuchtordnung27 enthält nur verhältnismäßig wenige selbständig geschaffene Stücke. Im all-
gemeinen bringt sie fast wörtlich Bestandteile der damals noch ungedruckten Konstanzer Zuchtordnung28
und der schon gleich bei ihrer Verkündigung gedruckten Ulmer Kirchenordnung29. Trotzdem trägt sie
sowohl in ihrem Sondergut als auch in der Zusammenstellung der entlehnten Stücke eine beachtliche
Eigenart. Sie besteht zunächst schon aus zwei Teilen. Auf diese Weise suchte Memmingen - was be-
sondere Beachtung verdient - klar kirchliche und staatliche Zuständigkeit voneinander zu scheiden. Der
eine Teil, aus dem z. B. die Zuchtordnung in Lindau allein besteht30, enthielt die Bestellung staatlicher
Zuchtherren, den Lasterkatalog und die jeweils für die einzelnen Übertretungen festgesetzten weltlichen
Strafen. Er wurde in Memmingen als zweiter Teil gebracht. Es war eine Einrichtung, für die es in
Memmingen bereits vorreformatorische Vorläufer gegeben hatte (z.B. 1517 und 1520)31.
Wichtiger ist der andere Teil der Zuchtordnung, den Memmingen an die erste Stelle setzt - die Be-
stellung eigener kirchlicher Zuchtherren, auch Losner32, Warnungsherren, Chorrichter oder im beson-
deren Kirchenpfleger33 genannt, und eine Ordnung für ihre Amtsführung. Dieser Teil ist wieder zu-
sammengesetzt. Zunächst werden mehr oder weniger wörtlich Ulmer Bestimmungen wiedergegeben, die
sich einerseits weithin mit Vorschlägen des Memminger Tages von 1531, wo sie als nachträglicher Ein-
schub erkennbar sind und auf Ulmer Einfluß zurückgeführt werden können34, anderseits aber auch wie-
der mit dem Entwurf Bucers für die Ulmer Kirchenordnung, der ja schon hinter jenem Einfluß steckte,
decken35. Ihnen schließen sich dann Bestimmungen aus der Konstanzer Zuchtordnung an. Beide Stücke
sind auch hier noch nicht nahtlos ineinander verarbeitet. Dennoch aber ist die selbständige Arbeit
Memmingens unverkennbar.
Sie trägt einen ebenso einheitlichen Charakter wie die Lindaus, stellt aber auch die Zuchtordnung
dar, die dem Geistlichen den größten Einfluß gestattet, gleichzeitig aber auch den weltlichen Mitgliedern
durchaus seelsorgerliche, brüderliche Aufgaben zuweist. Sie stellt im Unterschied von den übrigen Ord-
nungen dieser Zeit und Gegend das Amt der Kirchenpfleger, zu denen auch die Geistlichen gehören,
völlig getrennt neben das der Zuchtherrn. Die Obrigkeit, die sich hier besonders gut als Summus epis-
copus verstehen läßt, muß zum Ausschluß aus der Abendmahlsgemeinde, mit der sich ja die bürgerliche
Gemeinde personengleich wissen wollte, nur ihr Einverständnis geben. Gestalt und Geist Simprecht
Schencks, vielleicht aber mehr noch des Bürgermeisters Eberhart Zangmeister, der nun bis zu seinem Aus-
scheiden aus dem öffentlichen Leben Obmann der Kirchenpfleger wurde, treten hier überaus anschaulich
in Erscheinung. Beide führten hier die Baseler Richtung einigermaßen zum Siege.
25 Schieß 1, 324f.-Schenck 36f. — Zangmeister 129.
26 Dobel 5, 46.
27 Unsere Nr. VII 3. — Dobel 5, 44-47. — Köhler 2, 162-169.
28 Hauß, Zuchtordnung.
29 Ordnung, die ain ersamer rath der statt Ulm in abstellung hergeprachter etlicher mißpreuch in irer stat und gepieten
zuo halten fürgenommen, wie alle sündliche, widerchristliche laster... abgewendt, vermitten und wie die übertreter
derselben gestraft und gepüßt werden söllen. Anno 1531. - Endriß 80-93. - Köhler 2, 56-61.
30 Unsere Nr. VIII 1.
31 Dobel 5, 46.
32 Lusen = horchen, aufmerken (Schmeller 1, 1515f.).
33 Diese sollten aber im Unterschied von den sonst üblichen Kirchenpflegern nichts mit Vermögensverwaltung und
Einkommens- und Rechnungswesen zu tun haben. Dafür waren eigene Pfründepfleger bestellt (Dobel 2, 60; 3, 15).
34 Vgl. oben Einführung S. 11 f. - Jäger 480-486.
35 Ernst. Wilh. Kohls, Ein Abschnitt aus Bucers Entwurf für die Ulmer Kirchenordnung von 1531, in: BlwKG
60/61 (1960/61) 210f.
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