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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (12. Band = Bayern, 2. Teil): Schwaben: Reichsstädte Augsburg, Dinkelsbühl, Donauwörth, Kaufbeuren, Kempten, Lindau, Memmingen, Nördlingen, Grafschaft Oettingen-Oettingen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30628#0291
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schob eine wohl im Blick auf die der Predigt vorangegangene Offene Schuld12 kurz gehaltene Allgemeine
Beichte mit Absolution ein, um dann den Grundzügen der Meßordnung zu folgen. Sie stellte so eine
durchaus selbständige Leistung dar. Von einer damals noch ganz außerordentlichen Freiheit zeugt, daß
sich Kantz die Feier nicht nur durch einen Priester, sondern auch durch eine andere Person gehalten den-
ken konnte13. Es war, nachdem am 25. Dezember 1521 in Wittenberg Karlstadt14 erstmals allgemein den
Laienkelch gespendet und im Januar 1522 die Messe deutsch gehalten hatte15 (was beides Luther nach
seiner Rückkehr von der Wartburg wieder rückgängig machte), die erste deutsche Messe, die in Druck er-
schien und so weithin verbreitet werden konnte16. Sie wurde darum auch wiederholt bis nach Bremen
hinauf nachgedruckt, wobei sie verschiedene Verbindungen und Vermischungen eingehen mußte17.
Einige Teile von ihr wurden schon sehr früh auch in Worms in einer sonst noch lateinisch gehaltenen
evangelischen Messe verwendet18. Dann diente die ganze Messe als Grundlage für die 1524 geschaffene
,,Form und Ordenung der Evangelischen deutzschen Messen, wie sie zuo Worms gehalten wirt“19. Ebenso
beeinflußte ein Straßburger Druck der Messe des Kantz einen Abschnitt der liturgischen Entwicklung
Straßburgs20.
Dagegen kann eine mit Kantz in Verbindung gebrachte Trauordnung, die sich in einer fünf Ver-
öffentlichungen enthaltenden Schriftengruppe findet, nur in dem Sinne erwähnt werden, daß sie als
Nördlinger Ordnung nachdrücklich abgelehnt wird21. Kantz hätte als Karmeliter, der dann nach seiner
Rückkehr auch bis 1535 nicht mehr im kirchlichen Dienst stand, keine Gelegenheit zur Vornahme von
Trauungen gehabt. Er konnte zwar schon im Sommer 1524 wieder mit seiner Frau nach Nördlingen
12 Surgant f. 84ff. - Waldenmaier 4f.
13 Fendt sieht (89) in dem ,,Priester“ den jeweiligen Celebranten, neben dem etwa auch noch ,,ein anderer“ (Priester)
als Prediger tätig sein konnte, - zu Unrecht; denn davon, daß der, der die Ermahnung tut, ein anderer sein könnte
als der, der nachher fortfährt, ist nicht die Rede.
14 = Andreas Bodenstein aus Karlstadt am Main, Verfechter eines spiritualistischen Christentums. * um 1480,
† 1541.-1505 Wittenberg Universitätsdozent und Chorherr, seit 1517 Kampfgenosse Luthers, gestaltet um die Wende
1521/22 das Wittenberger Kirchenwesen neu, muß deshalb 1524 weichen, Pfarrer in Orlamünde, nach einem ergeb-
nislosen Gespräch mit Luther ausgewiesen, schließlich 1534 Professor in Basel. (Barge. - RE 10, 73-80. — RG G 3,
632ff. - Schottenloher 9616-9649. - ND B 2, 356f.).
15 Barge 1, 379. 361.
16 Als in Nördlingen gebrauchte Ordnung kann wohl nur die Originalausgabe gelten, nicht aber mehr z. B. die in
Nördlingen vorhandene Ausgabe von 1524. Ihre Abweichungen sind trotzdem bei unserer Ausgabe angemerkt, um
an ihren Rückbildungen die Kühnheit der ersten Ausgabe deutlich werden zu lassen (Die Textabweichungen der
übrigen bei Smend!).
17 Smend 83-94.
18 Peter Brunner, Die Wormser deutsche Messe, in: Kosmos und Ekklesia (Stählin-Festschrift) (Kassel 1953) 118,
Anm. 48, 124.
19 Brunner 106-162.
20 Smend 83f. 152f. - Hubert LXVII.
21 ,,Von der Evangelischen Messz, was die Messz sey, wie und durch wen, und warumb sy auffgesetzt sey. Auch, wie
man messz soll hören und das hochwirdig Sacrament empfahen, und warum man es empfecht. Anno 1524.
Eyn Ratschlag herr Johan Pommer Pfarrer zu Wittenberg, wie man das Sacrament empfahen soll, under ayner
oder bayder gestallt.
Eyn Summa Christlicher gerechtigkayt.
Ordnung der Evangelischen Messz, herr Johan Pommer auss dem Latein verteutscht.
Wie man die, so zuo der Ee greiffent, einleytet vor der kirchen, durch herr Johan Pommer zuo Wittenberg.“
Davon ist die an 3. Stelle genannte Schrift die oben erwähnte Anleitung. Die an 4. Stelle genannte Schrift ist
Kantzens Messe. Den Verfasser der zuletzt genannten Trauordnung darf man vielleicht in Kantz suchen. Mit
Nördlingen hat sie aber nichts zu tun. (Ein Abdruck bei Hans von Schubert, Die evangelische Trauung. Berlin
1890 147—150.) Über die Ausgaben vgl. Gg. Geisenhof, Bibliotheca Bugenhagiana ( = Quellen und Darstellungen
aus der Geschichte des Reformationsjahrhunderts 6) Leipzig 1908 Nr. 36-43. Abgesehen davon, daß Kantz nach
seiner Verheiratung aus der Stadt hatte weichen müssen, befand er sich im Sommer 1524 in Wittenberg, wo er die
dortige Trauform Bugenhagens kennen lernte. Die Frage nach dem Druckort des Buches kann für unsere Zwecke
dahingestellt bleiben. Wenn W. Jensen, Von der evangelischen Meß... Wittenberg 1524, in: Festgabe aus Anlaß
des 75. Geburtstags von D. Dr. Karl Schornbaum (Neustadt/Aisch 1950) 61f. aus dem Abklatsch des Titels eines
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