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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (13. Band = Bayern, 3. Teil): Altbayern: Herzogtum Pfalz-Neuburg, Kurfürstentum Pfalz (Landesteil Oberpfalz), Reichsstadt Regensburg, Grafschaft Ortenburg, Herrschaft Rothenberg, Herrrschaft Wolfstein — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1966

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https://doi.org/10.11588/diglit.30630#0057
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Ein Kommunikantenbuch der Hofpfarrei Neuburg a.d.D. aus dem Jahr 1564 hat sich in Baar bei
Ingolstadt erhalten65. Das Kommunikantenbuch in Schwandorf beginnt 156766. Die Generalartikel von
1576 setzen diese Bücher voraus67.
So konnte im Blick auf seine Ordnung und deren Durchführung Pfalz-Neuburg um 1600 sehr wohl
ein ,,protestantischer Musterstaat“ genannt werden68, und die Kirche verdiente diesen Namen nicht
weniger. Da wurde diese Blüte jäh mit brutaler Gewalt zertreten.

Die Vernichtung der evangelischen Kirche in Pfalz-Neuburg
(bis auf das Simultaneum im Herzogtum Sulzbach)
Diese Vernichtung erfolgte im Zusammenhang mit dem Erbfall, der auch in anderer Weise noch
für die Entwicklung der evangelischen Kirche in Deutschland den Keim zuvielen Wirrnissen legte -
mit dem Erbschaftsstreit um Jülich-Cleve-Berg, der mit dem Tod des Grafen Johann Wilhelm im Jahre
1609 eintrat. Die beiden Haupterben waren Pfalzgraf Philipp Ludwig von Pfalz-Neuburg und Kur-
fürst Johann Sigismund von Brandenburg. Ein Versuch, den Streit durch eine Ehe zwischen den Kin-
dern der beiden Fürsten zu schlichten, scheiterte.
Um nun mit der Hand seiner Schwester die Unterstützung des führenden Mannes im katholischen
Deutschland, des Herzogs Maximilian von Baiern, zu erlangen, wurde der neuburgische Erbprinz
Wolfgang Wilhelm1 1613 heimlich, 1614 öffentlich katholisch, wie der andere Bewerber um die Erb-
schaft, Kurfürst Sigismund von Brandenburg, um der niederländischen Hilfe willen zum reformierten
Bekenntnis überging. Sofort ordnete nun der erschrockene Vater in allen Kirchen für jeden Montag
mittags zwölf Uhr eine Betstunde zur Abwendung des befürchteten Unheils an2. Bevor Wolfgang Wil-
helm, dem sein Vater schon früher hatte huldigen lassen, zu ernsthaften Garantien für den Bestand der
evangelischen Kirche gebracht werden konnte, starb Philipp Ludwig (1614). So erfolgte zuerst die Ein-
führung des Simultaneums in allen Kirchen - obwohl es nirgends Katholiken gab. Dann wurden die
Geistlichen entlassen und schließlich alle, die der Einzelaufforderung zum Übertritt keine Folge leisteten,
abgesetzt und ausgewiesen.
In drei Teilgebieten konnte das jedoch nicht gleich geschehen: im Landgericht Sulzbach, wo Wolf-
gang Wilhelms Bruder August saß, in den Ämtern Hilpoltstein, Heideck und Allersberg, wo der andere
Bruder, Johann Friedrich, regierte, und im Wittum der Pfalzgräfinwitwe - in Höchstädt. Obwohl Wolf-
gang Wilhelm auch hier die Oberhoheit besaß, wagte er es doch nicht, den Widerstand gegen seine Be-
fehle zu brechen. Erst als sein Schwager Maximilian in der Oberpfalz war und militärische Hilfe lei-
63 B. Hipper und A. Weißthanner, Pfarrbücherverzeichnis für das Bistum Augsburg. München 1951, XI. 113.
- Es liegt jetzt in Neuburg StA.
64 K. Puchner und A.Weißthanner, Pfarrbücherverzeichnis für das Bistum Regensburg. Regensburg 1949. 48. 91.
65 Gerh. Nebinger, Das Taufbuch der evangelischen Hofkapelle in Neuburg a. d. Donau 1565-1591, in: Blätter des
bayerischen Landesvereins für Familienkunde. 25 (1962) 171-186; Das Taufbuch der Frauenkirche in Neuburg
1569-1589, a.a.O. 27 (1964) 375-396.
66 Siehe oben Anm. 62! 67 Siehe unten S. 234.
68 Sperl 1. - Vom guten Stand des Kirchenwesens zeugen vor allem die Visitationsberichte, z.B. Ries, Burglengen-
feld. - Hans Ammon, Predigtzensur und Gemeindeurteil 1610 [ = Kirchenvisitation der Superintendentur
Burglengenfeld], in: Nachrichten für die Evang.-Luth. Kirche in Bayern 16 (1961) 282. 285. - Kugler 45-66.
1 Geb. 1578, † Düsseldorf 1653 (Medicus 1, 433-438. - Brock 117-191.- Struve 532-544.- ADB 44. 87-118. -
Rall 25-33. - Sperl. - Simon, EKGB 387-391. - Barb. Fries-Kurze, Pfalzgraf Wolfgang Wilhelm, in:
Lebensbilder aus dem bayrischen Schwaben 8 (1961) 198-227.
2 Brock 126f. 230-233.

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