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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (13. Band = Bayern, 3. Teil): Altbayern: Herzogtum Pfalz-Neuburg, Kurfürstentum Pfalz (Landesteil Oberpfalz), Reichsstadt Regensburg, Grafschaft Ortenburg, Herrschaft Rothenberg, Herrrschaft Wolfstein — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1966

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https://doi.org/10.11588/diglit.30630#0080
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Herzogtum Pfalz-Neuburg

verstands sein, sonder einsteils die zehen gebot, den
glauben und das vaterunser können und zimlich ver-
stehn, einsteils aber derselben. nicht allein kein son-
dern verstand nicht haben, sonder auch die wort
nicht sprechen können, so ist von nöten, das die
beichtväter hierin sonder bescheidenheit und unter-
schied halten dann mit den alten einfeltigen groben
leuten, die nicht allein durch ir eigne hinlessigkeit,
sonder auch durch irer eltern und pfarherrn un-
wissenheit also aufwachsen, sol man gedult haben
und doch allen fleiß ankeren, das sie es noch lernen.
Mit den ganz jungen aber sol es anderst, wie hernach
angezeiget wird, gehalten werden.
Und mögen die pfarherrn oder beichtvater, so es
nicht besser wissen, die leut oder beicht kinder on-
geferlich in nachvolgender weis befragen und unter-
richten.
Wie man sich gegen den unwissenden halten sol
in der beicht .6
Wann einer kombt, der gar einfeltig und unwissent
ist, und spricht:
Wirdiger, lieber herr! Ich kum und wolt mich auch
gern, als einem gotsförchtigen, frommen christen-
menschen gebürt, erzeigen. So weis ich nicht, wie ich
im tun und mich darzu schicken soll etc. Darumb
bit ich, ir wöllet mich das beste unterrichten,
so sage der beichtvater also:
Lieber freund, weißestu auch die zehen gebot und
was Got in denselben von allen menschen fordert,
das sie tun und lassen sollen?
Antwort dann das beichtkind:
Mein herr, ich kan ir leider nicht,
so sage der beichtvater ferner:
Lieber freund! Weil du dann die zehen gebot nit
weißt, so ist gewiß, das du sie vil weniger gehalten
hast. Solchs ist aber der großisten sünden eine, die
der mensch tun mag, so gar nichts nach Gott fragen,
das du zwenzig, dreißig oder vierzig jar dahin
gehest, gebrauchest teglich so viler Gottis gaben
und güter und leßt dir geben leib, seel, sinn, ver-
nunft, essen, trinken und alle notturft, ja leßt dir

seinen lieben sun dienen mit seinem leiden und tod
zu deiner erlösung und seligkeit, leßt dir alle tag dar-
von predigen und gehest gleichwol also dahin, das
du nit einmal denkest noch darnach fragest, was du
doch dem lieben, barmherzigen Got zu lob, dank
und dienst für solche große und manigfaltige woltat
auch schuldig und pflichtig seiest.
Dann da muß gewißlich der Teufel allen seinen
willen haben, und dein herz, das so gar nichts von
Got weis, noch lernen wil, mit gewalt treiben und
immerdar von einer sünd zur andern reißen. Darumb
denk, wann du jetzund sterben soltest, das du solche
greuliche verachtung Gottis und seines heiligen
worts vor seinem gestrengen gericht nimmermer
würdest verantworten können, sonder müssest
darin verzweifeln und ewiglich verloren sein.
Dieweil dir aber unser lieber Got dein leben fristet,
so gedenk, das du dir solche greuliche sünd lassest
herzlich leid sein, bittest Gott umb gnad und ver-
gebung und tust dein müeglichen fleiß auch darbei,
sein heiliges wort und evangelion mit ernst und an-
dacht zu hören und zu lernen und nach demselben
auch zu leben und fromm zu sein. Fürnemlich aber
gedenk, das du die zehen gebot, den glauben und
das vaterunser lernest; dann, wann du darin nach-
lessig und seumig erfunden würdest, das man dein
unfleiß und verachtung würd spüren, so würd man
dir fürohin weder die absolution mitteilen noch das
heilig sacrament reichen, sonder dich wie ein heiden
gehn lassen so lang, bis du es lernest.
Auf solche weis mag man die einfeltigen, groben
leut, so von Gottis wort gar nichts wissen und in eim
so gar bösen, rohen leben hingangen sein, erinnern,
wann sie zur beicht kommen, damit sie auch zu er-
kantnus irer sünden gebracht werden und derselben
in irem gewissen empfinden. Dann wo die sünd nit
erkant und das gewissen nit gerürt wirt, da achtet
man auch Christum für nichts, gedenkt auch nit,
das das evangelion ein so teurer, edler schatz, ein
solch selig, gnadenreich wort alles heils und ein sol-
cher gewisser, reicher trost (wie es Paulus nennet
[2. Thess. 2, 16]) auch mitten im tod sei.

0 Nach 1540 (Sehling 3, 61f.).

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