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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (12. Band = Bayern, 2. Teil): Schwaben: Reichsstädte Augsburg, Dinkelsbühl, Donauwörth, Kaufbeuren, Kempten, Lindau, Memmingen, Nördlingen, Grafschaft Oettingen-Oettingen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30628#0331
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Kirchenordnung Kaspar Löners 1544

berenden weibern und kindbetern umbgeen,wamit si
die trösten und, wen si not fulen, das kind und die
mutter Gott bevelchen, inen undersagen, daß sie
kainkind, so noch zum tail in mutterleib ist, taufen45
und endlich auch hörenb, wie si in der hohen not, die
geboren seind, taufen und, was si nicht wissen, gut-
lich underrichten.
Es solten auch billich die eltern, den Gott kinder
beschorn46 hat, zu dem pfarrer kumen, dem solchs
anzaigen haben und um die taufe bitten, auch, wie
er sein kind nennen wöllt und was er fur leite zu ge-
vattern darzu zu bitten gedächte.
Wie die armen versorget sollen werden.
Dieweil auch ein superattendent, pfarrer und pre-
dicant soll sehen, daß die armen recht und wol ver-
sorget werden, wie das der apostel geschicht geben47,
so ist mein gutliche vermanung und bitt, euere er-
bare weisheit wellen als die kirchenpröbst damit
dem Herren treulich dienen; den ich hab mit großen
freuden gehört, daß die armut diser stadt seer reich-
lich und wol durch unsere vorfaren und eltern ver-
sorget und versehen seint48, die sonder zweifel dis
ire belonung entpfahen.
Wie die kranken sollen versehen werden.
Wurd imands krank außerhalben sterbensläufen,
der zeige, so er well, sich den helfern an. Die sollen
in in seiner krankhait mit Gottes wort trösten, ire
bekenntnus der sunden hören und si darauf absol-
viren und mit dem hochwirdigen sacrament des leibs
und bluts Christi laut der form, so inen durch mich
b Die Vorlage hat - aber offensichtlich infolge eines
Lese- oder Schreibfehlers des Schreibers - ,,auf-
hören“.
dere deren Exorzismus, gegen den vorher der Rat
gewisse Bedenken äußerte (Nördlingen Stadt-
archiv. - Geyer, Kirchenordnungen 31. 33).
45 Damit ein Kind nicht ohne Taufe des ewigen Heiles
verlustig gehe, erklärt es die katholische Kirche für
schwere Pflicht, ein Kind notfalls auch vor voll-
endeter Geburt noch im Mutterleibe zu taufen
(Wetzer 11, 1270). Dieses Verfahren hatte schon
das Agendbüchlein Veit Dietrichs 1543 (Sehling
11, 506) verboten.
46 So eindeutig. Es muß aber nicht ein Schreib- oder
Lesefehler für beschert vorliegen, sondern kann auch

darzu gestellet soll werden49, versorgen und ver-
sehen und nachmals, so oft si des begern, auch zu
inen kumen und sie trösten und vermanen. Wurden
aber sterbenslauft sein, das Gott lang verhüten woll,
so soll das volk darzu vermanet werden, daß es sich
bei gesundem leib mit dem hochwirdigen hailigen
sacrament lasse versorgen und versehen und nicht
harren, bis si die krankheit anstoßet; den die helfer
wurden si nicht kunen versorgen.
Hette auch ein erbar weiser rat, wie ich here, et-
liche weiber darzu verordnet und angenummen, daß
si der kranken warten sollten50, die, bitte ich, wollen
zu mir gewisen werden, auf daß ich mich ires glau-
bens und verstands, auch, wie si pflegen die kranken
zu trösten und dern zu warten, erkundige und, was
si nicht wissen, sie leren.
Wie die ehe und ehrensachen gehandelt
und die eheleute
eingesegnet sollen werden.
Die ehesachen und auch ehrnsachen, sofern si
der ehe anhengig seind und die gewissen belangen,
gehören nicht weder fur weltliche noch gaistliche
richter, sondern allein fur die pfarrer und seelsorger.
Die sollen den gewissen raten mit Gottes wort und
damit die part weisen. Die sent, inen zu volgen und
ire erkenntnus inen wol und wehe tun zu lassen, schul-
dig. Wöllen si aber nicht oder die ehrnsachen, [die]
nicht anhengig ist der ehe, so gehören si one mittel
fur ein erbarn wolweisen rat als die ordenlichen ober-
kait. Doch ist hierin mein untertänige bit, euere er-
bare weisheit wöllten ein ehegericht, wie zu Nurn-
c Die Vorlage hat — aber offensichtlich infolge eines
Lese- oder Schreibfehlers des Schreibers - „gebern“.
Vermischung von bescheren = zuteilen, mit be-
scheren = abschneiden eingetreten sein (Schmel-
ler 2, 451f.).
47 Ap.-Gesch. 4, 34f.; 6, 1.
48 Zu diesen Stiftungen vgl. z.B. Frickhinger 11,
84-90.
49 Die Naumburger Kirchenordnung hat keine solche
Ordnung.
50 Das war in vorreformatorischer Zeit die Aufgabe der
Seelnonnen im Beginenhaus gewesen. Nachdem es
hier aber schon längere Zeit Mißstände gegeben
hatte, wurde das Haus geschlossen und 1536 der

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