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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (12. Band = Bayern, 2. Teil): Schwaben: Reichsstädte Augsburg, Dinkelsbühl, Donauwörth, Kaufbeuren, Kempten, Lindau, Memmingen, Nördlingen, Grafschaft Oettingen-Oettingen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30628#0419
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IX. Visitationsordnung 1591.

[a) Visitationspatent]
Wir, Gottfrid, grave zu Öttingen etc., entbieten
allen und jeden unsern amptleuten, pfarherrn, diaconis-
conis, subdiaconis, schulmeistern, cantoribus, pfle-
gern, castnern, vögten, amptknechten, burgermei-
stern, burgern, vierern, riegern1, heiligenpflegern,
gemeinden, auch allen und jeden unsern undertanen,
auch schutz- und schirmangehörigen und verwand-
ten unsern gruß und alles guts und fügen euch
samptlich und sunderlich zu vernemen.
Wiewol wir die zeit unserer angenommenen re-
gierung2 uns nichts mehreres angelegen sein lassen,
auch höher und werder gehalten den, das wir alles
dasjenige befürdern, was zuforderst zue der ehr Got-
tes des Allmechtigen, auch aufpflanzung seines
alleinseligmachenden worts des heiligen evangelii,
erhaltung christlicher kirchen und schuelen nütz-
lich und fürstendig, sowohl auch, das allenthalben
guete ordnung und polizei angericht, alle ärgernus,
schedliche irtumb und secten und dabei fürgefallene
unordnung verhiet, fürkommen3 oder, da dieselben
eingerissen, so vil immer mügflchen abgewandt und
verbessert, nicht weniger auch alle laster und untu-
gend gestraft, damit neben der erkanntnus Gottes
wort alle christliche zucht und erbarkeit bei jungen
und alten angestellt, inmaßen wir denn auch zur fort-
pflanzung solches alles hiebevor öffentliche mandata
anschlagen, darneben auch durch unsere ordentliche
kirchenräth und superintendenten zue ordentlicher
und gepürender zeit (aflenthalben in unserm teil der

Druckvorlage: Gleichzeitige Abschrift im Visi-
tationsbericht (NLA Gen. Sup. Oettingen 22/1591f.
1—7. - Am Rande stehen Bemerkungen, die offen-
sichtlich für die spätere Fassung späterer Anordnun-
gen bestimmt waren. Sie sind bei den Patenten (a-c)
nicht berücksichtigt, bei den Visitationsartikeln aber
in den Fußnoten aufgenommen). - Druck: Karrer 20,
710-716 (Mit teilweiser Textverwirrung infolge der Um-
stellung von Manuskriptblättern. Die Randbemer-
kungen sind hier aufgenommen). - Vgl. oben S. 401!
1 = Rüger. Das Ruggericht war ein periodisch zu-
sammentretendes Gericht der Dinggenossen, bei
dem im Frageverfahren die von Amts wegen zu ver-
folgenden Straftaten genannt und festgestellt wer-

grafschaft4 visitieren und auf jedweders lehr, leben,
wesen und wandel guete getreue erkundigung zue ge-
brauchen, die mutwilligen, wie sich gepürt, strafen,
vermanen und verwarnen lassen, wie sonsten gleich-
wol allenthalben nicht weniger auf den predigstue-
len beschihet, der größten zuversicht, es werde etwa
jetweder seiner seelen heil und seligkeit besser war-
genommen, von sünden und allerhand bosheit ab-
gestanden, und sich zu einem bußfertigen und gott-
wolgefelligen wesen und leben geschicket, in ihrem
ampt getreu und geflissen sich gehalten, auch nicht
weniger jedweders kind und gesind dahin gewisen
haben, damit der gerechte zorn und fluch des al-
mechtigen Gottes, so ein jedweder auf sich selbst
ihrer vilfältigen ubertretung halben gereizet, darzu
die ernstliche strafen, väterliche rueten der pestilenz
und teuerungszeit (deren wir noch nicht entrunnen
oder erlediget und darzu an allen orten sorgliche
kriegsgevahr erfahren), der ewigen unerträglichen
verdambnis zu geschweigen, gnediglich und väter-
lich abgewendet, so erfahren wir doch tägflchen und
ist leider allenthalben nur zu vil offenbar und vor au-
gen, das schier niemand mehr sein[em] ihm von
Gott und uns befohlenen ampt mit getreuem fleiß
und gepürender sorgfeltigkeit nachsetzen oder, wo-
zue er befelt und verordnet, auch er schuldig und
dazu verbunden ist, bedenken will, daher denn bei
euch den amptleuten, predigern, schulmeistern und
dergleichen, also den zuhörern und euch, unsern
undertanen, verwandten und zugehörigen, allerhand
ergernus überhandnemen - für ein gottgefelig ein-
den sollten. Gelegentlich wurden dazu auch nur ein-
zelne Dinggenossen als Rügegeschworene bestellt
(E. Haberkern und J. Fr. Wallach, Sachwörter-
buch für Historiker [Basel 1935] 484). In den Visi-
tationsprotokollen der Grafschaft Oettingen treten
sie wiederholt in amtlicher Eigenschaft auf.
2 Nämlich seit 1574.
3 = zuvorkommen, verhüten (Schmeller 1, 1248. -
Grimm 4 1 1, 760ff.).
4 Die Grafschaft bestand aus dem oettingen-oettingi-
schen Teil, der evangelisch war, und dem oettingen-
wallersteinischen Teil, der sich katholisch hielt (vgl.
Einleitung S. 399).

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