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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (13. Band = Bayern, 3. Teil): Altbayern: Herzogtum Pfalz-Neuburg, Kurfürstentum Pfalz (Landesteil Oberpfalz), Reichsstadt Regensburg, Grafschaft Ortenburg, Herrschaft Rothenberg, Herrrschaft Wolfstein — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1966

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https://doi.org/10.11588/diglit.30630#0040
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Vermittler einer neuen Stellung zur reformatorischen Bewegung mag vor allem der Mann gewesen
sein, der seine Verhandlungen mit Philipp von Hessen über die Aufnahme in den Bund der evange-
lischen Stände führte - sein Rentmeister und Kanzleiverwalter Gabriel Arnold18.
Das Regensburger Religionsgespräch vom Frühjahr 1541 scheint der entscheidende Anlaß für Ott-
heinrich gewesen zu sein, nun nicht mehr länger zu zögern. Daß hier der Papst einigen Punkten, über
die Einigung erzielt worden war, seine Bestätigung versagte, dürfte ihm die Gewißheit gegeben haben, daß
hier ernstlich keine Einigung und damit überhaupt keine Reformation gewollt werde19. So konnte man
sich schon im Sommer 1541 in evangelischen Kreisen erzählen, daß der Pfalzgraf das Heilige Abend-
mahl in evangelischer Form genommen habe20. Man wird annehmen dürfen, daß es auf dem Regensbur-
ger Reichstag bei dem evangelischen Hausabendmahl eines Fürsten geschah. Trotzdem versuchte es am
4. Oktober 1541 Herzog Wilhelm von Baiern noch einmal, seinen Schwager zu mahnen, er möge doch
mit einer Änderung warten21. Es war zu spät.
Nun mußte sich Ottheinrich zunächst darüber entscheiden, in welcher Form er die Reformation
durchführen wollte. Sein Gebiet lag ja gerade zwischen den beiden Formen der damaligen Zeit. Im Nor-
den herrschte die sächsisch-fränkische Form, bei der möglichst alles beibehalten wurde, was nicht aus-
drücklich gegen das neue Verständnis des Evangeliums war22. Im Südwesten dagegen hatte die schweize-
risch-schwäbische Form, die überall von Grund auf einen Neubau versuchte, Eingang gefunden23.
Zur Klärung dieser Frage wandte sich Ottheinrich im Mai 1542 an die ihm benachbarten Haupt-
orte beider Richtungen mit der Bitte um Entsendung eines Beraters24. Nürnberg entsandte Andreas
Osiander25, Augsburg Wolfgang Meußlin26. Gewissermaßen als Sachverständiger, der keiner der beiden
Richtungen angehörte, wurde Michael Diller27 in Speyer zugezogen. Dieser hatte bisher entschieden
evangelisch gepredigt, aber noch keine gottesdienstlichen Änderungen durchgeführt, sich also noch nicht
festgelegt. Die Entscheidung fiel für die Richtung Osianders.
Osiander erhielt daher zunächst den Auftrag, ein Einführungsmandat für die Reformationsmaß-
nahmen zu entwerfen. Dieses wollte der Pfalzgraf so abgefaßt haben, daß niemand etwas dagegen sagen
könne - selbst der Papst nicht28. Dazu machte er dann selbst noch einige Änderungen im Entwurf. Bei

18 Aus Rain. Herr auf Echenbrunn, 1545 auch auf Schweinspoint, später auch (bis 1556) auf Otting, 1558 auch Pfle-
ger von Gundelfingen (Beitelrock 1, 43. 66. - Böhaimb 20, 3 9ff. - Riezler 4, 326. - Aug. von Druffel
Des Viglius van Zwichem Tagebuch des Schmalkaldischen Donaukriegs. München 1877. 45f. - Hans Rott, Ott-
heinrich und die Kunst. Heidelberg 1905. 48f.
19 Melanchthon in einem Brief vom 11. 7. 1541 an Brenz (CR 4, 476).
20 Dazu z.B.: Th. Kolde in RE 16, 545-552.
21 Böhaimb 20, 41. — Weber-Heider 13.
22 Sehling 11. 23 Sehling 12.
24 Ad. Engelhardt, Die Reformation in Nürnberg. 3. Nürnberg 1939. 76.
25 Geb. (Auhausen?l) 1498. — 1520 Nürnberg Lektor im Augustinerkloster, 1522 Prediger bei St. Lorenz, 1548 geht
als Gegner des Interims, Königsberg i. Pr. Pfarrer und Professor - † 1552. — Ein hochbedeutsamer, eigenständiger
Theologe (Möller. - RE 14, 501—509. — Schottenloher 16 668-16 712a. — Sehling 11 (Register!). — Simon,
Nürnbergisches Pfarrerbuch Nr. 971).
26 gen. Musculus. Geb. Dieuze (Lothr.) 1497. — 1512 Lixheim Benediktinermönch, 1527 verläßt als evangelisch das
Kloster und heiratet, Dorlitzheim Hilfsprediger, 1529 Straßburg Münster-Diakonus, 1531 Augsburg Prediger an
verschiedenen Kirchen, 1549 Bern Professor — † 1563. (ADB 23, 957. - RE 13, 585. — Schottenloher 16156
bis 16166. — Bopp Nr. 3703 und Nachtrag. - H.Wiedemann, Augsburger Pfarrerbuch [ — EKGB 38]. Nürn-
berg 1962. Nr. 166)
27 Aus der Diözese Speyer. — Augustinereremit, 1523 als Student in Wittenberg, 1530 Speyer Klosterprediger und
Pfarrverweser, predigt seit 1541 evangelisch (muß deshalb während der Anwesenheit des Kaisers 1541, 1543 und
1548 die Stadt verlassen), 1548 im Gebiet von Basel, 1553 Ottheinrichs Hofprediger in Neuburg, 1559 in Heidel-
berg — † 1570 (RE 4, 659-662). Auf welchem Wege Ottheinrich mit Diller bekannt geworden und zu ihm besonderes
Vertrauen gefaßt hatte, ist noch nicht bekannt.
28 Osianders Brief an den Abt Friedrich Pistorius des Egidienklosters in Nürnberg vom 1. 7. 1543 (Möller 248 [nach
Gotha Staatsbibliothek, Codex chartaceus A 128 f. 56]).

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